Warum Firmen neue Mitarbeiter auf Englisch suchen sollten
Die FDP fordert Englisch als zusätzliche Verwaltungssprache, um ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Doch Unternehmen sind davon weit entfernt. Dabei überwiegen die Vorteile, wenn die Arbeitgeber es richtig anstellen.
Ein ingenieurwissenschaftliches Studium, ein zusätzlicher MBA und knapp 20 Jahre Berufserfahrung in der Automobilindustrie – und trotzdem lauter Absagen. Wenn die gut 40 Unternehmen, bei denen er sich beworben hatte, überhaupt antworteten.
Die Geschichte von Malan Marais lässt einen daran zweifeln, dass der Fachkräftemangel wirklich so drängend ist, wie die deutsche Wirtschaft klagt. Zumindest so drängend scheint er nicht zu sein, als dass die Arbeitgeber den Talenten etwas entgegenkommen würden. Etwa indem sie englisch sprechen. So wie Marais.
Der Südafrikaner beherrscht bislang nur wenig Deutsch. Schaffte er es doch über persönliche Kontakte oder die Plattform LinkedIn, sich direkt mit einem Personalverantwortlichen auszutauschen, war die Frage nach seinen Deutschkenntnissen stets eine der ersten – und auch gleich das Ausschlusskriterium. „Eine Bewerbung auf Englisch findet keine Beachtung“, resümiert Marais. „Anschreiben guter Bewerber landen im Müll.“
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Personaler überspringen
Und so vergeben Unternehmen unzählige Chancen, Stellen mit Menschen zu besetzen, die zwar nicht perfekt deutsch sprechen, aber ihren Aufgaben ansonsten mehr als gewachsen wären. Mit der Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine gewinnt dies gerade an Aktualität: Zwar werden eigens Stellenbörsen für sie programmiert. Und Arbeitsminister Hubertus Heil drängt auf „einen guten Zugang zum Arbeitsmarkt“. Doch viele deutsche Firmen sind behäbig.
2021 wurden in Deutschland gerade mal 4,4 Prozent der Stellen auf Englisch ausgeschrieben. Das ergab eine Analyse des Softwareunternehmens Textkernel, das mit seiner Analysesoftware regelmäßig 68.000 Websites in Deutschland nach Stellenanzeigen durchsucht. Die Stellenanzeige sei nur der Anfang, sagt Emine Yilmaz, die bei der Personalberatung Robert Half die Personalvermittlung weiterentwickelt. Auch Absagen und Einladungen, Handbücher und die Einarbeitung – alles müsse Englisch sein. „Dieses Umdenken muss jetzt stattfinden, sonst werden die Unternehmen abgehängt.“
So sieht das auch Christian Pyak, der sich als Berater darauf spezialisiert hat, hoch qualifizierte Ausländer wie Marais mit den Führungskräften der passenden Abteilung zusammenzubringen und die Personaler bewusst zu umgehen. „Sie sortieren sofort aus, wer nicht in die Norm passt“, argumentiert Pyak. „Abteilungsleiter hingegen erkennen im Gespräch schnell, welcher Kandidat kompetent ist. Die Sprache ist für sie zweitrangig.“ Deshalb müssten Führungskräfte den Personalabteilungen deutlicher machen, welche Fähigkeiten nötig sind – und welche eben nicht.
„In der IT lohnt es sich immer, international zu rekrutieren“, sagt Yilmaz. Zum einen, weil es in dem Bereich so wenige Experten gibt, zum anderen, weil er ohnehin durch englische Begriffe geprägt sei. Aber auch anderswo lohne ein genauer Blick. Werde etwa nach einem Buchhalter gesucht, der ausschließlich mit Lieferanten und Kunden im Ausland zu tun habe, muss der Bewerber nicht perfekt deutsch sprechen. „Eine Abrechnung bleibt schließlich eine Abrechnung, egal, in welcher Sprache“, sagt Yilmaz.
Bloß kein Perfektionismus
Der Spielwarenhändler Mytoys geht so schon seit Jahren vor. Seine 150 Mitarbeiter aus dem Techbereich kommen aus 36 Ländern von Indien über den Iran bis Spanien. „In diesen Abteilungen sprechen alle englisch miteinander“, sagt Steven Sprengel, der bei Mytoys die Mitarbeitersuche leitet. Er und seine Kollegen prüfen stets genau, wann es sich lohnt, eine Stelle auch auf Englisch auszuschreiben. „Verkäuferinnen und Verkäufer in der Filiale müssen natürlich deutsch sprechen, keine Frage“, sagt er.
Aber auch in seinem bisher rein deutschsprachigen Recruitingteam suchen sie nun auf Englisch. „Natürlich nimmt das am Anfang Zeit in Anspruch, wenn Teammeetings plötzlich auf Englisch stattfinden oder E-Mails auf Englisch verfasst werden“, gibt Sprengel zu. Aber man dürfe auch nicht zu viel Angst vor der Umstellung haben. „Es geht darum, sich verständigen zu können, nicht darum, perfektes Englisch zu sprechen.“
Diese gelebte Zweisprachigkeit ist, was vielen Unternehmen noch fehlt. Yilmaz empfiehlt ab und an Besprechungen auf Englisch abzuhalten, Englischkurse anzubieten oder den Mitarbeitern zu raten, Outlook auf Englisch zu nutzen, damit sich Vokabeln im Alltag einprägen. „All das baut Hürden im Kopf ab.“ Christian Pyak, der ausländische Experten vermittelt, rät Firmen ihren englischsprachigen Mitarbeitern zu Beginn einen festen Ansprechpartner zur Seite zu stellen, der nicht nur Fragen beantworten kann, sondern zur Not auch dolmetscht, falls es mal wirklich nur auf Deutsch gehe.
Auch Tandems zu bilden könne eine Lösung sein. „Viele Ältere wollen weniger arbeiten“, sagt Pyak. Sie würden deutsch sprechen und die Firma kennen, der Neue frische Ideen. Umdenken müssen Unternehmen wohl auch bei ihrem Selbstverständnis. „Die Fachkräfte aus dem Ausland wollen eine Karriere. Deutschland ist nur ein mögliches Ziel“, sagt Pyak. „Darum lernt niemand im Vorfeld eine Regionalsprache.“ Sondern dockt lieber woanders an. Malan Marias hat in den Niederlanden einen passenden Job gefunden. Im Sommer beginnt er seinen Job in Amsterdam bei einem E-Auto-Hersteller, einem der künftigen Rivalen deutscher Autokonzerne.
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