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Wie sorge ich fürs Alter vor? Ein Frugalist, eine Gehaltstrainerin und eine Managerin geben Tipps

Wer die Zeit nach der Arbeit genießen will, sollte die Altersvorsorge parallel zur Karriere angehen. Drei Strategien, mit denen die Rente höher ausfallen kann.

Im Durchschnitt gehen Menschen in Deutschland mit 64 Jahren in Rente – und diese Altersgrenze wird weiter ansteigen. Wer nicht so lange auf seinen Ruhestand warten und den Job vorzeitig verlassen möchte, sollte rechtzeitig vorsorgen.

Bisher kümmert sich nur etwa die Hälfte der Bundesbürger aktiv um die eigene Altersvorsorge. Das könnte später eng werden, denn die Durchschnittsrente liegt aktuell nur bei 1500 Euro brutto.

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Aber nicht nur die Rentenhöhe ist ein guter Grund, jetzt schon an später zu denken. Wer sich früh in seiner Karriere mit dem eigenen Vermögensaufbau befasst, hat später nicht nur mehr auf dem Konto, sondern vor allem viel mehr Freiheit.

Wir haben einen Frugalisten, eine Gehaltstrainerin und eine leitende Angestellte gefragt, wie sie parallel zum Job vorsorgen.

Oliver Noelting – Softwareentwickler und Frugalist

Oliver Noelting: „Ich habe nie viel über meine staatliche Rente nachgedacht."
Oliver Noelting: „Ich habe nie viel über meine staatliche Rente nachgedacht."

Vor sieben Jahren habe ich in meinem ersten Blogbeitrag erzählt: Mit 40 will ich finanziell ausgesorgt haben. Ich war gerade mit dem Studium fertig, hatte meinen ersten Job als Softwareentwickler angetreten und legte jeden Monat 70 Prozent meines Einkommens zurück.

Ich investierte das Geld hauptsächlich in Indexfonds. Inzwischen ist mein Aktiendepot 190.000 Euro wert. Die Hälfte der Strecke zur finanziellen Freiheit habe ich damit geschafft: Rund 400.000 Euro will ich im Depot haben, um bis zur Rente und darüber hinaus meinen Lebensstil halten zu können, ohne arbeiten zu müssen. Und der ist genügsam. Ich bin Frugalist.

Die meisten Menschen blähen ihre Ausgaben auf, sobald sie mehr verdienen. Sie ziehen in eine größere Wohnung, stellen sich ein zweites Auto vor die Tür und sagen, sie seien glücklich. Mein Ziel ist es, auf einem anderen Weg glücklich zu werden. Ich möchte frei sein.

Mein Lebensstil entspricht deswegen nicht meinem Einkommen: Ich lebte in WG-Zimmern statt in einer eigenen Wohnung, ich fahre Fahrrad statt Auto, mache Camping- statt Hotelurlaub, kaufe gebraucht statt neu. Ich hinterfrage alle Ausgaben und überlege bei jedem Kauf, ob ich wirklich meine Lebenszeit investieren will, um das Geld dafür zu verdienen.

„Als Familie ist Frugalismus der ideale Lebensstil“

Lange wurde mir gesagt: Den Lebensstil hältst du nicht durch, wenn du Kinder hast. Vor drei Jahren kam unser erstes Kind zur Welt. Meine Freundin und ich zogen dafür aus unserer Zwei- in eine Drei-Zimmer-Wohnung. Gerade ist meine Freundin wieder schwanger, die Kinder werden sich dann ein Zimmer teilen. Und wir gehen beide in Elternzeit.

Gerade als Familie ist Frugalismus der ideale Lebensstil. Nie hast du so wenig Zeit und brauchst so viel Geld wie in den Jahren mit Kindern. Umso wichtiger ist der bewusste Umgang mit Einkommen und Ausgaben.

Seit mein erstes Kind auf der Welt ist, arbeiten wir beide nur noch in Teilzeit, um möglichst viel Zeit mit unserem Kind verbringen zu können. Wegen der Teilzeit und meiner langen Elternzeit werde ich es allerdings nicht mehr schaffen, mit 40 in „Rente“ zu gehen. Es dauert dann eben etwas länger. Prioritäten verschieben sich im Leben.

„Mein Fundament ist mein Aktiendepot“

Ich habe nie viel über meine staatliche Rente nachgedacht. Die wird nur ein paar Hundert Euro betragen, weil ich die meiste Zeit in Teilzeit gearbeitet habe. Mein Fundament ist mein Aktiendepot.

