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Wie grün sind deutsche Krankenversicherer?

Wie halten es grüne Krankenversicherer jenseits ihrer Angebote alternativer Behandlungsmethoden mit der Anlage ihrer Gelder? Wo fließt das Geld hin? Warum reicht es nicht, dass Krankenkassen das Thema Nachhaltigkeit auf die Leistungen für die Versicherten reduzieren? Was macht einen Krankenversicherer rundum nachhaltig? Wo findet man aussagekräftige Informationen dazu? Die Leistungen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherer sind zu etwa 95 Prozent identisch und über den gesetzlichen Leistungskatalog vorgegeben. Sie unterscheiden sich lediglich durch Zusatzleistungen und ihre individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.

Inzwischen verfügen die meisten privaten Krankenversicherungen über Tarife, die zusätzlich naturheilverfahren abdecken.

Einige gesetzliche Krankenkassen gestatten ihren Versicherten, die Alternativen über Wahltarife zu nutzen. Andere gesetzlich Versicherte erhalten diesen Schutz über private Zusatzversicherungen. Es reicht allerdings nicht aus, wenn Kassen mit dem Thema Nachhaltigkeit werben und das Thema lediglich auf den Leistungskatalog für die Versicherten reduzieren. So heben viele gesetzliche Ernährungsberatung, Sport- oder Yoga-Kurse hervor, aber das allein ist weder ein Differenzierungsmerkmal (das bietet nahezu jede Kasse an) noch ein wesentliches Nachhaltigkeitskriterium.

Es ist wichtig, die Selbsteinschätzungen der Krankenkassen mit den Erfahrungen zu vergleichen, die Ratingagenturen regelmäßig vornehmen.

Sie durchleuchten die Anbieter, sehen sich ihre Kennzahlen genau an und treffen dann ein Urteil. Das macht auch die Münchener Ratingagentur Oekom Research, die auf soziale und nachhaltige Aspekte achtet und strenge Kriterien anlegt. Entsprechend streng ist die Beurteilung der Krankenkassen: Nur wenige hätten die Bedeutung einer umfassenden Integration von Nachhaltigkeitskriterien in das Kerngeschäft erkannt.

Spätestens bei der Geldanlage machen sie sich noch zu wenig Gedanken. Gesetzliche Krankenkassen, die sich durch einen besonders nachhaltigen Ansatz auszeichnen, sind die BKK advita (die sich zum 1. Oktober 2017 mit der BKK 23 zusammengeschlossen hat), die Securvita BKK und die BKK ProVita. Die auf private Krankenversicherungen spezialisierten Ratingagenturen heben die Barmenia Krankenversicherung mit ihrem ökologischen Profil besonders positiv hervor. Sie beschäftigt sich seit 2001 mit Nachhaltigkeitsthemen und verspricht zum Beispiel, die Altersrückstellungen (für eine Beitragsentlastung im Alter), die in einem speziellen Naturheilkunde-Tarif eingenommen werden, ökologisch anzulegen. Seit 2001 wurden Alterungsrückstellungen von Krankenversicherungen mit Leistungen für Naturheilkunde in ökologische Fonds angelegt. Das Geld wird unter anderem zusätzlich über Beteiligungsfonds in Solar- und Windkraftwerke investiert.

In der privaten Krankenversicherung wird, je nachdem, welcher Tarif gewählt wurde, oft eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden angeboten.

Allerdings muss die Leistungsübernahme in der Regel vor Vertragsabschluss festgelegt werden. Die gesetzliche BKK advita war nach eigenen Angaben die erste umweltzertifizierte Krankenkasse Deutschlands. Hier achtet ein Umweltausschuss auf den nachhaltigen Umgang mit Energie, ökologisches Reisen und Rohstoff schonenden Materialeinkauf. Unter Umweltgesichtspunkten (Umweltzertifikat nach DIN ISO 14001) galt sie als Vorbild in der Branche. Die ökologische Ausrichtung zeigte sich ebenso in den Unternehmensprozessen (Einsatz von Green IT, Nutzung von Ökostrom, Zuschuss für den ÖPNV für die Mitarbeiter). Auch mit den Geldern der Versicherten wird nachhaltig umgegangen. Die Konten liegen bei der Ethik- und Umweltbank, wo das Vermögen nachhaltig angelegt wird.

