Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie?
Bislang stand das Thema Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie nicht an erster Stelle ihrer Agenda. Das ändert sich allerdings gerade, denn immer mehr Unternehmen erkennen, dass das Thema Nachhaltigkeit kein Beiwerk ist, sondern ein wesentlicher Teil des eigenen Kerngeschäfts.
Absichtserklärungen genügen angesichts des Klimawandels, der eine vollständige Dekarbonisierung nötig macht, der Einhaltung von Sozialstandards in Lieferketten und Circular Economy schon lange nicht mehr. Das Denken im Sinne der Kreislaufwirtschaft darf sich dabei allerdings nicht nur auf unternehmenseigene Geschäftstätigkeiten konzentrieren. Vielmehr muss die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen werden. Die Idee dahinter beginnt mit der wichtigen Erkenntnis, dass wir in einer Welt endlicher Ressourcen leben: Gebrauchtes soll umgewandelt und möglichst wiederverwertet werden, um eine effektivere Nutzung von Ressourcen zu gewährleisten. Sie lässt sich allerdings nicht einfach auf herkömmliches Recycling reduzieren, sondern erfordert weitaus mehr – beispielsweise den kreislauffähigen Einsatz von Rohstoffen bereits beim Produktdesign.
So riefen am 7. Oktober im neuen Häcker-Werk 5 in Venne bei der Mitgliederversammlung des Verbands der Deutschen Küchenmöbelindustrie e.V. (VdDK) Vorstand und Geschäftsführung zur aktiven Unterstützung bei der Normungsarbeit auf nationaler und europäischer Ebene bei den Themen Nachhaltigkeit und Circular Economy auf: „Da diese Schwerpunkte die Branche über Umweltproduktdeklarationen oder Trennbarkeit sowie Recyclingfähigkeit von Materialien sehr stark prägen werden, muss die deutsche Küchenmöbelindustrie versuchen, hier die Rahmensetzungen direkt zu beeinflussen.“
Eine neue Studie von Deloitte belegt, welcher Handlungsbedarf derzeit besteht, welche Vorteile mit nachhaltigem Wirtschaften verbunden sind, und welche konkreten Schritte es braucht, um den Weg zur Nachhaltigkeit zu gehen. Vor allem in der Fertigungsindustrie besteht noch enormes Verbesserungspotenzial. Bereits bei der Produkt(neu)ntwicklung sind nachhaltige Aspekte zu beachten. Hinzu kommen Anforderungen an die Innovationskraft, Einkauf, Produktion und Logistik. Der gesamte Lebenszyklus der Produkte sollte möglichst nach Prinzipen der Kreislaufwirtschaft gestaltet werden. Anregungen für den Einstieg in die Transformation liefert die Deloitte-Studie „Nachhaltigkeit in der Fertigungsindustrie“, deren Ergebnisse hier zusammengefasst sind.
Ausgangslage erfassen
Analyse der aktuellen Situation: Bewertung der Umweltauswirkungen von Herstellung, Vertrieb und Betrieb der Produkte, Tools für Monitoring und Analytics unterstützen, sinnvolle Bereiche für Optimierungen zu identifizieren.
Strategie anpassen
Die Unternehmensstrategie sollte nachhaltig ausgerichtet sein, zudem sollten entsprechende Fähigkeiten sowie Management-Systeme bereitgestellt werden. Anschließend kann eine Roadmap erarbeitet werden, die verschiedene Umsetzungshebel berücksichtigt. Dazu gehören z. B. Partnerschaften, strategische Akquisitionen, Gewichtung von Investitionen, Optimierung von Prozessen und Operating Model. Auch empfiehlt sich ein Szenario-basierter Ansatz, bei dem die Roadmap im Hinblick auf verschiedene denkbare Zukunftsentwicklungen differenziert wird.
Ziele und Prioritäten festlegen
Zur Vorbereitung sollten Meilensteine definiert und Anwendungsbereiche abgeleitet werden. Hier können auch Erfahrungen aus anderen Branchen einfließen. Ziele sollten nicht nur „top-down“ vom Management ausgerufen, sondern auch mit den realen operativen Umständen abgeglichen werden.
Finanzierung und Steuern berücksichtigen
Bezüglich der Finanzprozesse des Unternehmens sollte auch die Dekarbonisierung in den Blick genommen werden (z.B. alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie Green Bonds, Förderungen, Steueranreize oder Joint Ventures).
Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur verankern
Für eine erfolgreiche Umsetzung muss das Top-Management nachhaltige Impulse für die Unternehmenskultur geben. Hier helfen Change-Management-Maßnahmen, Schulungen und Incentivierungen.
Rollen und Verantwortlichkeiten definieren
Die organisatorische Struktur muss ebenfalls an die Nachhaltigkeitsstrategie angepasst werden. Die Schaffung einer eigens darauf ausgerichteten Position sollte bei der Geschäftsführung oder beim Vorstand verortet werden.
Investitionen richtig ausrichten
Unternehmen sollten sich bewusstwerden, auf welche Metriken es für sie bei der Nachhaltigkeitsstrategie ankommt. So können sie attraktive Geschäftsfelder identifizieren und messbare geschäftliche Effekte sicherstellen. Zielgerichtete Investitionen in nötige Fähigkeiten und Technologien ebnen den Weg (Aufbau, Zukauf oder Kooperation). Wichtig ist auch die regulatorische Abstimmung der Geschäftsmodelle.
Ecosystems aufbauen
Nachhaltigkeitsmaßnahmen erfordern finanzielle Anstrengungen, die nicht sofort wirtschaftlich sind. Deshalb bietet sich die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern an.
Fortschritte messen und kommunizieren
Eine präzise Erfassung der realen Auswirkungen nachhaltiger Initiativen ist unerlässlich für effektive Steuerung und effiziente Umsetzung. Transparenz bietet über die erreichten Ziele die Grundlage für eine vorteilhafte Kommunikation mit Stakeholdern wie Investoren und Kunden.
Diskurs mitgestalten
Unternehmen sollten sich aktiv in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. Das stärkt die Reputation und bietet Spielräume bei der Mitgestaltung einer nachhaltigeren Zukunft.
Risiken beachten
Der gesamte Lebenszyklus von Produkten muss analysiert werden - einschließlich der Kehrseiten neuer Technologien.
Langfristige Perspektive
Haben Unternehmen der Fertigungsindustrie die Dringlichkeit des Nachhaltigkeitsthemas erfasst, sollten sie umgehend erste Schritte unternehmen und eine langfristige strategische Perspektive einnehmen. Neben messbaren Auswirkungen für das eigene Geschäft haben sie auch die Möglichkeit, positive Effekte für die Gesellschaft zu erzielen.
Warum der Begriff Kreislaufwirtschaft erweitert werden sollte
Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft: Worauf es jetzt ankommt
Warum ist Circular Economy das Wirtschaftsmodell der Zukunft?
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.