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Unternehmenskultur: Warum Digitalisierung und Wertewandel zusammengehören

Bekenntnis zu einer werteorientierten Unternehmensführung

Es geht heute nicht nur darum, dass die Digitalisierung Unternehmenskulturen beeinflusst, sondern auch, ob diese die digitale Transformation ermöglichen. Beides ist gleichermaßen relevant. Um mit dem digitalen Wandel richtig umzugehen, braucht es Klugheit und Überlegung. Vor allem Traditionsunternehmen und Mittelständler sollten sich fragen, welche Dienstleistungen oder Produkte sie anbieten können und sich über ihren Kern bewusst sein. Im Mittelstand ist zwar ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Digitalisierung vorhanden, doch fehlt es häufig an Entscheidungen. Der Grund dafür ist vor allem mangelndes Wissen über die richtigen Technologien für die jeweilige Markt- und Kundensituation. Wer digitale Prozesse richtig managen will, braucht außerdem ein tiefergehendes Verständnis der eigenen Unternehmenskultur – ein kurzer Wandel ist nicht nachhaltig.

Das ist leicht dahingeschrieben – umso wichtiger sind Beispiele aus der Unternehmenspraxis, von denen sich lernen lässt. Interessant ist, dass jene, die die Chancen der Digitalisierung erfolgreich nutzen, einen schweren und zuweilen schmerzhaften Weg hinter sich haben. Denn die Verabschiedung von alten Denkmustern ist nicht selbstverständlich und bedeutet einen radikalen Einschnitt in der Unternehmenskultur: weg von standardisierten Geschäften angebotsorientierter Formate, hin zum Dienstleister und Partner und Problemlöser der Kunden.

Am Beispiel des Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader zeigt sich, wie wichtig es auch und gerade in Krisen- und Umbruchszeiten ist, dass die Führungsspitze rechtzeitig eine Umgebung geschaffen hat, in der Werte, gelebte Normen und Orientierungen auf das Hervorbringen von Innovationen ausgelegt sind - und die Unternehmenskultur maßgeblich das Denken und Handeln bestimmt. Sie ist ein „Wertefundament“ und eine wesentliche Säule im Hinblick auf den unternehmerischen Erfolg. Seit 1935 ist die Mader GmbH & Co. KG mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart rund um das Thema Druckluft ein wichtiger Industriepartner. Es ist heute eines der erfolgreichen mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg. Gesellschaftliche Verantwortung kann nur dann lebendig und innovativ gelebt werden, wenn sich die Unternehmensführung klaren Prinzipien verpflichtet fühlt. Als eine der ersten Maßnahmen in seiner neuen Funktion als Unternehmenseigentümer initiierte und entwickelte Werner Landhäußer und sein Team 2006 deshalb das Werte-Leitbild des Unternehmens.

Zusammen mit Kollegen übernahm er das Unternehmen 2003 mit einem klassischen MBO aus einem internationalen Konzern. Bis Mitte 2019 war er zudem Geschäftsführer. Nach langjähriger Konzerntätigkeit lernte er die kurzen Entscheidungswege und die offene Kommunikationskultur in einem mittelständischen Unternehmen zu schätzen. Die strategische Weiterentwicklung von Mader hin zu einem nachhaltigen Unternehmen steuerte er mehr als 15 Jahre lang gemeinsam mit Peter Maier, ebenfalls wie er geschäftsführender Gesellschafter bei Mader. Mitte 2018 entschlossen sich die beiden zur Gründung des Start-ups LOOXR, einem Spin-off der Mader GmbH & Co. KG, das die Digitalisierung des gesamten Druckluftprozesses zum Ziel hat. Seine Vision einer nachhaltigen, werteorientierter Unternehmensführung führt er als CEO auch im neuen Unternehmen fort.

Mit dem Mader WerteCodex wird das Bekenntnis zu einer werteorientierten Unternehmensführung unterstrichen. Er gibt den ethischen Rahmen für das tägliche Handeln der Mitarbeiter und Führungskräfte vor – untereinander oder gegenüber Kunden und Partnern. (Quelle: Mader Nachhaltigkeitsbericht) In seinem Buchbeitrag mit Ulrike Böhm „Energie als Krisenpotenzial“ beschreibt er, dass dies aus innerer Überzeugung getan wurde, um in der Belegschaft, die durch den autoritär geprägten Führungsstil früherer Führungskräfte stark verunsichert war, neues Vertrauen aufzubauen: „Wie viel würden die formulierten Werte den Gesellschaftern noch wert sein, wenn es ihnen an den Geldbeutel ging? Die Angst der Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz und die allgemeine Verunsicherung über die weitere Entwicklung waren deutlich zu spüren.“ Statt Personalabbau wurde Kurzarbeit angemeldet, zudem wurden die Ausgaben drastisch gesenkt und die Vertriebsaktivitäten verstärkt.

