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Stille gewinnt: Wie uns Ruhe nach vorne bringt

Erinnern Sie sich noch daran, als Sie das letzte Mal rundum erholt aus dem Urlaub zurückgekommen sind? Tiefenentspannt und mit lauter guten Gedanken? Als auf einmal das, worüber Sie sich vor dem Urlaub noch aufgeregt haben, gar nicht mehr schlimm war? Haben Sie sich dann auch gewünscht, dieses Gefühl für immer beibehalten zu können? Good News: Das geht!

Das Leben ist schöner und im wahrsten Sinne lebenswerter, wenn wir uns ruhig und entspannt fühlen. Dagegen beobachten wir in unseren Beratungen und Coachings, dass viele Menschen von Jahr zu Jahr immer unruhiger werden. Kein Wunder: Schließlich werden wir den ganzen Tag mit – nicht nur positiven – Informationen und Einflüssen von außen regelrecht beschallt. Zu jedem Thema gibt es eine Vielfalt an Sichtweisen und Meinungen. Dazu haben wir mit Neuerungen, Veränderungen und auch mit Druck und Stress zu tun – sei es im Job oder im Privatleben. Da kann man schon mal unruhig werden. Und wie reagieren wir in der Regel? Wir schalten ganz automatisch in den Reaktions- statt in den Ruhemodus.

Unruhe an sich ist nichts Schlimmes, in Maßen genossen kann sie sogar ein Antreiber sein. Doch sie braucht für ein gutes Gleichgewicht einen Gegenpol: die Ruhe. Ruhe ist eine große Kraftquelle. Wenn wir aus der Ruhe heraus handeln, ist vieles halb so wild, wir gehen automatisch mit Stress und Herausforderungen gelassener um. Wir verspüren weniger Angst und Nervosität. Wir treffen bessere Entscheidungen, sind konzertierter, fühlen uns wohler und strahlen das auch auf andere aus. Kurz gesagt: Ruhe ist eine ansteckende Eigenschaft. In sich ruhende Führungskräfte sind häufig die besseren Chef*innen und haben stabilere und produktivere Teams.

Aber nicht nur für die Psyche ist Ruhe eine Wonne, auch unser Körper profitiert: Kommen wir in die Entspannung, tritt der Parasympathikus, auch Ruhe- oder Erholungsnerv genannt, in Aktion. Er sorgt dafür, dass wir uns erholen, indem er bestimmte Funktionen und Prozesse runterfährt: Die Atmung wird langsamer, tiefer und gleichmäßiger und die Muskulatur entspannt sich. Das Herz schlägt langsamer, die Pulsfrequenz nimmt ab und der Blutdruck sinkt. Die Blutgefäße weiten sich und unser Verdauungssystem wird wieder aktiv. So findet auch unser Gehirn die Ruhe zur Verarbeitung der aufgenommenen Informationen. Forschungen aus Gegenden, in denen überproportional viele über Hundertjährige leben, zeigen zum Beispiel, dass sich diese Menschen regelmäßig ausgeruht haben.

Allerdings fällt die Ruhe – gerade in dieser trubeligen Zeit – nicht vom Himmel. Den Trubel um uns herum werden wir vermutlich nur begrenzt ändern können. Also richten wir uns doch darauf aus, innerlich ruhig zu werden. Was es dazu braucht? Eine Entscheidung, eine gute Portion Aufmerksamkeit – und Übung. Und wir dürfen natürlich ein paar Dinge anders machen als bisher. Somit liegt zwar ein bisschen „Arbeit“ vor uns, aber ich verspreche Ihnen, es lohnt sich!

Los geht’s!

Dabei möchte ich Ihnen 10 Schritte ans Herz legen:

1. Der Entschluss

Zur langfristigen Ruhe im Alltag werden Sie dann finden, wenn Sie sich bewusst dafür entscheiden und bereit sind, daran zu „arbeiten“, um Ihr Ziel zu erreichen. Es ist ein „Selbstprojekt“ – so, wie ich mich zum Beispiel entscheide, umzuziehen und alle dafür notwendigen Schritte umsetze, um mich anschließend in meinem neuen Zuhause richtig wohl zu fühlen. Innere Ruhe braucht den Entschluss: Da will ich hin! Dann habe ich auch das Durchhaltevermögen, den ganzen Weg zu gehen, statt bei der erstbesten Ablenkung mein Vorhaben zu vergessen.

2. Die Vision

Es braucht ein klares Bild davon, wie es ist, wenn Sie sich innerlich ganz ruhig fühlen: Zum Beispiel sehe ich mich mitten im Trubel mit einem Lächeln und in tiefer Entspannung wie ein Fels in der Brandung stehen. Oder Sie wählen ein bestimmten Moment der Ruhe aus dem Urlaub. Allein die Vorstellung wirkt schon beruhigend. Dieses Bild holen Sie sich im Alltag immer wieder hervor, um Ihr Ziel immer gut im Blick zu behalten. Hängen Sie sich gern auch ihr formuliertes Ruheziel mit einem Post-it an den Spiegel.

3. Der erste Schritt

Denken Sie darüber nach, was Sie ganz persönlich brauchen, damit dieses Bild zur Realität in Ihrem Alltag wird. Verhalten Sie sich ab sofort so, als wären Sie schon jetzt die Ruhe selbst:

  • Sie hetzen sich nicht mehr, Sie lassen sich Zeit.

  • Sie gehen, sprechen, essen und kauen langsam.

  • Sie konzentrieren sich immer nur auf eine Sache und den Moment.

  • Sie machen Ruhepausen – so, wie Sie es im Urlaub tun.

