Willkommen zurück!
Wenn Mitarbeiter kündigen, bedeutet das nicht automatisch das Ende der Beziehung zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Mit der passenden Strategie fürs Offboarding gewinnen Unternehmen Fans, die sie gern weiterempfehlen – und eines Tages vielleicht sogar zurückkehren.
Von Rebecca Zucker
Gute Unternehmen sind immer auf der Suche nach Talenten. Sie erkennen auch, dass jeder ehemalige Kollege ein zukünftiger Kunde, Geschäftspartner, Empfehlungsgeber – und sogar ein potenzieller zukünftiger Mitarbeiter sein kann. Zurückkehrende Ehemalige, auch „Bumerang-Beschäftigte“ genannt, sind ein wichtiger Bestandteil der Talentpipeline. Dies gilt insbesondere in Zeiten, in denen Talente knapp sind. Von Beratungsunternehmen wie Bain & Company und anderen Unternehmen lässt sich lernen, welche Strategien wirksam sind.
Es gibt Organisationen, die es als Verrat ansehen, wenn Beschäftigte sie verlassen. Die zurückbleibenden Kolleginnen und Kollegen entwickeln dann oft ein negatives Bild des Kündigers. Eine solche Einstellung ist weder förderlich noch einladend für eine Person, die vielleicht eines Tages zurückkehren möchte. Unternehmen sollten Kündigungen vielmehr als normalen Teil des beruflichen Werdegangs betrachten und das Thema entstigmatisieren. Das ist die erste wichtige Maßnahme.
Die Normalisierung von Abgängen beginnt bestenfalls sogar schon vor dem ersten Tag der Zusammenarbeit. Jen Andrasko, Vice President und Global Head of Alumni bei Bain & Company (und selbst eine Rückkehrerin), berichtet, wie die Beratung es handhabt: „Wir betrachten unsere Alumni als unschätzbaren Teil des Bain-Ökosystems.“ Der Ansatz der Beratung orientiert sich am gesamten Lebenszyklus eines Alumnus und startet bei der Rekrutierung. Führungskräfte sprechen mit neuen Bewerbern auch über Bain-Alumni und deren Erfolge. „Auf dem Markt sind ihre Talente ihr Markenzeichen“, sagt Andrasko.
Dies entstigmatisiert nicht nur Kündigungen, sondern zeigt auch, dass es völlig normal ist und sogar erwartet wird, dass Teammitglieder das Unternehmen irgendwann wieder verlassen. Jeder Bain-Mitarbeiter hat beispielsweise einen Karriereberater, der über ehemalige Kolleginnen und Kollegen spricht und darüber, was sie heute im Rahmen ihrer Karriereentwicklung tun. Außerdem werden Bumerang-Mitarbeiter hervorgehoben, um zu zeigen: Es ist üblich, dass Kündiger zurückkehren. Diese kontinuierlichen Karrieregespräche tragen dazu bei, Kündigungen zu normalisieren.
Gute Talentmanager betrachten die Beschäftigten als Konsumenten: Ein positives Arbeitsumfeld bleibt in guter Erinnerung. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine positiven Erfahrungen gesammelt haben, werden sie eine Rückkehr wahrscheinlich nicht einmal in Betracht ziehen.
Ein Beispiel aus meiner eigenen Karriere: Bevor ich eine Chance im Ausland wahrnahm, arbeitete ich einige Jahre bei einem Unternehmen. Bei meiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten bewarb ich mich dort auf eine andere Stelle. Obwohl die Bezahlung, die Vergünstigungen und der Status des Unternehmens erstklassig waren und ich daher ursprünglich an einer Rückkehr interessiert war, erinnerten mich die Vorstellungsgespräche in den Büros schnell an die dort herrschende raue Kultur. Ich beschloss, die Sache nicht weiterzuverfolgen.
Laut Gallup ist die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte mit einem positiven Ausstiegserlebnis das Unternehmen weiterempfehlen, 2,9-mal höher. Bei Bain ist der positive Effekt sogar noch deutlicher. Die Beratung misst, wie sehr sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beim Ausscheiden unterstützt fühlen. „Wenn man sicherstellt, dass Beschäftigte einen ordentlichen Ausstieg erleben und sich beim Verlassen des Unternehmens unterstützt fühlen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Unternehmen weiterempfehlen, fünfmal höher“, sagt Vice President Jen Andrasko. Daraus könne man schließen, dass diese Menschen auch mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst zurückkehren.
