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Der Warenhaus-Konzern steht vor einem erneuten großen Umbau, viele Häuser sollen geschlossen werden. - Karstadt-Logo hinter einer Baustelle in München (Foto: dpa)
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Das Aus für jede dritte Galeria-Filiale reicht nicht – Die fünf größten Baustellen des Sanierers

Mit der Schließung von Filialen ist das angeschlagene Warenhausunternehmen noch lange nicht gerettet. Wo Experten dringenden Handlungsbedarf sehen.

Düsseldorf. Galeria-Chef Miguel Müllenbach bereitete die Belegschaft direkt am Tag, an dem der Warenhauskonzern das Schutzschirmverfahren beim Amtsgericht Essen beantragte, auf eine drastische Reduzierung der Filialen vor. Es müsse mindestens ein Drittel der Standorte geschlossen werden, sagte Müllenbach.

Seitdem diskutiert die Öffentlichkeit mit Blick auf Galeria nur eine Frage: Welche Standorte sind betroffen?

Unternehmenskenner halten das aber nicht für zielführend. „Es ist unsäglich, dass immer nur über die Zahl der Filialen geredet wird, anstatt die Wurzel des Problems lösungsorientiert anzupacken“, schimpft Galeria-Aufsichtsrat Orhan Akman. „Die Probleme von Galeria lassen sich nicht durch eine Verkleinerung des Filialnetzes lösen.“

Eine Analyse zeigt, dass die Probleme tiefgreifender sind, als vom Management behauptet – und hausgemacht. Sie reichen weit über die derzeitige Kaufzurückhaltung und steigende Energiekosten hinaus. Gesundschrumpfen ist demnach für Galeria keine Lösung.

Experten sind überzeugt: Sanierer Arndt Geiwitz müsste fünf große Baustellen angehen, wenn er wirklich die Zukunft des Unternehmens sichern will.

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1. Es fehlt Kapital für die Modernisierung der Filialen

Der desolate Zustand vieler Galeria-Filialen zeigt sich häufig, wenn sie aufgegeben werden und andere Händler sie übernehmen. So zieht Peek & Cloppenburg in das Bonner Karstadt-Haus, das Galeria beim ersten Insolvenzverfahren 2020 geschlossen hatte. Doch noch lässt der Einzug auf sich warten. Der Modehändler muss das Gebäude erst von Grund auf renovieren.

Er könne sich durchaus vorstellen, weitere Innenstadthäuser von Galeria zu übernehmen, sagte P&C-Chef Edgar Hert dem Handelsblatt – vorausgesetzt, es finden sich Partner, die einen Teil der Fläche übernehmen. „Diese Häuser müssen dann aber kernsaniert werden, um unser Konzept optimal präsentieren zu können“, betont er.

Entsprechend aufwendig ist auch der Modernisierungskurs bei Galeria. So brauchte der Händler ein Jahr nach dem Ende des letzten Insolvenzverfahrens, bis Ende Oktober 2021 die ersten drei Häuser umgebaut waren. Gerade einmal 400 Millionen Euro plante das Unternehmen für die Modernisierung des Filialnetzes ein. Davon sollten 50 bis 60 der 131 Häuser komplett umgebaut, der Rest zumindest angepasst werden. Nur sieben Umbauten sind bisher geschafft.

Der österreichische Investor hat Galeria Karstadt Kaufhof erneut „sehr hohe Investitionen“ zugesagt. - https://www.xing.com/n(Foto: Getty Images for Oberpollinger)
Der österreichische Investor hat Galeria Karstadt Kaufhof erneut „sehr hohe Investitionen“ zugesagt. - https://www.xing.com/n(Foto: Getty Images for Oberpollinger)

Alle Experten sind sich einig, dass noch einmal viel Kapital benötigt wird. Nach Aussage des Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz habe der Eigentümer, die Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko, „sehr hohe Investitionen“ zugesagt. Doch in welcher Form und in welcher Höhe, sagt er auch auf Nachfrage nicht.

