Weniger Besitz: Detox für Wohnung und Seele
„Es kommt nicht auf das Haben an, sondern auf das Brauchen." (Jeremias Gotthelf)
Immer mehr Menschen leben nach dem Prinzip der Reduktion. Es geht ihnen nicht darum, möglichst viele Dinge zu besitzen, sondern für die die wesentlichen Dinge Platz im Leben zu schaffen. Eine nachhaltige Lebenseinstellung ist für sie von der Ordnung der Dinge nicht zu trennen. Aufräumen und Entrümpeln liegt im Trend und verstärkte sich in der Corona-Pandemie, in der sich viele Menschen daheim neu „sortiert“ haben. Andere, wie der selbstständige Designer und Grafiker Guido Schlaich, gehen schon seit Jahren im Haushalt und am Arbeitsplatz konsequent den Weg der Reduktion. Nach der Entsorgung seines letzten unnötigen Objektes begann er, seinen Weg vom Haben zum Sein aufzuschreiben und die Geschichten hinter der Geschichte zu erzählen. So entstand sein Buch „Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht“.
Der studierte Innenarchitekt berichtet, welchen Einfluss dieses Konzept auf sein Leben hatte, was für Herausforderungen es auf dem Weg zur (fast) leeren Wohnung gab, und weshalb die Anschaffung eines Sofas seine Minimalismus-Idee vollendete. Er vermittelt aber auch vielfach erprobte Tipps, wie man sich ohne schlechtes Gewissen nachhaltig von Altlasten wie Erbstücken und Geschenken befreit und so auch jederzeit auf einen Umzug vorbereitet ist. Wer im Zweifel ist, ob Dinge behalten oder weggegeben werden sollen, dem empfiehlt er, sich auf seine Intuition zu besinnen: „Nimm den Gegenstand in die Hand und fühle, ob er zu dir passt.“ Dinge, die sich besser anfühlen und besser gemacht wurden, sind auch besser.
Im Prozess der Reduktion verändert sich nicht nur die Wohnung, sondern auch die Persönlichkeit.
„Man lernt loszulassen, die wirklich wichtigen Dinge zu erkennen und ohne Ballast durchs Leben zu gehen. Ein Besitzverzicht, der Alltag und Seele entlastet.“ Zusammengefasst finden sich die wichtigsten Aspekte des Buches auf den Umschlaginnenseiten: Zen-Minimalismus und Gedankenregister. Sein Ansatz erinnert auch an den der US-amerikanischen Sachbuchautorin und Journalistin Arianna Huffington: Einer der besten Wege, um gesünder und zufriedener zu werden, ist für sie die Entdeckung der Achtsamkeit, die eine Ordnung des Geistes voraussetzt. Als sie das erste Mal vom englischen Begriff „Mindfulness“ hörte, war sie zunächst verwirrt: Ihr „mind“ (Geist) sei doch schon voll genug. Sie stellte ihn sich als eine Art „Gerümpelschublade“ vor, in die immer mehr hineingestopft wird in der Hoffnung, dass sie sich nicht verklemmt. Dann las sie Jon Kabat-Zinns Schriften über „Mindfulness“ und verstand, dass Herz (durch Empathie) und Geist (durch Konzentration) miteinander verbunden sein müssen, um ausgeglichen zu sein und anderen und den wirklich wichtigen Dingen volle Aufmerksamkeit schenken zu können.
Dazu braucht es ein Gefühl von Ordnung, in dem sich Menschen hin und wieder ausruhen können, weil es in solchen Momenten nichts zu verändern gibt (auch wenn dieser Zustand oft nicht lange anhält). Damit verbunden ist ein Gefühl von Stimmigkeit und Glück. Das bestätigt neben Guido Schlaich auch Claudia Silber, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der memo AG: „Wenn wir zu viele Dinge ‚anhäufen‘, verlieren wir den Überblick, wird es unordentlich, und wir sind letztlich nicht glücklich. Dabei geht es dann auch wieder um das Thema Konzentration, die uns den Blick auf das Wesentliche richten lässt. Die Konzentration auf die wesentlichen Dinge (und Menschen) im Leben machen uns glücklich, und wir fühlen uns ‚sortiert‘, gut aufgehoben. Der Rest kann getrost in den Papierkorb wandern oder besser: in gute Hände weggegeben werden.“
Arbeiten kann sie dann am besten, wenn sie nur das aktuelle Projekt auf dem Schreibtisch liegen hat. Genauso verhält es sich mit ihren Gedanken: „Ich fühle mich schlecht und unruhig, wenn in meinem Oberstübchen ‚Chaos‘ herrscht.“ Meistens zieht sie sich dann für einige Stunden zurück, um wieder eine Ordnung im Geist entstehen zu lassen. Danach fällt es ihr leichter, klare Gedanken zu fassen und Entscheidungen zu treffen.
So gelingt ein besserer Zugang zu unserer inneren und äußeren Ordnung:
• Innehalten im Alltag und Dinge anders betrachten: Welche Rolle spielen sie im eigenen Leben?
• Regelmäßige Entsorgung alter Überzeugungen, Glaubenssätze oder Vorstellungen.
• Konsumgewohnheiten überdenken und ein bewussteres Leben führen.
• Sich im Rahmen des Möglichen wahrhaft dem widmen, was für das eigene Leben bedeutsam ist - und dafür Verantwortung übernehmen.
Weiterführende Informationen:
Nachhaltiger Minimalismus: Wie wir für die richtigen Dinge im Leben Platz schaffen können
Guido Schlaich: Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2021.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Von Lebensdingen: Eine verantwortungsvolle Auswahl. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Lina Jachmann: Einfach leben. Der Guide für einen minimalistischen Lebensstil. Knesebeck Verlag, München 2017.
Ina Schmidt: Alles in bester Ordnung. Oder wie man lernt, das Chaos zu lieben. Ein philosophischer Wegweiser vom Suchen und Finden. Ludwig Verlag, München 2011.