Die Daten spiegeln wider, wie viel Mühe und Geld Bain in ausscheidende Mitarbeiter investiert. „In fast allen unseren Niederlassungen haben wir einen Partner oder eine Partnerin für das Verabschieden von Beschäftigten“, sagt Andrasko. Diese Person hat die Aufgabe, den reibungslosen Ablauf des Abschieds zu gewährleisten, und bietet Zugriff auf die verschiedenen Ressourcen. Interne Fachleute der Bain-Karriereberatung übernehmen zum Beispiel Karrierecoaching und -planung über das gesamte Berufsleben hinweg. Während des Abschieds helfen sie den ausscheidenden „Bainies“, Kontakte zu Alumni in ihren Interessengebieten zu knüpfen und Jobmöglichkeiten bei begehrten Unternehmen zu finden. Außerdem verschaffen sie ihnen Zugang zu externen Karrierecoaches.
Vor dem letzten Arbeitstag eines Beschäftigten sollten Sie signalisieren, dass Ihre Tür weiterhin offensteht. „Mein Chef hat mich nur unterstützt“, sagt Andrasko über den Moment, als sie ihrem ehemaligen Vorgesetzten eröffnete, dass sie Bain für eine neue Chance verlassen würde. „Er sagte ganz offen: ‚Wir wollen natürlich nicht, dass Sie gehen. Wir würden uns freuen, wenn Sie bleiben. Aber ich verstehe, warum Sie gehen müssen ... Wir sind hier, um Sie zu unterstützen. Falls – und wenn – Sie zu Bain zurückkehren wollen, gibt es hier immer ein Zuhause für Sie.‘“ Er ging dann noch einen Schritt weiter und fragte, wie er sie dabei unterstützen könne, in ihrer neuen Rolle erfolgreich zu sein.
Brooke-Lynn Howard, Group Strategy Director und Rückkehrerin bei der international vertretenen Werbeagentur Wieden+Kennedy, empfiehlt ebenfalls, den Beschäftigten klar und deutlich zu sagen, dass die Tür auch in Zukunft weit geöffnet bleibe. „Viele Unternehmen sagen das nicht ausdrücklich und klar genug“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. „Ich habe etliche Gespräche mit Menschen geführt, die unsicher waren, ob sie zurückkehren könnten ... und deshalb Angst hatten, sich zu melden.“
Lediglich 12 Prozent aller ehemaligen Mitarbeiter geben laut einer Gallup-Studie an, Teil eines Alumninetzwerks zu sein. Eine geringe Zahl, vor allem da solche Programme für Ehemalige einer der größten ungenutzten Hebel im Talentmanagement sind. Viele Unternehmen haben nach wie vor überhaupt keine Angebote für Alumni. Andere sind gerade erst dabei, Kontaktmöglichkeiten zu entwickeln – zum Beispiel mit einer Linkedin-Gruppe oder einem E-Mail-Newsletter, in dem regelmäßige Unternehmens-Updates oder Stellenausschreibungen veröffentlicht werden.
Ein wirksames Programm für Ehemalige sollte Möglichkeiten für ein sinnvolles, fortlaufendes Engagement sowohl mit der Organisation als auch mit anderen Alumni bieten und so die Beziehungen aufrechterhalten. Neben einer Alumnidatenbank, auf die ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Networking zugreifen können, hat Bain in jeder Niederlassung einen Alumnipartner, dessen Aufgabe es ist, mit der lokalen Alumnigemeinschaft zu kommunizieren, die Alumnistrategie der Niederlassung umzusetzen, Abgänge zu feiern und Alumni bei Veranstaltungen der Niederlassung eine Bühne zu bieten.
Die Beratung bietet auch „In the Know“ an, eine monatliche Wissensreihe für Alumni zu Themen wie Diversity, Umweltschutz oder Zukunft der Arbeit. Daneben gibt es Networkingmöglichkeiten, darunter die CXO-Foren des Unternehmens für alle Alumni auf C-Level. In diesem Jahr führt Bain zudem digitale Branchen- und funktionale Netzwerkgruppen ein. In Karrieresprechstunden, die einmal im Vierteljahr stattfinden, können sich Ehemalige über neue Möglichkeiten im Unternehmen informieren.