Die bundesweite grüne Krankenkasse Securvita BKK, die sowohl Interessenten, die sich gesetzlich versichern lassen wollen als auch privat Versicherte bedient, hat ihre Geschäftskonten ebenfalls nachhaltig organisiert und in diesem Zusammenhang den Aktienfonds GreenEffects entwickelt. Dieser ermöglicht es, ausschließlich in Projekte zu investieren, die den Richtlinien des NAI entsprechen. Das Angebot für die gesetzliche Krankenversicherung verbindet klassische Schulmedizin mit Leistungen des Naturheilverfahrens. Zusätzlich unterstützt die Krankenkasse die Teilnahme an Bonusprogrammen, die einen gesunden Lebensstil fördern. Mit Healthmiles wird beispielsweise ein attraktives Bonusprogramm angeboten: So werden Check-ups beim Arzt, Zahnvorsorge und die Mitgliedschaft im Sportverein belohnt. Für Familien lohnt sich dies besonders, weil sie ihre Bonuspunkte für die attraktiven Prämien kombinieren können.

Die BKK ProVita ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingebunden in die Struktur des Gemeinwesens. Sie gehört zu den ältesten Krankenkassen in Deutschland. Sie setzt konsequent auf vegetarische und vegane Ernährung und betreibt mit einer intensiven Informationskampagne Aufklärung bei ihren Versicherten zu den Vorteilen einer fleischlosen Ernährung. Die Verwaltungskosten sind nach eigenen Angaben niedriger als bei den meisten anderen Kassen. Dadurch kann der Beitragssatz bei der BKK ProVita nach eigenen Angaben niedrig gehalten werden. Die Krankenkasse behauptet, die erste auf dem Markt gewesen zu sein, die eine Diskussion über gesunde und insbesondere vegetarische und vegane Ernährung angestoßen hat. Das ist nicht korrekt, wenn man die Angaben der BKK advita vergleicht.

Um sich einen transparenten Gesamtüberblick der jeweiligen Krankenkasse zu verschaffen, sollten von den Versicherern auch Angaben zum ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz über alle Geschäftsprozesse bis zum Leistungsspektrum und zur Kapitalanlage eingefordert werden.

Sämtliche Angaben dazu finden sich in den Nachhaltigkeitsberichten. Auch wenn Krankenassen und Unternehmen verschiedene Wege und Orientierungsrahmen im Nachhaltigkeitsmanagement zur Verfügung stehen wie EMAS Plus, UNGC, OECD-Leitsätze, Deutscher Nachhaltigkeitskodex, ISO 26000 und Global Reporting Initiative (GRI), so überfordern viele Standards gerade kleine Anbieter: Die Auditierungs- und Lizenzierungskosten sind hoch, und der Schwerpunkt dieser Standards liegt vor allem auf einer Berichterstattung als auf einer gezielten nachhaltigen Entwicklung.

Trotz dieser Anstrengungen bei den Krankenkassen gibt es noch viel Luft nach oben. Gesetzlich Versicherte sollten versuchen, eine Mischung zwischen den gewünschten Leistungen und dem grünen Hintergrund der Krankenkasse zu finden. Es lohnt sich, die Tarife und Angebote der nachhaltigen oder grünen gesetzlichen Krankenversicherer anzusehen, die in der Regel gleiche Leistungen wie die großen Kassen anbieten, sich jedoch durch zusätzliche Bestandteile wie Biofeedback, stationäre Behandlungen mit traditioneller chinesischer Medizin usw. unterscheiden. Die Beispiele zeigen, dass Nachhaltigkeit bedeutet, in der gesamten Wertschöpfungskette transparent zu sein sowie einen achtsamen Umgang mit Mensch und Umwelt zu pflegen. Das kann es niemals zum günstigsten Preis geben.

Weiterführende Informationen:

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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