Machen Sie sich Ihre ganz eigene Liste mit den Verhaltensweisen, die Sie für Ihre innere Ruhe umsetzen wollen, und entscheiden Sie, womit Sie starten möchten.

4. Ruhe-Atmung

Beginnen Sie den Tag direkt nach dem Aufwachen mit zehn tiefen Atemzügen. Wiederholen Sie diese Übung zu bestimmten Situationen über den Tag verteilt (z.B. immer nach der Mittagspause), sodass sie irgendwann automatisch zu Ihrem Alltag dazugehört.

5. Selbstanalyse

Finden Sie heraus, was Sie beruhigt und was Sie beunruhigt. Sind es bestimmte Orte, die Ihnen guttun? Vielleicht in der Natur? Oder einzelne Menschen? Auch der Austausch mit der lieben Kollegin zu einem Arbeitsthema kann beruhigen. Das Ziel: Mehr von dem zu tun, was Sie beruhigt. Schauen Sie sich aber auch an, was Sie beunruhigt – und gehen Sie die Themen an. Manchmal kommen gerade dann, wenn man ruhiger wird, auch Themen hoch, die in den Frieden gebracht werden wollen. Und wenn Sie es allein schon oft versucht haben, geht’s vielleicht zusammen mit Expert*innen leichter.

6. Stille Zeit

Nehmen Sie sich jeden Tag Zeit für Stille – mindestens fünf Minuten lang. Tun Sie dabei nichts und achten Sie nur auf sich. Suchen Sie sich dafür „ihren“ Platz aus, an dem Sie sich wohlfühlen und an dem Sie für sich sind.

7. Medien- und Sprechauszeit

Verbringen Sie eine Zeit am Tag komplett ohne Medien: ohne Computer, Laptop, Fernseher oder Handy. Ohne ständigen Input von außen und ohne Kommunikation mit anderen. Sie können zusätzlich versuchen, eine Zeit lang nicht zu sprechen („silence hour“), obwohl Sie mit einer anderen Person zusammen sind. Das schärft die Sinne – auch füreinander. Für Fortgeschrittene: Legen Sie einen halben (oder gleich ganzen) Schweigetag ein, die Erfahrung ist spannend.

8. Ruhe-Rituale

Gönnen Sie sich regelmäßig Ruhe-Rituale. Ein Beispiel: Führen Sie ein Gedankenbuch. Schreiben Sie auf, was Sie beschäftigt oder belastet. Vielleicht auch das, was Sie jemand anderem so nicht sagen möchten. Durch das Aufschreiben bekommen die kreisenden Gedanken einen Platz außerhalb Ihres Kopfes. Und: Sie haben eine Art neue*n Gesprächspartner*in, die bzw. der zu jeder Zeit für Sie da ist, Ihnen immer zuhört. Sie können auch in das Gedankenbuch schreiben, wofür Sie dankbar sind – dadurch setzen Sie innerlich den Fokus auf das Positive in Ihrem Leben.

9. Erholsamer Schlaf

Schlafen Sie gut? Guter Schlaf ist der Boden für innere Ruhe. Manche Menschen brauchen gar nicht so viel Schlaf, aber das tiefe Zur-Ruhe-Kommen dabei ist für unsere Regeneration wichtig. Es gibt heute viel Wissen über guten Schlaf und zudem professionelle Schlafexpert*innen, die weiterhelfen können, wenn man nachts nicht zur Ruhe kommt.

10. Bewegung und Ernährung

Nicht zuletzt trägt regelmäßige Bewegung und damit auch ein Ausagieren bestens dazu bei, dass wir uns ruhiger fühlen. Und natürlich spielt auch unsere Ernährung eine große Rolle dabei, wie viel Energie unser Körper für die Verdauung aufbringen muss oder sich eben sparen kann. Ich finde es gut, sich auch mal ein Stück Schokolade oder ähnliche Dinge zu gönnen, auf die wir einfach Appetit haben – solange wir sie in Maßen genießen. So auch mit Kaffee oder alkoholischen Getränken.

Viele Unternehmen haben das Thema „Ruhe“ und die positiven Auswirkungen auf die Arbeitsleistung und die Zufriedenheit noch nicht auf ihrer Agenda. Die Einfachheit in der Umsetzung im Arbeitsalltag darf sich erst noch verbreiten.

Abschließend noch ein paar Tipps, die man ganz leicht in den Arbeitsalltag integrieren kann:

  • Gong anschaffen (gibt’s auch digital): Wird es in Meetings laut und hektisch, dürfen Mitarbeitende den Gong schlagen, worauf eine Minute Stille – und damit kurze Entspannung – für alle folgt.

  • Meetings regelmäßig mit einer kurzen Ruhe-Übung einleiten.

  • Workshops oder Seminare zur Abwechslung auch mal in speziellen Natur-Locations anbieten.

Wenn wir uns ein paar dieser Impulse vornehmen und sie sechs Wochen lang umsetzen, sollten wir schon eine spürbare Veränderung erreichen. Und wenn wir mal wieder in unruhiges Fahrwasser geraten, können wir uns nach unserer Trainingszeit schnell wieder in den Ruhemodus zurückversetzen.

Anfangs kostet es immer ein klein wenig Überwindung, sich an die neuen Gewohnheiten zu halten, aber am Ende werden wir mit mehr Lebensqualität, Gelassenheit und Zufriedenheit belohnt. Passend dazu habe ich vor Kurzem den schönen Satz gelesen: „Stille in mir – welch tiefes Glück.“ Da kann ich nur zustimmen – und hoffe, Sie bald auch.

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