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Vielfalt: Performen divers besetzte Boards besser?

Unternehmensvorstände sind vielfältiger besetzt als je zuvor. Aber bringt das auch echte Veränderung? Eine Studie zeigt, welche Kriterien noch erfüllt sein müssen.

Mehr Diversität im Management – das Thema hat in Unternehmensleitungen und Politik hohe Priorität. Denn die Forschung zeigt, dass Heterogenität in Gruppen die Qualität der Entscheidungsfindung erhöht.

Doch Diversität allein reicht nicht. So gibt es kaum überzeugende Belege für einen Zusammenhang zwischen größerer Vielfalt in den Aufsichtsräten und bes­seren Unternehmensergebnissen. Eine aktuelle Studie der University of Central ­Arkansas fragt nach den Ursachen. Die Autorinnen und Autoren schlagen Bedingungen vor, die erfüllt sein müssen, damit sich Diversität in den Boards auch positiv auswirkt.

Das Wort führen weiße Männer

Dafür arbeitete ein Forschungsteam um Christopher Tuggle, Assistant Professor of Management an der University of ­Central Arkansas, mit 54 börsennotierten US-Unternehmen zusammen. Sie ­codierten die Protokolle aller Vorstands­sitzungen zwischen 1994 und 2006 und ermittelten, wie viele Minuten jedes Vorstandsmitglied gesprochen hatte. Codiert wurden die Teilnehmenden nach Geschlecht (weiblich oder männlich) und danach, ob es sich um schwarze oder weiße Personen handelte.

Es zeigte sich – wenig über­raschend –, dass Frauen und schwarze Vorstands­mitglieder in der ­Regel viel seltener das Wort ergriffen als weiße Männer. Im Durchschnitt sprach jeder weiße Mann 11 Prozent der ge­samten jährlichen Sitzungszeit, während jeder schwarze Mann nur 4 Prozent und jede Frau nur 8 Prozent der Zeit beanspruchte.

„Ohne die Beteiligung unterrepräsentierter Mitglieder des Boards“, kommentieren die Forschenden, „gehen die potenziellen Vorteile der Vielfalt verloren.“ Da die Vorstandsprotokolle vertraulich waren, erfolgte die Analyse ausschließlich quantitativ. Die Forschenden konnten nicht dokumentieren, warum Frauen und schwarze Boardmitglieder so zurückhaltend waren. Anekdotische Berichte deuten jedoch darauf hin, dass das Verhalten weißer männlicher Führungskollegen oft abschreckende Wirkung hat.

So zitieren Tuggle und sein Team die US-Marketingexpertin Liz Dolan, die 2015 aus dem Vorstand des Surfwear-Unternehmens Quiksilver ausgetreten war. Der Grund: Sie hatte erfahren, dass ihre männlichen Kollegen sie von wichtigen Gesprächen ausgeschlossen hatten. „Selbst wenn sich eine Frau einen Platz am Tisch verdient hat“, schrieb Dolan im Magazin „Fortune“, „können die Männer dich in eine schalldichte Kabine stecken.“

Es ist außerdem möglich, dass sich Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen unsicher fühlten und sich daher selbst zensierten. „Es ist zwar schwer vorstellbar, dass Unternehmenschefs eingeschüchtert sind“, so Tuggle. „Sie sind ja in der Regel sehr erfolgreiche und dynamische Menschen.“ Aber auch in einer Gruppe von Überfliegern spiele der relative Status eine wichtige Rolle.

Zwei Faktoren trugen dazu bei, die ­Beteiligung schwarzer und weiblicher ­Boardmitglieder zu erhöhen: erstens die Position, die sie vor ihrer aktuellen Tätigkeit innehatten, und zweitens die Zahl der Vertreterinnen und Vertreter unterrepräsentierter Gruppen in den Gremien.

