Warum das Klimaschutzprogramm 2023 unzureichend ist
Deutschland hat sich international verpflichtet, bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Der derzeitige Stand beträgt 40 Prozent. Mit dem Klimaschutzprogramm 2023 hat die Bundesregierung ein umfangreiches Programm von rund 130 Maßnahmen vorgeschlagen, die inhaltlich ein breites Spektrum abbilden und auch einige Neuerungen enthalten. Vor allem unter den Maßnahmen im Bereich der Industrie (die neuen Klimaschutzverträge) und Gebäude (die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes in Verbindung mit der Einführung eines Wärmeplanungsgesetzes) sowie im Verkehrssektor mit der Einführung des Deutschlandtickets finden sich wichtige Neuerungen. Die Maßnahmen zielen jedoch hauptsächlich auf diejenigen Handlungsfelder zur Treibhausgasminderung ab, die bereits in der Vergangenheit bearbeitet wurden. Der Kern liegt weiterhin auf der Erhöhung der Effizienz des bestehenden fossilen Kapitalstocks sowie dem Energieträger- und Technologiewechsel.
Alle Sektoren und fast alle Ministerien sollten ihren Beitrag leisten, damit Deutschland sein Klimaziel 2030 rasch erreichen kann. Doch es gab Streit und Unstimmigkeiten, die zu Verzögerungen führten. Der Expertenrat für Klimafragen ist ein unabhängiges Gremium von fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen, der im September 2020 benannt wurde. Sein Auftrag ergibt sich aus §§ 11 und § 12 KSG. Neben weiteren gesetzlichen Aufgaben prüft er gemäß § 12 Abs. 2 KSG die bei Zielverfehlung zu beschließenden Maßnahmen im Hinblick auf die diesen zugrunde liegenden Annahmen zur Treibhausgasreduktion und gibt gemäß § 12 Abs. 3 KSG vor dem Beschluss eines Klimaschutzprogramms eine Stellungnahme ab. Darin hat der Expertenrat bestätigt, dass dieses Programm eine erhebliche Minderungswirkung entfaltet, jedoch auch den Befund der Bundesregierung bekräftigt, dass das Maßnahmenpaket die existierende Klimaschutzlücke bis 2030 noch nicht vollständig schließen wird.
So bleibt beispielsweise für den Gebäudesektor eine kumulierte Lücke bis zum Jahr 2030 von 35 Mt CO2-Äq. Im Verkehrssektor beträgt die Lücke bis 2030 zwischen 117 und 191 Mt CO2-Äq. Auch liegen für den Verkehrssektor zusätzliche und voneinander abweichende Wirkungsabschätzungen aus unterschiedlichen Gutachten vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vor. Aus der festgestellten Zielerreichungslücke folgt, dass das Klimaschutzprogramm 2023 nicht den Anforderungen an ein Klimaschutzprogramm gemäß Klimaschutzgesetz entspricht. Auch wird nicht dargelegt, wie die verbleibende Differenz zu den KSG-Zielen geschlossen werden soll. Viele NGOs nannten das Programm unzureichend. Zudem wurde kritisiert, dass den Anmerkungen des Expertenrats keine Rechnung getragen worden sei.
konsistente Abschätzung der THG-Entwicklung in Deutschland sowie von ökonomischen, sozialen und weiteren ökologischen Folgewirkungen
aktive Gestaltung der Aushandlungsprozesse zwischen konfligierenden politischen Zielen und bei möglichen gesellschaftlichen Konflikten
Schaffung einer konsistenten Datengrundlage für die Quantifizierung der Wirkung der Maßnahmen (zuverlässige Aussage über die Gesamtminderungswirkung der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms)
Gestaltung eines gesamtgesellschaftlichen Dialog- und Aushandlungsprozesses sowie parteienübergreifende Verständigungen
zusammenhängendes, in sich schlüssiges und konsistentes Gesamtkonzept Gesamtkonzept zur Umsetzung
Instrumentarium für einen übergreifenden Maßnahmenrahmen
gesamtwirtschaftliche Modellierung, aus der sich der einzelwirtschaftliche Investitionsbedarf und die daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Effekte ableiten lassen
systematisches Monitoring über das (noch zu konkretisierende) Umsetzungs-Controlling hinaus
konsequente und frühzeitige Durchsetzung der festen Obergrenze im nationalen Emissionshandel, inklusive flankierender Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Absicherung
Rückbau des fossilen Kapitalstocks und die Reduktion von Aktivitäten
Adressierung der THG-Minderungspotenziale aller verfügbaren Handlungsfelder, um die bestehende Zielerreichungslücke weiter zu reduzieren (Rücknahme oder Umgestaltung von Maßnahmen, die dem Klimaschutz entgegenwirken wie der Abbau klimaschädlicher Subventionen).
„Klimaschutz sollte – auf allen föderalen Ebenen – zentral gesteuert und im Schulterschluss mit der Wirtschaft umgesetzt werden. Wenn es der Politik parallel gelingt, unternehmerische Eigenverantwortung zu unterstützen und den Ideen- und Innovationsreichtum im Deutschen Mittelstand für den Klimaschutz zu erschließen, werden wir auf dem Weg zur Klimaneutralität mit großen Schritten vorankommen.“ (Prof. Mario Tobias und Markus M. Lötzsch)
Weiterführende Informationen:
Mario Tobias und Markus M. Lötzsch: Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) auf dem Weg zur Klimaneutralität am Beispiel der Regionen Mittelfranken und Westbrandenburg. In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.