Im Moment will ich gar nicht aufhören zu arbeiten, selbst wenn ich mit 40 genug gespart hätte. Ich werde weiter meinen Blog schreiben, Vorträge halten, vielleicht eine eigene kleine Firma gründen. Vielleicht kündige ich auch mit 37 und mache mich selbstständig. Vielleicht steige ich ein paar Jahre ganz aus und kümmere mich nur um die Kinder. Vielleicht kommen wir als Familie noch auf eine ganz andere Idee.

Das Wichtigste ist: Ich kann diese Entscheidung frei treffen, weil ich vorgesorgt habe. Nicht nur für das Alter, sondern schon für die Zeit davor.

Tina Groll – Journalistin und Gehaltstrainerin

Tina Groll
„Spätestens beim ersten Jahresgespräch sollte das Thema Gehalt auf den Tisch gepackt werden.“
Tina Groll „Spätestens beim ersten Jahresgespräch sollte das Thema Gehalt auf den Tisch gepackt werden.“

Arbeitnehmende sollten ihr Gehalt jedes Jahr neu verhandeln. Sonst verlieren sie bares Geld und stehen im Alter schlechter da. Gerade Berufseinsteiger sind anfangs oft unsicher und nehmen, was ihnen angeboten wird.

Spätestens beim ersten Jahresgespräch, bei dem es um die eigenen Leistungen und Ziele geht, sollte dann aber das Thema Gehalt auf den Tisch gepackt werden.

Wird solch ein Gespräch von den Vorgesetzten nicht vorgeschlagen, dann sollte man aktiv darum bitten. Oder gleich nach einem Gespräch zur „Gehaltsanpassung“ fragen. Dieser Begriff weckt eine gewisse Erwartung: Die Leistung ist bereits oben, nun muss die Bezahlung nachziehen.

Die beste Zeit für solch ein Gespräch ist auf keinen Fall die Weihnachtszeit, da sind alle gestresst, und das Jahresbudget ist aufgebraucht. Besser ist die Zeit nach dem Sommerurlaub, wenn die Jahresbudgets gemacht werden. Oder das erste Quartal, wenn noch größere Ausgaben für das Jahr möglich sind.

Vor einer Gehaltsverhandlung überlege ich mir drei Summen:

Maximalsumme:

Zur Recherche empfehle ich den Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit oder den Gehaltsvergleich des Statistischen Bundesamts. Geben Sie in diesen Tools auch als Frau immer „Mann“ ein. Sonst bekommen Sie nur die niedrigeren Durchschnittsgehälter von Frauen angezeigt.

Wer genug Vertrauen zu den eigenen Kolleginnen und Kollegen hat, kann mit ihnen über das jeweilige Gehalt sprechen und vergleichen. Auch der Betriebsrat gibt Auskunft über Durchschnittsgehälter.

Nach dem Entgelttransparenzgesetz kann man in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden außerdem ganz offiziell erfragen, was andere in der gleichen Position und mit gleicher Erfahrung verdienen. Mit dieser Vorrecherche komme ich auf die Maximalsumme und damit auf meine Forderung für die Verhandlung.

Idealwert:

Der Idealwert ist die Summe, die unter dem Maximalwert liegt, aber die ich idealerweise erreichen will. Und zwar brutto. Ich muss also vor dem Gespräch einen Brutto-Netto-Rechner anwerfen und überlegen, wie viel ich netto heraushaben will.

Minimalwert:

Unter den gehe ich nicht, so viel will ich mindestens haben. Wenn ich nur den Minimalwert erreiche, sollte das noch ein Erfolg für mich sein. Weh tun darf dieser Betrag nicht.

Argumente für eine Gehaltserhöhung sammeln

Außerdem überlege ich mir drei Argumente, warum mein Gehalt erhöht werden sollte. In der Verhandlung fange ich mit dem mittelschwächsten an, zum Beispiel, dass es dem Unternehmen ja gerade sehr gut geht und ich mit meinem Team gute Erfolge erbracht habe. Dann folgt das stärkstes Argument, etwa meine eigenen beruflichen Erfolge im vergangenen Jahr.

Ein Coachee von mir hat ein Jahr lang alle Kundenstimmen gesammelt und bei der Gehaltsverhandlung präsentiert. Das hat ihm nicht nur eine Gehaltserhöhung, sondern auch eine Beförderung eingebracht. Mein schwächstes Argument hebe ich mir für den Schluss auf.

Es geht bei den Argumenten vor allem darum: Was zeichnet mich als Mensch und Mitarbeiter aus? Warum habe ich diesen Beruf gewählt, und warum will ich dabei bleiben? Was habe ich im letzten Jahr erreicht, und was will ich noch erreichen?

Wichtig bei einer Gehaltsverhandlung: Es kommt nicht nur darauf an, was auf dem Lohnzettel steht. Es lässt sich noch so viel mehr verhandeln: vermögenswirksame Leistungen etwa, bei denen der Arbeitgeber einen Teil des Bruttogehalts für die Arbeitnehmenden anlegt. Auch eine Bahncard, ein Dienst-E-Bike oder die Mitgliedschaft im Fitnessklub ließe sich aushandeln.

