Vertrauen als Zukunft der Arbeit: „Trau dich, du selbst zu sein“
Was hat Vertrauen eigentlich mit New Work und New Leadership zu tun? Viel, sehr viel sogar. Konkret gesagt: Neue Führung braucht im Kern Vertrauen. Karin Lausch, Leadership-Expertin und Executive-Coach, hat es neulich für mich auf den Punkt gebracht: „Vertrauen ist die Grundlage dafür, echte Beziehung aufzubauen.“
Und das ist im Arbeitskontext natürlich genauso relevant wie im privaten Leben, wo wir ja auch öfter mit Vertrauensproblemen kämpfen. Doch wie geht das? Was muss sich ändern, damit Vertrauen in Organisationen gelingt? Wie lässt sich eine Vertrauenskultur im Unternehmen etablieren?
„Wir können uns Vertrauensprobleme nicht leisten, wenn wir Menschen entwickeln wollen“
Darüber habe ich mit Karin gesprochen. „Vertrauen kann und muss man lernen“, findet diese. Obwohl wir unser kindliches Urvertrauen und damit das Gefühl von Selbstwirksamkeit in erster Linie durch unsere Bezugspersonen erwerben (oder eben nicht), können wir auch im späteren Alter noch lernen, Vertrauen in uns und andere zu entwickeln. Unsere Arbeitswelt sieht oft anders aus.
Hier gelten die Spielregeln des Misstrauens, beobachtet Karin: „Der Mensch mit seinen Ecken und Kanten soll nicht richtig stattfinden.“ In tradierten Unternehmenskulturen wird das Individuum oft übersehen, soll sich in eine Form passen, Prozessen unterordnen. Das erzeugt Aufwand: Dokumente, Verträge, Nachweise, Belege.
Durch eine solche Kultur des Misstrauens lassen sich Prozesse natürlich besser skalieren – was in großen Unternehmen für unabdingbar gehalten wird, nicht zuletzt, um Komplexität zu reduzieren. Und natürlich steigt mit den Hierarchien auch die Angst vor Degradierung – und damit zugleich die Überangepasstheit der Mitarbeiter. Ob das im Sinne von New Work ist? Wohl kaum.
Für viele von uns haben sich die Ansprüche seit langem gewandelt: Die Arbeit soll heute in unser Leben passen (und nicht mehr unser Leben in die Arbeit). Es genügt also nicht, agile Konzepte und Frameworks im Unternehmen aufzusetzen, wenn weiterhin eine Kultur des Misstrauens zu Grunde liegt.
„Die Grundvoraussetzung für agile Methoden ist nämlich Vertrauen. Nur wenn es vorhanden ist, können die besten agilen Methoden greifen“, stellen Karin und ich im gemeinsamen Gespräch fest. Doch wie baut eine Vertrauenskultur im Unternehmen auf?
Passe ich mich an – oder traue ich mich, ich selbst zu sein?
„Selbstvertrauen, Vertrauen zwischen einzelnen Individuen, psychologische Sicherheit im Team und organisationales Vertrauen gehören alle zu einer Vertrauenskultur dazu, die das gesamte Unternehmen überspannt“, fasst Karin zusammen. In ihrem neuen Buch „Trust Me - Warum Vertrauen die Zukunft der Arbeit ist“ erklärt sie das noch genauer.
Organisationales Vertrauen beispielsweise umfasst die Art und Weise, wie wir im Unternehmen Kommunikation, Transparenz, Vereinbarkeit und Unterstützung leben. Ob diese Art des Vertrauens im Unternehmen vorhanden ist, kann man z.B. mit zielführenden Fragen an die Mitarbeiter schnell herausfinden:
Was erlebe ich als Mensch, wenn ich an meinen Arbeitgeber denke?
Fühle ich mich beim Arbeiten sicher? Kann ich Kritik äußern?
Habe ich das Gefühl, Status, Macht und alte Gewohnheitsrechte hinterfragen und Neues vorschlagen zu können?
Oder passe ich mich eher an und verhalte mich „professionell“, um nicht aufzufallen?
Kurzum: Traue ich mich, auf der Arbeit ich selbst zu sein? Fakt ist: Wer sich zu sehr an die eigene Organisation anpasst, steht nicht genug für sich ein. Erst wenn wir uns zeigen, wie wir sind, können wir auch eine echte emotionale Bindung zur Organisation und damit zu unserer Arbeit aufbauen, findet Karin. Da gebe ich ihr recht.
Führungskräfte müssen Beziehungsarbeit aktiv priorisieren
Das erfordert z.B., dass Führungskräfte Beziehungsarbeit aktiv priorisieren und nicht nur dann unterstützen, wenn gerade Zeit erübrigt werden kann. Bei meinem Unternehmen Hello Agile haben wir beispielsweise feste Teamtage mit Retrospektiven. Natürlich umfasst der Aufbau einer Vertrauenskultur noch viele weitere Dimensionen wie Sinn, Reflektion, Ehrlichkeit, Transparenz oder Menschlichkeit.
Eine große Aufgabe angesichts der Tatsache, dass wir in der Arbeitswelt historisch so konditioniert worden sind, dass wir nicht für uns einstehen sollen. „Schon in der Schule sollen wir funktionieren und uns anpassen“, erklärt Karin: Das Wort Professionalität sei daher eher ein Synonym für Systemkonformität.
Für mich ist nach dem Gespräch klar: Es geht bei Vertrauensarbeit im Kontext von New Work letztlich darum, dass wir uns von limitierenden Glaubenssätzen wie „Ich muss funktionieren“ oder „Ich darf nicht sagen, was ich denke“ befreien. Erst dann kann Vertrauen gelingen. Was sagt ihr dazu?
Wenn ihr mehr über Karins spannende Learnings zum Thema Vertrauen aus 15 Jahren Team- und Organisationsentwicklung wissen wollt, hört jetzt in meine neueste Podcast-Episode von „Unboxing New Work“.