Zwischen Genialität und Größenwahn – BYD greift Porsche an
Chinas größter Autohersteller hat Tesla bei Elektroautos im vergangenen Jahr weltweit überholt. Stella Li gilt hinter Konzernchef und Gründer Wang Chuanfu als Nummer zwei im Unternehmen.
Wenn Stella Li über die Erfolge von BYD berichtet, lässt sie keinen Superlativ aus: „Wir sind mit 4,272 Millionen Autos der sechstgrößte Autohersteller“ – weltweit versteht sich. Und damit dieser Erfolg weitergeht, arbeiten 120.000 Ingenieure im Unternehmen an neuen Autos, Batterien und Software. 22 Milliarden Euro gibt das Unternehmen für Forschung und Entwicklung aus. Damit hat BYD das „F & E“-Budget von Volkswagen (21 Milliarden Euro) erstmals übertrumpft.
„Europa ist nach China unser wichtigster Markt“
Li ist als Executive Vice President verantwortlich für Europa und Amerika – mit Ausnahme der USA. Dort sind die Chinesen bisher wegen der hohen Zölle nicht vertreten. Umso wichtiger sind die anderen Exportmärkte wie Südostasien, Afrika, Südamerika und eben Europa. „Europa ist nach China unser wichtigster Markt“, heißt es bei BYD.
Deshalb hat man sich offenbar auch Europas Nummer eins, Volkswagen, zum Vorbild genommen: Wie der VW-Konzern wollen die Chinesen nicht nur preiswerte Mittelklasseautos nach Europa bringen und bald auch in zwei Werken vor Ort bauen. Noch in diesem Jahr will BYD im oberen Marktsegment Audi und Porsche angreifen. Denza heißt die Luxusmarke, die 2015 – damals noch als Joint Venture mit Mercedes-Benz – gegründet wurde. „Denza verbindet europäisches Design mit ausgeklügelten Technologien und feinster Handwerkskunst“, schwärmt Stella Li. Der Chefdesigner von BYD, der auch für Denza verantwortlich ist, heißt Wolfgang Egger. Er hat unter anderem schon für Alfa Romeo und Audi gearbeitet.
Flaggschiff von Denza: „Gentleman Car“ mit 1000 PS
Das erste Modell für den europäischen Markt, das Denza auf der Design Week in Mailand vorgestellt hat, heißt Z9GT. Es zielt ganz offensichtlich auf den Elektro-Porsche Taycan. Über 1000 PS stark, mit reinem Elektroantrieb oder als Plug-in-Hybrid, hat Egger dem Sport-Kombi die Form eines Shooting Brake gegeben. „Gentleman Car“, nennt der Designer diese Fahrzeugform.
Unter der Außenhaut aus Aluminium und hochfesten Stählen wartet der Z9GT mit Hightech auf: Eine Hinterradlenkung und einzeln angetriebene Räder ermöglichen seitliches Einparken. Der Wendekreis des fast 5,20 Meter langen Wagens beträgt weniger als fünf Meter (mehr als zehn wären normal). Ein zentral gesteuertes Luftfahrwerk fängt aus Auto sogar bei einem Reifenplatzer mit über 180 km/h sicher ab. Die flache Blade-Batterie im Fahrzeugboden ist zentraler Bestandteil der Karosserie. Cell-to-Body heißt diese Technologie, die VW erst mit der nächsten Generation seiner Elektroautos einführt.
Das alles hat natürlich seinen Preis. Auch wenn Stella Li den endgültigen Verkaufspreis in Europa nicht nennen will, macht sie klar: Billig wird das Flaggschiff der Marke nicht. 80.000 Euro? „Weit mehr als das.“ Um die 100.000 Euro, so darf man spekulieren, wird der Denza Z9GT letztlich wohl kosten. Auch wenn ein ähnlich motorisierter Porsche Taycan doppelt so teuer ist, wird die Luft in diesem Preissegment für eine chinesische Marke doch sehr dünn. Zudem ist auch der Taycan nicht gerade ein Erfolgsmodell. Die Produktion wurde mehrfach gedrosselt.
