Psychologie: Warum Hundebesitzer gern Aktien kaufen
In einer Studie haben Marketingforscher Hunde- und Katzenbesitzern erklärt, wie Aktien und Investmentfonds funktionieren – und dass Aktien riskanter sind. Als sie sich für eine Anlageform entscheiden sollten, gingen die Hundebesitzer ins Risiko. Katzenbesitzer wählten die vorsichtigere Variante. Zeigt unser Haustier, wie risikofreudig wir sind?
Von Amy Meeker
Harvard Business manager: Professor Yang, Sie behaupten ernsthaft, die Risikobereitschaft von Menschen hänge davon ab, ob sie Katzen oder Hunde lieber mögen?
Xiaojing Yang: Das Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern wird unter anderem von zwei gegensätzlichen Denkweisen bestimmt: dem sogenannten Promotions- und dem Präventionsfokus. Der erste ist geprägt von Ungeduld, Risikobereitschaft und Gewinnmaximierung, der zweite von Vorsicht, Risikoaversion und Verlustminimierung. Wir neigen dazu, Hunde wegen ihrer Offenheit und Anpassungsfähigkeit mit einem Promotionsfokus in Verbindung zu bringen. Katzen dagegen schreiben wir einen Präventionsfokus zu, denn sie sind meist vorsichtiger und distanzierter.
Meine Kollegen und ich glauben, dass der Kontakt mit Hunden oder Katzen uns an diese stereotypen Eigenschaften erinnert und damit verbundene Denkmuster aktiviert. Entsprechend bevorzugen wir entweder Produkte, die riskant sind und mit positiven Ergebnissen beworben werden, oder solche, die risikoarm sind und negative Ergebnisse verhindern sollen.
Warum sollten Assoziationen mit Haustieren so eine Wirkung haben?
Soziale Einflüsse steuern, wie wir Entscheidungen treffen und Ziele verfolgen. Bei einem fröhlichen Treffen mit Freunden konzentrieren wir uns womöglich eher auf den Promotionsfokus, während der Ausschluss aus einer Gruppe den Präventionsaspekt verstärkt. Haustiere sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Sie sind ein wichtiger Teil unserer Sozialisierung, beeinflussen unsere Einstellung und unseren kognitiven Stil. Das gilt auch für Menschen, die keine eigenen Haustiere haben, sondern nur beobachten, wie andere mit Tieren umgehen.
Welche anderen Produkte außer Aktien haben Sie getestet?
Wir haben insgesamt elf Studien durchgeführt. In einer davon ging es um Zahnpasta für Haustiere. Wir haben die Probanden nach dem Zufallsprinzip angewiesen, über eine Zeit zu schreiben, in der sie sich entweder mit einem Hund oder einer Katze beschäftigten. Dann sahen sie zwei Versionen einer Zahnpastawerbung und gaben an, welche sie bevorzugten. Eine Version hob positive Ergebnisse hervor: „Unser Produkt gibt Ihrem Hund/Ihrer Katze frischen Atem und stärkt den Zahnschmelz.“ In der anderen Version ging es darum, Negatives zu vermeiden: „Unser Produkt beugt Zahnfleischentzündungen bei Ihrem Tier vor und bekämpft die Plaquebildung.“ Diejenigen, die über Hunde geschrieben hatten, fanden die erste Werbung besser, die andere Gruppe präferierte die zweite Werbung.
Außerdem haben wir Tests mit Artikeln gemacht, die nichts mit Tieren zu tun hatten. Personen, die an Hunde gedacht hatten, wollten eher Geld für die Chance auf einen Lotteriegewinn eintauschen, als solche, die Katzen im Sinn hatten. Sie boten deutlich mehr Geld für eine Massage an, die den Stoffwechsel anregen und die Immunität stärken sollte, als für eine, die Verspannungen lösen und Schmerzen lindern sollte. Ähnlich lief es bei einer Sneaker-Werbung, die positive Ergebnisse in den Vordergrund stellte: Teilnehmer, die an Hunde gedacht hatten, gaben höhere Gebote für die Schuhe ab als jene, die an Katzen gedacht hatten. Ging es in der Werbung um Prävention, wollte die zweite Gruppe mehr Geld dafür ausgeben.
Wie sind Sie beim Priming vorgegangen, damit Ihre Probanden an das eine oder andere Haustier dachten?
In einigen Experimenten haben wir sie gebeten, über eine frühere Erfahrung mit Hunden oder Katzen zu schreiben – wie in der Studie mit der Zahnpasta. In anderen Experimenten sollten sie Kalender mit Hunde- oder Katzenmotiven kommentieren, oder wir zeigten ihnen Anzeigen und Werbevideos mit Hunden oder Katzen. Das Muster war identisch, egal welche Methode wir verwendet hatten.