Dass es da auf Details ankommt, zeigte schon die Insolvenz vor zwei Jahren. Damals hatte Benko angekündigt, er werde 366 Millionen Euro bereitstellen, wenn die Gläubiger den Insolvenzplan annehmen. Doch nur 200 Millionen Euro wurden direkt gezahlt. 125 Millionen Euro flossen als Massekredit, für den Rest verzichtete er auf Forderungen. Im damaligen Insolvenzplan war eine rasche Rückkehr zur Profitabilität eingeplant, was dann Investitionen ermöglichen sollte. Das war aber ein reiner Hoffnungswert.

2. Das Geschäftsmodell ist zu wenig profitabel

Die mangelnde Profitabilität ist das Kernproblem von Galeria. „Das Geschäftsmodell ist zu kapitalintensiv“, gibt Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein zu bedenken. Um die Kosten, beispielsweise für Miete, Mitarbeitende und Modernisierung, zu tragen, werfe das Geschäft zu wenig ab. Und in den Verhandlungen mit den Vermietern seien die Kosten beim letzten Insolvenzverfahren schon so gedrückt worden, dass da kaum noch Spielraum ist.

Schon im Insolvenzplan von 2020 wurde als „Zielbild des sanierten Unternehmens“ formuliert, ein Ebit, also einen Gewinn vor Steuern und Zinsen, in Höhe von 2,7 Prozent des Umsatzes zu erwirtschaften. Unabhängig davon, ob das heute noch realistisch zu erreichen ist, hält Heinemann auch diesen Wert für viel zu niedrig. „Selbst bei einer Ebit-Marge von vier Prozent würden die Kapitalkosten nicht verdient“, betont er.

Auch Johannes Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, ist überzeugt, dass die Warenhäuser ihr Geschäftsmodell grundlegend verändern müssen. Die Pilotprojekte im Rahmen des Konzepts Galeria 2.0 hätten noch nicht den Beweis erbracht, dass sich das Investment an jedem Standort lohnen kann. „Die Frage bleibt, ob im Falle der Warenhäuser der Umfang an Transformationen und die dafür erforderlichen Investitionen sich überhaupt rechnen können“, sagt er.

Früher hätten die Warenhäuser damit geglänzt, an einem Ort alles zu einem guten Preis zu bieten, so Berentzen. Das könne heute Amazon viel besser. „Die Warenhäuser müssen deshalb da punkten, wo der Onlinehandel Schwächen hat, mit besserer Beratung, mehr Service und einem gut ausgewählten Warenangebot, sodass der Kunde nicht von der Überfülle der Produkte erschlagen wird“, erklärt er.

3. Mitarbeiter werden nur als Kostenfaktor gesehen

Bei der dünnen Personaldecke und den vielen Fremdvermietungen an Markenhersteller bekämen die Kunden häufig keine Beratung mehr, berichtet ein Filialmitarbeiter. „Dann sind gerade einmal noch zwei Leute auf einer Etage“, sagt er.

Von den Kunden gebe es höchstens noch mitleidige Kommentare oder Fragen nach Rabatten. „Das frustriert natürlich“, klagt er. Die Motivation, sich im Weihnachtsgeschäft noch voll reinzuhängen, sei bei vielen gering. Keiner wisse, ob er nicht im Januar auf der Entlassungsliste stehe.