Vergewissern Sie sich, dass Sie alle Kontaktinformationen der ehemaligen Beschäftigten erhalten, und bitten Sie scheidende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, zukünftigen Mitteilungen zuzustimmen. Bain verschickt monatlich eine Mitteilung an Alumni mit Nachrichten über das Unternehmen und die Beschäftigten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die „Guardian“-Beziehung. Ein „Guardian“ ist eine bei Bain beschäftigte Person, die der ausscheidende Mitarbeiter auswählt und die dafür verantwortlich ist, den Kontakt zu halten. In der Regel melden sich die Betreuer ein paarmal im Jahr bei ihren Ehemaligen, vor allem wenn es Kampagnen für Wiedereinstiegsmöglichkeiten gibt.
Das Unternehmen Common Spirit Health, das in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres gerade 2000 Mitarbeiter neu eingestellt hat (von insgesamt 150.000 Mitarbeitenden), setzt auf die Ansprache per SMS, entweder zusätzlich zu oder anstelle von E-Mails. „Viele ehemalige Beschäftigte im klinischen Bereich sind beim Patienten im Einsatz. Sie sitzen also nicht vor einem Laptop“, sagt Wanda Cole-Frieman, Senior Vice President of Talent Acquisition. Daher habe sich das Unternehmen für Textnachrichten als ersten Kontaktpunkt entschieden – und entwickle die weitere Kommunikation von dort aus weiter.
Neben der Kontaktpflege ist es wichtig, den Überblick über die Daten der Ehemaligen zu behalten und sich zu organisieren, in der Regel mithilfe eines CRM- oder Bewerberverfolgungssystems. Das Unternehmen U. S. Venture, das traditionelle und erneuerbare Energieprodukte, Schmierstoffe, Reifen und Ersatzteile vertreibt, sammelt im internen CRM-System auch Notizen, die über den ehemaligen Job hinausgehen. Zum Beispiel von einer Mitarbeiterin, die kündigte, um im Non-Profit-Sektor zu arbeiten. Nicole Carter, Leiterin der Talentrekrutierung, hob dieser Kollegin gegenüber die Arbeit des U.-S.-Venture-Teams für gemeinnützige Organisationen hervor und sagte: „Vielleicht haben wir im Moment keine freie Stelle, aber das heißt nicht, dass das immer so bleiben wird.“ Sie fragte die scheidende Kollegin: „Was können wir als Organisation tun, um mit Ihnen in Verbindung zu bleiben? Können wir Sie in einige unserer gemeinnützigen Veranstaltungen einbinden, die im nächsten Jahr stattfinden, damit ich Sie den richtigen Leuten vorstellen kann, falls eine Stelle frei wird?“ Diese Informationen wurden mit Zustimmung der Mitarbeiterin im CRM-System hinterlegt.
In der Bain-Umfrage für ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden die Befragten gebeten anzugeben, ob sie Interesse an einer Vollzeit-, Teilzeit-, Vertrags- oder Partnerschaftsstelle haben. Es gibt verschiedene Optionen und Modelle, um zurückzukehren. Der Klinikbetreiber Common Spirit holt Beschäftigte manchmal sogar zunächst für Schichten auf Honorarbasis aus einer Pause zurück, einige stellen dann später wieder auf Teil- oder Vollzeit um. „Erforschen Sie neugierig, wie flexibel Sie sein können“, rät Managerin Cole-Frieman. „Meine Erfahrung ist: Flexibilität ist das A und O.“
Der Abschied von einem Unternehmen muss nicht zwangsläufig das Ende der Beziehung zu einem ehemaligen Mitarbeiter oder einer ehemaligen Mitarbeiterin bedeuten. Oft ist es eine natürliche Karriereentwicklung einer Person, die sie möglicherweise irgendwann zu Ihrem Unternehmen zurückführen könnte. Mit den genannten Strategien können Sie die Beziehung weiter pflegen und die Tür offen halten, sodass es für ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einfacher wird, zurückzukehren. © HBP 2022
Autorin
Rebecca Zuckerist Executive Coach und Gründungspartnerin von Next Step Partners, einem Unternehmen für Führungskräfteentwicklung. Zu ihren Kunden zählen Amazon, Clorox, Morrison Foerster, Norwest Venture Partners, die James Irvine Foundation und wachstumsstarke Technologieunternehmen wie DocuSign und Dropbox.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der September-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.