Erkenntnisse aus der Krise

Für das Unternehmen stellte die Krise, die lange vor dem digitalen Wandel stattfand, einen Wendepunkt dar. Bereits damals mussten Leistungen und Produkte neu gedacht werden. Alle wurden durch die schwierige Situation gezwungen, andere Blickwinkel einzunehmen und sich progressiven Ideen zu öffnen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt der Anteil des Geschäftsbereichs Drucklufttechnik am Gesamtumsatz des Unternehmens bei gerade einmal 11 % lag, sahen die Verantwortlichen die offensichtliche „Krisenresistenz“ dieses Bereichs als Lichtstreifen am Horizont.

In den folgenden Monaten und Jahren kristallisierte sich eine neue Unternehmensstrategie heraus, die auf folgenden Erkenntnissen basierte (Quelle: Landhäußer/Böhm, 2015):

• In einer Wirtschaftskrise geht die Investition in neue Druckluftanlagen zurück, parallel steigt die Investition in Erhaltungsmaßnahmen für bestehende Anlagen – vorausgesetzt man konnte den Kunden bereits vor der Krise an sich binden. Um die allgemeine Krisenresistenz des Unternehmens zu verbessern, musste der Umsatzanteil des Bereichs Drucklufttechnik deutlich erhöht werden und dabei die Kundenbindung im Fokus stehen.

• Eine deutliche Differenzierung des Leistungsangebots gegenüber den „Großen“ der Branche, aber auch gegenüber Pneumatik-Händlern, war Bedingung für ein Wachstum im Bereich Pneumatik. Der Dienstleistungsanteil im Bereich Pneumatik musste erhöht werden, um eine langfristige Kundenbindung zu erreichen.

• Ressourcenknappheit, steigende Energiepreise und die veränderte Energiepolitik waren angesichts des industriell notwendigen, aber sehr energieintensiven Energieträgers Druckluft die Chance für eine einzigartige Positionierung.

• Alles Wissen und Können nützt nichts, wenn man es für sich behält. Die neue Strategie beinhaltete grundlegende Veränderungen in der Unternehmenspositionierung, im Leistungs- und Produktportfolio, der Organisationsstruktur und im Außenauftritt.

• Organisationstruktur: Die Trennung zwischen den Geschäftsbereichen Drucklufttechnik und Pneumatik wurde aufgelöst. Alle Vertriebsmitarbeiter waren nun für den Verkauf aller Produkte und Leistungen verantwortlich. Im Produktmanagement wurde die Spezialisierung auf Produktbereiche beibehalten. Zum Leistungsportfolio des Unternehmens gehört heute neben einem umfangreichen Produktprogramm auch eine Reihe von Dienstleistungen, beispielsweise die Analyse, Auslegung, Planung und Installation von kompletten Druckluftanlagen sowie deren Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur.

Eine Unternehmenskultur, die Beschäftigungsfähigkeit fördert und fordert, war die Grundlage für den weiteren Weg des Unternehmens. In der Krisenzeit zeigte sich, wie wichtig es war, sie zu pflegen und dafür Sorge zu tragen, dass sie mit der Kultur der Leistung, Professionalität und Effektivität der Organisation übereinstimmt und zu deren Funktionieren beiträgt. Das ist auch im Zeitalter der Digitalisierung eine der wichtigsten Managementaufgaben der Zukunft. Heute ist das Unternehmen ein Vorreiter der Digitalisierung: Mit dem Projekt Mader Leckage-App gehörte Mader zu den Finalisten des Digital Champion Awards. Es dokumentiert Lecks an Kupplungen, Ventilen und Klappen, an denen Druckluft entweicht. Alle Messwerte und Reparaturkomponenten werden digital erfasst.

An diesem Unternehmensbeispiel wird besonders deutlich, dass die digitale Transformation im Kern „eine soziale Transformation" ist - nämlich "des individuellen Mitarbeiters und der organisatorischen Strukturen", wie auch Reinhard K. Sprenger in seinem Buch „Radikal digital“ beschreibt. Kultureller und technischer Wandel sollten deshalb nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Weiterführende Informationen:

Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2017, S. 115-126.

Werner Landhäußer und Ulrike Böhm: Energie als Krisenpotenzial. Die Geschichte hinter dem Mader-Effekt. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2019.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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