„Was das Warenhaus eigentlich ausmacht, ist eine kompetente Beratung“, mahnt auch Galeria-Aufsichtsrat Akman. Wer immer nur am Personal spare, brauche sich nicht zu wundern, wenn der Umsatz zurückgeht. „Das Management ist zu sehr darauf konzentriert, schnelle Ergebnisse zu liefern“, kritisiert er. „Wenn jetzt in der zweiten Insolvenz noch mehr Personal abgebaut wird, ist das kurzsichtig.“

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Die Erfahrung hat auch der ehemalige Kaufhof-Geschäftsführer Reimund Baumheier gemacht. Wenn Mitarbeiter gefehlt hätten, habe man das immer am Umsatz gemerkt. Mitarbeiter seien heute ein Kostenfaktor, sagt Baumheier, der zuletzt die umsatzstärkste Galeria-Filiale geleitet hatte, das Haus am Marienplatz in München: „Für uns waren sie früher Umsatzbringer.“

4. Entscheider vor Ort haben zu wenig Verantwortung

Zu diesen Zeiten hatten die Geschäftsführer der einzelnen Häuser auch noch mehr Spielraum für eigene Entscheidungen, heute ist die Struktur von Galeria komplett zentralisiert. Aufsichtsrat Akman hält das für einen Fehler. „Wer zum regionalen Magneten werden will, muss den Filialleitern vor Ort mehr Freiheiten geben“, rät er. Auch das Know-how der Beschäftigten vor Ort werde vom Management viel zu wenig genutzt. „Da muss es eine Kulturveränderung im Management geben.“

Die gleiche Einschätzung hat ein Restrukturierungsberater mit langjähriger Erfahrung in der Handelsbranche, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Wenn Sie versuchen, aus der Zentrale in Essen mit einem einheitlichen Management zu führen, wird das nie passen“, urteilt er.

Die einzelnen Standorte müssten unternehmerisch geführt werden mit einer sehr schlanken Zentrale, die nur die Zielsetzung mit vorgibt, aber die unternehmerische Verantwortung müsse vor Ort liegen. „Die Filiale braucht großen Spielraum und Gestaltungsmöglichkeiten“, rät er.

Aus Sicht eines Lieferanten könnte das auch für ein besseres Sortiment sorgen. Wenn man gerade in kleineren und mittleren Städten die Standorte in die Hand von regionalen Geschäftsführungen geben würde, hätte das den Vorteil, dass diese ihre Städte genau kennen und wüssten, was sie anbieten müssten. Das würde den Verzicht auf einen Teil der Synergien mehr als wettmachen.

5. Es braucht neue Partnerschaften in den Städten

Ein großes Problem von Galeria ist es, dass es fast ausschließlich Häuser in Innenstädten gibt, die unter stark sinkender Kundenfrequenz leiden. Allein kann der Händler dieses Problem nicht lösen. Doch um Allianzen vor Ort hat sich Galeria bisher nur wenig gekümmert.

Viele Vermieter der Warenhäuser beispielsweise, die eigentlich in der Frage ein natürlicher Verbündeter sein müssten, hat Sanierer Geiwitz schon im ersten Insolvenzverfahren durch harte Verhandlungen über Mietsenkungen verprellt. Da sei die Bereitschaft, mit gemeinsamen Projekten in die Offensive zu gehen, eher gering, heißt es bei Immobilieneigentümern.

„Galeria schafft es nicht allein, die Menschen wieder in die Innenstädte zu locken“, ist jedoch auch Aufsichtsrat Akman überzeugt. Wichtig seien gemeinsame Initiativen mit den Kommunen und den anderen Händlern in den Städten. „Denkbar wäre etwa eine Kooperation lokaler Händler bei einem gemeinsamen Lieferdienst, der den Innenstadtbesuchern die gekauften Waren nach Hause bringt“, schlägt er vor.

Berater Berentzen betont, eine Schließung sei für betroffene Innenstädte auch eine Chance, „das oft altbackene Warenhaus durch ein neues, attraktiveres Angebot zu ersetzen, das auch junge Leute anspricht“. Oder wie es Handelsexperte Heinemann provozierend formuliert: „Ein durchschnittlicher Aldi hat doppelt so viel Frequenz wie ein durchschnittliches Warenhaus von Galeria.“

Transparenzhinweis: Die Handelsblatt Media Group ist wie die Signa-Holding von Galeria-Eigentümer René Benko an der digitalen Bildungsplattform Ada beteiligt.

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