Wie HR-Verantwortliche mit Diskussionen zum Ukraine-Krieg umgehen sollten
Hitzige Diskussionen unter Kollegen, Mitarbeitende, die sich für die Fremdenlegion melden – das HR sieht sich mit Problemen konfrontiert.
Die Reaktionen von Unternehmen auf den Krieg in der Ukraine sind vielfältig. Während die israelische Tech-Firma Wix bereits im Februar tausend Mitarbeitende aus dem Land evakuierte, verurteilen Grosskonzerne wie Nestlé und Roche die Attacke Russlands. Sehr viele Unternehmen haben inzwischen ihre Russland-Geschäfte eingestellt oder bereiten entsprechende Schritte vor.
Die unternehmensinternen Reaktionen der Firmen sehen unterschiedlich aus. Hier gibt es bei Unternehmen Unsicherheiten, wie proaktiv sie das Thema kommunizieren sollen und welche Mitteilungen an Mitarbeitende angemessen sind und welche nicht. Apple-CEO Tim Cook verfasste etwa ein längeres E-Mail an alle Mitarbeitenden. Andere Führungskräfte äussern sich gar nicht oder zurückhaltend zum Thema. Diskussionen über den laufenden Krieg gibt es aber in jeder Firma. Stellungnahmen von Mitarbeitenden, die Russen per se verurteilen oder der Ukraine eine Mitschuld am Konflikt geben, stellen für Personaler, Teamleiter und CEO eine Herausforderungen dar.
Richtlinien gegen Diskriminierung
Bei diskriminierenden Äusserungen über Ukrainer und Russen können sich die meisten Unternehmen auf ihre Antidiskriminierungsrichtlinien berufen. Sie schliessen beispielsweise eine abwertende oder entmenschlichende Sprache über Personengruppen per se aus. Auch eine Benachteiligung, weil jemand etwa russische oder ukrainische Wurzeln hat, ist dadurch ausgeschlossen.
Unternehmen können sich abseits dieser Grundlagen aber dennoch nicht völlig neutral verhalten. Nach der öffentlichen Verurteilung des Konflikts, der durch viele Firmen erfolgt ist, stellt sich die Frage, welche Folgen diese Verurteilung intern haben soll. Was bedeutet es etwa, wenn ein Mitarbeiter offensiv Verständnis für den russischen Angriffskrieg zeigt und sich abwertend über die Ukraine äussert?
Solidarität zeigen
Hier sind persönliche Gespräche mit den Mitarbeitenden durch das HR gefragt. Idealerweise bildet sich eine Gruppe, die konzernweit Erfahrungen bei dem Thema sammelt und eine Policy entwirft. Hetzerische politische Meinungsäusserungen etwa in Gruppenchats oder Massenmails durch Mitarbeitende sollten nicht toleriert werden. Aufrufe beispielsweise zu Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen hingegen sollten zugelassen werden. So hat etwa die Unternehmerin Franziska Tschudi Sauber bei ihrer Firma, der Weidmann Group, Spendenkonten für die Ukraine eingerichtet.
Wenn Sie nicht wissen, ob das Thema Ukraine-Krieg unter Ihren Angestellten überhaupt häufig angesprochen wird, lohnt es sich, in regelmässigen Updates die Bereitschaft zu signalisieren, dass sich Mitarbeitende, die sich betroffen fühlen, an das HR wenden können. Coach Yetunde Hofmann von der Leadership-Beratungsfirma Solaris sagt: «Ich ermutige Firmen dazu, mit ihren Mitarbeitenden über das Thema Ukraine zu sprechen.» Sie empfiehlt regelmässige Mitteilungen, die zeigen, dass das Unternehmen die aktuelle Lage wahrnimmt und reagiert. So eine Mitteilung könnte beispielsweise lauten: «Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass dieser Konflikt Auswirkungen auf die Menschen in unserem Unternehmen haben könnte, und wir möchten Sie wissen lassen, dass es in Ordnung ist, mit dem HR oder Vorgesetzten darüber zu sprechen.»
Raum für Gespräch
Damit wird die Diskussion aus den Teams herausgeholt und eine Kommunikationslinie vorgegeben. Letztlich wird so aber auch überhaupt erst ein Raum für Gespräche geschaffen. Auf diese Weise können die Mitarbeitenden ihre Bedenken äussern, vor allem wenn sie persönlich von der Krise betroffen sind, und es werden die Türen für Massnahmen geöffnet – zum Beispiel, wenn sich die Mitarbeitenden zusammentun wollen, um Geld für eine wohltätige Organisation zu sammeln. Solche Massnahmen sollten unterstützt werden.
Komplexer wird es, wenn Mitarbeitende beispielsweise wünschen, selbst in der Ukraine zu kämpfen. Diese Anfrage bekommen HR-Managerinnen und -Manager immer häufiger zu hören, wie etwa verschiedene Linkedin-Posts zu dem Thema belegen. Und tatsächlich hat die ukrainische Regierung um Unterstützung durch ausländische Personen mit militärischer Ausbildung gebeten. Das bedeutet, dass sich Menschen aus anderen Ländern bei der sogenannten ukrainischen Fremdenlegion einschreiben können. Inzwischen sollen das bereits über 20’000 Menschen getan haben.
Hier muss das Unternehmen vorgängig eine grundsätzliche Positionierung vornehmen. Urlaube zu bewilligen, bei denen man weiss, dass die Mitarbeitenden sich der Fremdenlegion anschliessen wollen, ist keine Strategie. Die Bitte an Mitarbeitende, zu kündigen, bei gleichzeitiger informeller Zusage einer Wiedereinstellung oder die Aufforderung, ein Sabbatical zu nehmen, ist ebenfalls nicht ratsam. Denn Schweizer Staatsangehörigen drohen Strafen, wenn sie sich einer fremden Streitkraft anschliessen. «Es drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren», sagt dazu ein Sprecher der Militärjustiz.
Rechtliches Glatteis
Jedes Unternehmen muss sich an die Empfehlungen und Vorgaben etwa des EDA halten: So raten die meisten Länder von Reisen in die Ukraine ab. Wenn ein Unternehmen ein Kriegs-Sabbatical erlaubt, setzt es sich selbst rechtlichen Risiken aus.
Auch Versicherungsfragen sind bei diesem Thema sehr komplex. Für einen Mitarbeiter, der sich in seiner Ferienzeit an Kämpfen in einem anderen Land beteiligt, gilt Versicherungsschutz unter Umständen nicht mehr.
Wenn Mitarbeitende mit diesem Anliegen auf Führungskräfte zukommen, sollte also offensiv davon abgeraten und dafür analysiert werden, ob nicht eine andere Form der Unterstützung, etwa Hilfe für Flüchtlinge oder Familienangehörige vor Ort, einen besseren unterstützenden Effekt haben könnte.
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