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Cover-Ausschnitt: Anne Weiss: Mein Leben in drei Kisten. Droemer Knaur, München 2019. - Droemer Knaur

Weniger Haben – mehr Sein: Wie Menschen das Glück in ihr Leben lassen

„Je weniger du brauchst, umso freier bist du.“

Das Materielle belastet uns nicht auf physische Art, weil es vorhanden ist, sondern durch die Energie, die es uns kostet, all den Dingen Aufmerksamkeit zu schenken, sie zu verwalten, zu ordnen und wiederzufinden. „Für viele Menschen ist deshalb weniger mehr. Sie achten auch gezielter auf das, was sie kaufen, wie und wo es hergestellt wurde und welche Folgen der tägliche Gebrauch hat“, sagt Claudia Silber, Nachhaltigkeitsexpertin und Leiterin der Unternehmenskommunikation beim ökologischen Online-Versender memo AG. Im März stellte das Unternehmen mit dem Dudenverlag und dem VfL Wolfsburg ihr gemeinsames Sonderheft aus der Duden-Reihe "Weltenfänger" mit dem Titel "Ab jetzt rette ich die Welt! Kinder übernehmen Verantwortung" vor. In diesem kostenlos erhältlichen Heft werden Kindern praktische Alltagstipps gegeben (z. B. gebrauchte Sachen kaufen, Dinge verschenken, kaputte Gegenstände reparieren) und Fragen gestellt:

• „Wie viele Dinge besitzt du? Stell dir vor, du würdest all deine Sachen auf einem Berg aufschichten. Wie hoch wäre der Berg?“

• „Gibt es Dinge, die du nicht (mehr) brauchst?“

• „Welche Dinge sind besonders wichtig für dich?“

Minimalismus wird hier kindgerecht vermittelt – dabei geht es vor allem darum, für Dinge Platz im Leben zu schaffen, die uns wirklich wichtig sind. Das tat auch Anne Weiss, die nach dem Verlust ihres Jobs ihren Arbeitsalltag im Hamsterrad und ihren übermäßigen Konsum infrage stellte. Denn bislang ging ständig um ihre Zukunft: die nächste Gehaltsstufe, den neuesten Modetrend, die optimale Ergänzung zur Wohnungseinrichtung, die perfekte Beziehung. Damals war ihr noch nicht bewusst, dass der Moment, an dem alles stimmt, auf diese Weise nie erreicht wird, denn er findet immer im Jetzt statt.

Inspiriert hat sie auch Prof. Niko Paech. Er studierte Volkswirtschaftslehre, promovierte 1993 im Bereich Industrieökonomik an der Universität Osnabrück, habilitierte sich 2005 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und lehrt derzeit an der Universität Siegen im Master Plurale Ökonomik. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen insbesondere Klimaschutz, Nachhaltigkeitsmanagement, nachhaltiger Konsum, Ökologische Ökonomik, Sustainable Supply Chain Management, Innovationsmanagement und Postwachstumsökonomik.

Anne Weiss, Jahrgang 1974, hat Anglistik, Kulturwissenschaften und Germanistik in Bremen und Coleraine studiert und mit dem Magister abgeschlossen. Sie hat als Lektorin in verschiedenen Publikumsverlagen gearbeitet und mehrere Sachbuchbestseller geschrieben, bevor sie mit ihrem Co-Autor eine verlagsinterne Schreibschule geleitet hat. Inzwischen lebt sie als freie Autorin in Berlin, schreibt Sachbücher sowie Artikel für Spiegel-Online und andere Magazine. Überdies engagiert sie sich ehrenamtlich im Klimaschutz und in Tierrechtsorganisationen. Mit dem Verband Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller hat sie „Writers for Future“ ins Leben gerufen.

„Mein Leben in drei Kisten“

Sie lebt heute minimalistisch und mit so wenig Konsum wie möglich: Secondhand, Reparieren, Leihen statt Kaufen. In ihrem aktuellen Buch „Mein Leben in drei Kisten“ erzählt sie, wie sie zum minimalistischen Leben kam und Antworten auf ihre Fragen fand: Was macht ein gutes Leben aus? Wofür braucht es all die angesammelten Dinge, und was macht der wachsende Konsum mit uns und unserer Welt?

In der Astrologie sind Dinge prinzipiell den Erdzeichen zugeordnet, wobei es im Erdzeichen Stier mehr um den Besitz und das Bewahren der Dinge, in der Jungfrau um die Anwendung der Dinge und beim Steinbock um die Bedeutung der Dinge geht. „Im Horoskop ist also zu erkennen, wie es beim Einzelnen um das Dingliche steht. Einige Menschen sind somit mehr um ihre Dinge besorgt als andere“, sagt der Astrologe Thomas Schneider. In einem früheren Interview mit ihm erzählte er, dass eine der Armbanduhren dem Dalai Lama besonders gut gefiel und er versucht gewesen sei, sie zu erwerben. Doch dann habe sich plötzlich eine innere Stimme gemeldet und gefragt: „Do I need it really?“ Er hielt kurz inne und antwortete erleichtert: “No!“ Die Entsagung von den Dingen kann also etwas sehr Befreiendes haben.

Diese Erfahrung machte auch Anne Weiss: Als sie von einer Indien-Reise heimkommt, fühlt sie sich wie erschlagen von allem, was in ihrer Wohnung auf sie gewartet hat: „Haben sich die Dinge in meiner Wohnung in meiner Abwesenheit auf seltsame Weise vermehrt? Sind Außerirdische vorbeigekommen und haben ihren Gelben Sack hier ausgeleert?“ Ihr war, als hätte sie im Fluss des Lebens einen langen Mantel an, der sie nass und schwer nach unten zieht. Je mehr Dinge sich angesammelt haben, desto mehr Wohnfläche brauchte sie auch.

Deshalb begann sie, sie nach allen Regeln der Nachhaltigkeit zu entrümpeln und zu entsorgen. Und sie stellte fest, dass sie räumlich nicht nur mehr Platz hat, sondern sich auch freier und glücklicher fühlt. Sogar Beziehungen zu „toxischen“ Menschen aus, die ihr nicht guttun, wurden aussortiert. Danach fühlte sicher wohler - mit sich und ihrem Leben. Sie muss keine Lücke mehr füllen.

Wer in Dinge investiert, ist selten glücklich, denn das Wichtigste im Leben sind ohnehin keine Dinge.

Weiterführende Informationen:

www.meinlebenindreikisten.de

Anne Weiss: Mein Leben in drei Kisten. Wie ich den Krempel rauswarf und das Glück reinließ. Droemer Knaur, München 2019.

Anne Weiss und Stefan Bonner: Nachhaltigkeit ist die Jutetasche des 21. Jahrhunderts. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2020.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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