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„Wegfall der Spekulationsfrist hätte dramatische Folgen“

Häuser und Wohnungen gewinnen wieder an Wert. Doch Sven Keussen vom Maklerhaus Rohrer rät zur Vorsicht: Er hält einen neuerlichen Preisrutsch für möglich.

WirtschaftsWoche: Herr Keussen, am Wohnimmobilienmarkt rechnen die meisten Expertinnen und Experten mit wieder steigenden Preisen, nach rund zwei Jahren mit Preisrückgängen. Sie auch?

Sven Keussen: Ich bin da vorsichtig. Aus meiner Sicht könnte es einen zweiten Preisrückgang geben, also einen „Double Dip“.

Was spricht dafür?

Im Münchner Großraum wurden Wohnimmobilien Ende 2021 zu mehr als dem 40-fachen der Jahresnettokaltmiete gehandelt, jetzt liegen wir knapp unter dem Faktor 30. Das macht den Kauf eigentlich attraktiver. Nur haben sich die Zinsen im gleichen Zeitraum massiv verändert und damit auch die Finanzierungskosten. Wir kommen von einem Jahreskreditzins von 0,75 Prozent und sind jetzt noch bei über drei Prozent. Für gleich hohe Finanzierungskosten wie vorher, müssten die Zinsen trotz des gesunkenen Preisniveaus sich nochmal grob halbieren. Das ist nicht absehbar. Insofern könnte es schlicht noch etwas Nachholbedarf bei den Preissenkungen geben.

Rechnerisch mag das so sein. Aber derzeit kehren Käufer wieder zurück, das Angebot bleibt hingegen knapp. Das stützt die Preise doch.

Auch da wäre ich vorsichtig. Ja, Käufer kehren wieder zurück. Aber nicht in der Breite, sondern gezielt bei Immobilien, deren Preise verhandelbar sind. Und mit Blick auf das Angebot könnte uns noch eine Überraschung bevorstehen. In den kommenden Jahren müssen viele Eigentümer Kredite neu verhandeln, weil die Zinsbindung ausläuft. Manche davon dürften sich die Kreditraten auf dem jetzt höheren Zinsniveau schlicht nicht mehr leisten können. Noch betrifft das vor allem Kredite mit fünfjähriger Laufzeit, in den kommenden Jahren laufen aber auch zehnjährige Kredite aus, die noch deutlich günstiger waren als derzeit.

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Was macht Sie noch skeptisch?

Dazu kommen die schlechten Konjunkturaussichten, gestiegene energetische Anforderungen und auch weitere mögliche staatliche Eingriffe. Das reicht von geplanten Aufteilungsverboten, bei denen Häuser also nicht mehr in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt werden dürfen, bis hin zu einer knappheitsbedingten schärferen Mietregulierung. Eine andere Entwicklung könnte aber verheerende Folgen haben.

Welche?

Die Steuern. Schon heute trifft die Erbschaftsteuer die Erben von Immobilien sehr stark. Da geht es vor allem um Mehrfamilienhäuser. Vielfach können die Erbengemeinschaften aus ihrem liquiden Vermögen die fällige Steuer dann nicht zahlen und sehen sich zum Verkauf genötigt. Man kann hier zugespitzt von einer stillen Enteignung reden. Die derzeitige Unsicherheit belastet und hat bereits spürbare Auswirkungen. Das ist bitter, denn gerade private Vermieter verhalten sich gegenüber ihren Mietern meist sehr fair. Das hat das Zeug, das Vertrauen in das Asset Immobilie zu zerstören. Dazu kommen Unsicherheiten hinsichtlich der Spekulationsfrist.

Noch werden Immobilien durch die Spekulationsfrist steuerlich sogar bevorzugt. Denn bislang sind Gewinne aus dem Verkauf vermieteter Immobilien nach wenigstens zehn Jahren Haltedauer steuerfrei. Rechnen Sie hier mit Änderungen?

Wir hören zumindest von Eigentümern, dass Banken vor einem möglichen Wegfall der Spekulationsfrist warnen. Die Folgen wären potenziell dramatisch. Denn sofern der Gewinn dann voll steuerpflichtig wäre, würde nicht der Unterschied zwischen dem Verkaufs- und dem Kaufpreis besteuert. Berechnungsgrundlage wäre der Unterschied zum steuerlichen Restwert, also nach Abzug der vom Vermieter in Anspruch genommenen steuerlichen Abschreibungen. Bei lange gehaltenen Immobilien würde der theoretische Gewinn damit auf einen abgeschriebenen Nullwert bezogen, wegen der Abschreibungen. Der Verkaufspreis wäre dann praktisch voll als Gewinn zu versteuern. Das würde die versteuerten Ersparnisse der Nachkriegsgeneration erheblich reduzieren und die bestehenden Probleme mit der Erbschaftsteuer drastisch verschärfen.

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Bei der vergangenen Bundestagswahl 2021 wollten nur die Grünen und die SPD private Immobiliengewinne stärker besteuern. Die stehen in Umfragen derzeit nicht besonders gut dar. Ist dieses Risiko wirklich so groß?

Bei den früheren Koalitionsverhandlungen hat angeblich die FDP hier einen Eingriff verhindert. Aber mit Blick auf die schwierige Haushaltslage und die nächste Bundesregierung ist das Ganze aus meiner Sicht unberechenbar. Politisch wird die CDU/CSU hier zurückhaltender mit steuerlichen Verschärfungen sein. Aber es wäre wichtig, da möglichst bald Klarheit zu haben.

Wie sollten Eigentümer mit der aktuellen Lage umgehen?

Das kommt sehr auf die Perspektive an. Über zehn Jahre haben hier im Münchner Großraum viele Eigentümer über 100 Prozent Wertentwicklung gehabt. Selbst wenn die Preise vom Hoch vielleicht 30 Prozent nachgegeben oder nachgegeben haben, bleiben noch 70 Prozent Plus. Ich würde da nicht abraten, jetzt zu verkaufen. Aus meiner Sicht könnte es in Zukunft schlechter werden. Die Gesamtlage deutet aktuell nicht auf eine nachhaltige Verbesserung hin, lediglich auf eine Stabilisierung.

Von einem Kauf würden Sie derzeit abraten?

So kategorisch würde ich das nicht sagen. Wer jetzt Cash hat und gut verhandelt, der kann aus einem Immobilieninvestment, zum Beispiel bei vernachlässigten Immobilien, Chancen nutzen. Es ist nur nicht mehr so einfach wie früher.

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