So meldeten sich diejenigen, die schon zuvor eine hochrangige Position bekleidet hatten – etwa als CEO, Dekanin oder Präsident einer Universität oder eine wichtige politische Funktion – viel eher zu Wort als andere. Konnten weiße Sitzungsteilnehmerinnen entsprechende Stationen in ihren Berufsbiografien vorweisen, beteiligten sie sich im Schnitt mehr als doppelt so oft wie ihre Kolleginnen mit niedrigerem Status. Schwarze Männer mit hohem beruflichem Status ergriffen sogar zweieinhalb mal so oft das Wort wie ihre statusniedrigeren Kollegen. Auf die Beteiligung weißer Männer hatte der Status dagegen nur einen geringen Effekt – vermutlich, weil sie sich als Vertreter der Mehrheit insgesamt sicherer fühlten. „Personen mit hohem Prestige schienen selbstbewusster das Wort zu ergreifen“, schließt Christopher Tuggle, „und weiße Männer schienen ihnen in solchen Fällen das Feld zu überlassen.“

Was den zweiten Faktor betrifft, war die Beteiligung in Boards mit zwei oder mehr schwarzen oder weiblichen Mitgliedern höher als in Vorständen mit nur einem Mitglied einer unterrepräsentierten Gruppe. Dies deutet darauf hin, dass Mitglieder marginalisierter Gruppen untereinander trotz unterschiedlicher Hautfarbe oder Geschlechtszugehörigkeit eine Art Verwandtschaft spüren, die ihnen hilft, sich in der Gruppe zu behaupten.

Ein zweites Mitglied einer Minderheit zu rekrutieren könne ebenfalls etwas bewegen, heißt es in der Studie. Die Beteiligung von Vorständen aus unterrepräsentierten Gruppen stieg vor allem dann, wenn mindestens eine oder einer von ­ihnen schwarz oder weiblich war und über hochrangige Führungserfahrung verfügte. Diese Personen schienen als Vorbilder zu dienen und schufen ein Umfeld, in dem auch nicht weiße und nicht männliche Boardmitglieder ihre Meinung äußern konnten.

Ungeachtet dessen lassen sich mehrere Lehren für Entscheidungsträgerinnen und Unternehmensleitungen ziehen:

Auf Ausgewogenheit achten. Es genügt nicht, einem männlich und weiß besetzten Vorstand einfach ein oder zwei Frauen oder Angehörige gesellschaftlicher Minderheiten hinzuzufügen. „Vorstände sollten mehr über Verhältnismäßigkeiten nachdenken als über reine Zahlen“, sagt Studienleiter Tuggle.

Ämterhäufung zulassen. Richtlinien, die das Anhäufen vieler Boardmandate verhindern, sollten nach Sicht der Autorinnen und Autoren überdacht werden. Solche Regeln hätten zwar das Ziel, Männerbünde aufzubrechen und dadurch Vielfalt zu fördern. Sie können jedoch unbeabsichtigt den Einfluss hochrangiger weiblicher und sonstiger unterrepräsentierter Boardmitglieder einschränken.

Die Diskussionskultur verbessern. Zusätzlich können die Vorstandsvorsitzenden die Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen ermutigen, ihre Positionen zu wichtigen Themen vor den Sitzungen schriftlich darzulegen. Dies könne dazu beitragen, dass dominante Stimmen die Diskussion nicht allein beherrschten. Und schließlich helfe es auch, Gesprächs­regeln wie gegenseitiges Zuhören zu betonen und an die Gefahren des Gruppendenkens zu erinnern.

„Unsere Forschung zeigt, wie wichtig strukturelle Veränderungen sind, um die Vielfalt in den Vorständen zu erhöhen“, fasst das Forschungsteam die Erkenntnis­se der Studie zusammen. „Aber gute Führung ist genauso wichtig.“ © HBP 2022

Quelle: Christopher S. Tuggle et al.: „From Seats at the Table to Voices in the Discussion: Antecedents of Underrepresented Director Participation in Board Meetings“, Journal of Management Studies, Juli 2022

Dieser Beitrag erschien erstmals in der November-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.

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