Kyra Dohrin – Managerin und Karrierecoach

Kyra Dohrin: „Ich habe alle paar Jahre im Unternehmen die Position gewechselt.“
Kyra Dohrin: „Ich habe alle paar Jahre im Unternehmen die Position gewechselt.“

Altersvorsorge ist mehr als Vermögensaufbau. Es ist Freiheit. Am 1. April bin ich auf den Tag genau 26 Jahre lang bei Bosch angestellt. Am 13. Mai habe ich meinen letzten Arbeitstag dort. Ich habe gekündigt. Mit 54 Jahren löse ich mich aus dem sicheren Netz des Großkonzerns und wage die Selbstständigkeit.

Bei Bosch hatte ich erreicht, was ich immer wollte: Unabhängigkeit. Meine Mutter hat mir von klein auf eingeschärft: „Mach dein Abitur und eine gute Ausbildung. Und mach dich nie von jemandem abhängig.“ Mein Vater war Taxifahrer, meine Mutter Sachbearbeiterin. Meine Eltern waren getrennt, wir hatten nie viel Geld.

Als ich meinen Führerschein hatte, konnte ich mir nur ein altes Auto kaufen. Da habe ich überlegt: Was machst du, wenn du mal liegen bleibst? Dann brauchst du ja doch Hilfe von jemandem. Deswegen habe ich Maschinenbau studiert, Schwerpunkt Mechanik.

Dann war bei Bosch eine Stelle ausgeschrieben, die genau auf mich passte. Ich lebte in Braunschweig, wollte dort eigentlich nicht weg. Trotzdem bewarb ich mich in Stuttgart, wurde genommen und musste den ersten großen Sprung meines Lebens wagen.

„Die Angst zu überwinden, das ist mein Erfolgsrezept“

Ich habe alle paar Jahre im Unternehmen die Position gewechselt. Selten habe ich mich auf eine andere Stelle beworben, meistens wurde ich angefragt und habe Ja gesagt. Immer wenn ich eine Chance sah, hatte ich ein flaues Gefühl im Bauch. Angst.

Wenn ich gegen dieses Gefühl angegangen bin und den Schritt gewagt habe, war das immer die beste Entscheidung. Dieses Wuaaah-Gefühl, die Angst zu überwinden, das ist mein Erfolgsrezept.

Der Wunsch nach Unabhängigkeit war mein Treiber. Deswegen habe ich Karriere gemacht, um eine Abteilung zu führen und selbst einen Bereich zu verantworten, in den mir keiner reinreden kann. Und deswegen habe ich bescheidener gelebt, als ich es hätte tun müssen, um Geld zur Seite legen zu können.

Mit meinem Gehalt hätte ich meinen Lebensstandard deutlich erhöhen können. Das wollte ich aber nicht. Ich habe überlegt: Was mache ich mit dem ganzen Geld? Besser leben oder sparen? Meine Antwort: beides!

Ich weiß ja nicht, wie alt ich werde. Ich will also gut leben und Wünsche nicht auf die lange Bank schieben. Gleichzeitig wollte ich vorsorgen und mit 50 finanziell so unabhängig sein, dass ich aus meinem Job aussteigen kann.

„Ich hatte immer den Anspruch, selbst zur Expertin für mein Vermögen zu werden“

Ich habe mich von einer freien Vermögensberaterin beraten lassen und viele Bücher gelesen. Immer mit dem Anspruch, selbst zur Expertin für mein Vermögen zu werden. Bankberatern habe ich nicht getraut, die haben ja zuerst mal ihre Provision und ihren eigenen Vermögensaufbau im Blick.

Ich schloss noch vor 2005 eine Kapitallebensversicherung ab, auf die ich später keine Steuern zahlen muss. Den größten Teil meiner Ersparnisse habe ich aber in Indexfonds angelegt. Gleichzeitig genieße ich mein Leben, reise viel. Mit Mitte 30 habe ich einen Motorradführerschein gemacht und fahre oft mit dem Motorrad in den Urlaub.

Nun mache ich mich mit Mitte 50 als Karrierecoach selbstständig. Das kann ich nur, weil ich vorgesorgt habe. Wenn alles schiefgeht, kann ich immer noch zehn Jahre lang von meinem Ersparten leben.

Am meisten freue ich mich darauf, einfach Zeit zu haben. Durch meine Rücklagen bin ich nicht darauf angewiesen, besonders viel zu verdienen. Ich kann frei entscheiden, wie viel und mit wem ich arbeiten möchte. Das ist purer Luxus.

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