Nicht alle Haustiere entsprechen dem Stereotyp. Manche Hunde sind scheu und ängstlich, manche Katzen so gesellig wie ein Hund. Würde das Ihre Ergebnisse nicht beeinflussen?
Das ist eine gute Frage. In der Tat haben wir das in einem Experiment getestet. Wir teilten die Teilnehmer in Hunde- und Katzengruppen ein und ließen sie einen kurzen Text lesen. Darin stand, dass zwar einige Exemplare der betreffenden Tierart deren stereotype Eigenschaften zeigen, aber nicht alle. Die Hälfte der Gruppe sollte dann über eine Begegnung mit einem stereotypen Exemplar schreiben; die andere Hälfte schrieb über ein nicht stereotypes Tier. Dann fragten wir alle Probandinnen und Probanden, ob sie lieber in Aktien oder in Investmentfonds investieren würden. Diejenigen, die über stereotype Hunde geschrieben hatten, bevorzugten weit häufiger Aktien als diejenigen, die über stereotype Katzen geschrieben hatten. Letztere bevorzugten meist Investmentfonds. Bei denjenigen, die über nicht stereotype Tiere geschrieben hatten, gab es keinen Unterschied.
Wie können Führungskräfte Ihre Ergebnisse nutzen?
Wenn die Eigenschaften eines Produkts promotionsorientiert sind, können Unternehmen in ihren Marketingmaterialien Hunde zeigen. Wenn es eher um Prävention geht, sind Katzen die bessere Wahl. Dabei müsste die Werbung stereotypes Verhalten der Haustiere zeigen.
Marketingfachleute könnten auch Informationen darüber sammeln, welche Kundinnen und Kunden welche Haustiere halten. Diese Daten lassen sich aus Produktkäufen, Onlineaufrufen von Haustiervideos und Ähnlichem zusammentragen, was durch Big Data einfach zu machen ist. So können sie Tierbesitzern unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen vorschlagen und ihre Werbebotschaften entsprechend gestalten. Wenn sie etwa Hundebesitzer ansprechen wollen, könnten sie Produktmerkmale hervorheben, die mit dem Erreichen positiver Ziele zusammenhängen.
Bringt Ihre Forschung Erkenntnisse über das Konsumverhalten hinaus?
Ja, die gibt es. In einer unserer Studien ging es gar nicht um Konsumgüter. Sie befasste sich mit den Reaktionen auf die Pandemie und zeigte eine ähnliche Diskrepanz zwischen Hunde- und Katzenbesitzern. Wir nutzten Informationen der Vereinigung amerikanischer Veterinärmediziner, um den Anteil der Haushalte mit Hunden und Katzen in jedem US-Bundesstaat zu berechnen. Anschließend haben wir anhand von Daten der Gesundheitsbehörde CDC die Corona-Fälle pro Kopf von Januar bis November 2020 ermittelt. Als wir die Datensätze verglichen, sahen wir, dass sich Menschen in Bundesstaaten mit überwiegender Hundehaltung häufiger infizierten als dort, wo mehrheitlich Katzen gehalten werden – selbst wenn wir die politische Tendenz der Staaten herausrechneten.
Eine ergänzende Studie mit Daten von Google Trends zeigte, dass Menschen in Bundesstaaten mit überwiegender Hundehaltung eher nach pandemietypischen Begriffen mit Promotionsfokus suchten, etwa „dining in“ (in Restaurants essen gehen). Und sie suchten seltener nach präventionsbezogenen Begriffen wie „Social Distancing“. Die Politik könnte dies nutzen, wenn neue Infektionskrankheiten ausbrechen, und Informationskampagnen an die Bundesstaaten anpassen. So ließe sich deren Wirksamkeit erhöhen.
Wollen Sie dieses Thema noch weiter erforschen?
Wir würden gern untersuchen, ob der Besitz von Haustieren Prestigekäufe beeinflusst. Unsere Vermutung ist, dass Hundebesitzer eher zu solchen Käufen neigen, das passt zur Offenheit und Ausstrahlung ihrer Haustiere. Katzenbesitzer dagegen meiden wahrscheinlich eher die große Öffentlichkeit. © HBP 2023
Xiaojing Yang
Jeden Monat überprüfen wir die Thesen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Dieses Mal sprach Amy Meeker, Redakteurin der Harvard Business Review, mit Xiaojing Yang, Associate Professor für Marketing an der University of South Carolina in den USA. Im Interview geht es um eine Studie, für die Yang mit den Marketingprofessoren Lei Jia und Yuwei Jiang zusammengearbeitet hat.
Dieser Beitrag erschien erstmal in der Mai-Ausgabe 2023 des Harvard Business managers.