Marktanteil von BYD: 0,2 Prozent
Wie schwierig der deutsche und europäische Markt ist, musste BYD bereits mit seiner Kernmarke erleben: Im ersten Quartal hat BYD in Deutschland gerade einmal 1215 Autos verkauft. Marktanteil: 0,2 Prozent. Auch wenn sich der Absatz im Jahresvergleich mehr als verdoppelt hat, sind das homöopathische Mengen.
Doch die Chinesen lernen schnell. So ist das Händlernetz in Deutschland mit 27 Betrieben noch viel zu dünn. 120 sollen es Ende des Jahres sein. Für Denza wird parallel ein eigenes Händlernetz aufgebaut: 20 bis 30 Betriebe sind im ersten Jahr geplant.
„Alle sechs Monate bringt Denza ein neues Modell nach Europa“, verspricht Stella Li. Nach dem Z9GT folgen ein luxuriöser Van, zwei SUV-Modelle und eine Limousine. „Denza ist die einzige Luxusmarke, die ausschließlich New-Energy-Fahrzeuge anbietet.“ So heißen in China Autos mit voll- oder teilelektrischem Antrieb.
Prominentes Scheitern im Mutterland von Mercedes
Trotz der beeindruckenden Technik ist der Schritt, Denza nach Europa zu bringen, mutig zu nennen. Wie schwer es ist, hier mit einer neuen Marke im Premium- und Luxussegment Fuß zu fassen, mussten schon die Japaner erfahren. Als Toyota 1988 seine Premiummarke Lexus mit einer Oberklasselimousine einführte, war die Fachwelt begeistert: Qualität, Verarbeitung und Laufruhe des Lexus LS suchten ihresgleichen. Trotzdem war der S-Klasse-Konkurrent im Mutterland von Mercedes und BMW schwer verkäuflich – und ist es noch: Lexus setzt aktuell in Deutschland auch nicht mehr Autos ab als BYD.
Stella Li lässt sich davon nicht beeindrucken: „Wir sprechen die Emotionen an, das Herz und den Verstand“, sagt sie. Autos seien eben mehr als die Summe ihrer Technik. Für die Emotion ist auch Chefdesigner Wolfgang Egger verantwortlich. Bei den eleganten Formen des Z9GT ließ er sich von fließender Seide inspirieren. Herausgekommen ist ein schnittig gestaltetes Kombi-Coupé mit deutlichen Anleihen bei Wettbewerber Porsche.
Niemand dürfte bestreiten, dass der Wagen gefällig aussieht. Stella Li weiß, was sie an ihrem deutschen Designer hat: „Er ist ein echtes Kapital für BYD“, sagt sie. Tatsächlich ist es Egger gelungen, für den chinesischen Hersteller eine Reihe attraktiver Autos zu gestalten. Manchem Entwurf sieht man an, dass er auch für Audi oder Alfa Romeo funktioniert hätte.
Unbeirrt weiter auf dem eigenen Weg
Wäre es da nicht eine gute Idee, eine traditionsreiche europäische Marke zu kaufen, statt eine eigene Luxusmarke aufzubauen? Davon hält Stella Li nichts. Dabei wäre die Gelegenheit günstig: Angeblich würde sich Stellantis gern von Maserati trennen. Auch Alfa Romeo oder Lancia könnten zum Verkauf stehen.
Wie erfolgreich die Strategie mit einer europäischen Traditionsmarke sein kann, beweist MG: Der chinesische Autobauer SAIC verkauft in Deutschland unter dem Namen mehr als viermal so viele Autos wie BYD. Stella Li geht lieber den eigenen Weg, auch wenn es etwas länger dauert. In China hat es schließlich auch funktioniert.
