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Künstliche Intelligenz kommt in immer mehr Bereichen der Arbeitswelt zum Einsatz. - Foto: picture alliance/dpa
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Was Chefs und Mitarbeiter jetzt zu KI lernen müssen

Seit Februar gilt die KI-Verordnung der EU. In Unternehmen wirft sie viele Fragen auf: Wer muss sich nun wie schnell fortbilden – und welche Sanktionen drohen, wenn das nicht passiert?

Düsseldorf. In der Europäischen Union gelten neue Regeln für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI). Seit diesem Monat sind Unternehmen, die ChatGPT, Deepseek oder ähnliche Software einsetzen, verpflichtet, ihre Beschäftigten dazu fortzubilden. Ziel: ein sicherer und ethisch korrekter Umgang mit KI-Systemen.

Die als „AI Act“ bekannte EU-Verordnung wird eine digitale Schulungsoffensive in den Betrieben auslösen. Arbeitgeber sollen ihren Angestellten künftig praktisches Know-how zur Funktionsweise und den Einsatzmöglichkeiten von KI vermitteln, aber auch Chancen und Grenzen der Technik bewusst machen und den rechtlichen Rahmen für ihren Einsatz vermitteln.

Rechtsanwalt Andreas Mauroschat von der internationalen Wirtschaftskanzlei Ashurst sowie Stephan Wolf von Management Circle, einem Schulungsanbieter für Fach- und Führungskräfte, geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema KI-Fortbildung.

Woraus genau leitet sich die KI-Fortbildungspflicht von Unternehmen ab?

Basis ist die EU-Verordnung 2024/1689. Sie wurde im August 2024 erlassen, um europaweit einen sicheren und transparenten Einsatz von KI-Systemen zu gewährleisten. Seit dem 2. Februar 2025 greift die darin enthaltene Fortbildungsverpflichtung.

Für welche Unternehmen gilt die neue KI-Fortbildungspflicht?

Alle Arbeitgeber, die KI entwickeln, betreiben oder nutzen, müssen dazu schulen. „Unternehmensgröße, Umsatzvolumen oder Mitarbeiterzahl spielen grundsätzlich keine Rolle“, sagt Jurist Andreas Mauroschat, der die Praxisgruppe Arbeitsrecht und Datenschutz bei Ashurst leitet.

Welche Mitarbeiter müssen geschult werden?

Grundsätzlich sind alle Angestellten vom Azubi bis zum Vorstandschef zu schulen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit KI-Systeme nutzen. Jurist Mauroschat erläutert: „Das können Büroangestellte, aber auch Kollegen in der Werkshalle sein, denen KI zum Beispiel bei der Produktion oder der Qualitätskontrolle hilft.“

Muss der Arbeitgeber KI-Nutzung anordnen, damit die Fortbildungspflicht für Mitarbeiter greift?

Die Schulungspflicht gelte, egal, ob der Chef den KI-Einsatz beim einzelnen Mitarbeiter konkret angeordnet habe oder nicht, so der Jurist. Wenn ein Unternehmen den Einsatz von KI-Systemen für dienstliche Zwecke verhindern oder gezielt steuern will, sollte es das ausdrücklich tun, am besten in Form einer internen KI-Richtlinie.

Was sagt die EU-Verordnung zu den Inhalten und Kompetenzen, die vermittelt werden sollen?

Grundsätzlich sieht Stephan Wolf vom Seminaranbieter Management Circle folgende Felder, in denen Wissen vermittelt werden sollte: Zunächst gehe es um die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz: „Also, was genau ist KI, wie funktionieren neuronale Netze, Datenanalyse und maschinelles Lernen und wofür lässt sich KI praktisch nutzen?“

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Außerdem sollten ethische und gesellschaftliche Aspekte thematisiert werden wie das Problem programmierter Vorurteile in der jeweiligen Software und mögliche Diskriminierung durch KI-Systeme. Aber auch die mangelnde Transparenz von Algorithmen und die Tatsache, dass ihre Ergebnisse schwer nachvollziehbar sind, sollten angesprochen werden.

Daraus ergebe sich als weiterer Schulungsaspekt, welche Verantwortung Unternehmen bei der Nutzung von KI haben. Was wiederum zu weiteren Schulungsschwerpunkten führt.

Dazu zählen die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in der EU den Einsatz von KI regeln, die unternehmenseigenen Richtlinien sowie das notwendige Risikomanagement, zu dem Unternehmen verpflichtet sind.

Schließlich wird noch über Haftungsdetails aufgeklärt, die bei Schäden, die durch Fehler von KI-Systemen selbst oder durch falsche Bedienung oder Missbrauch relevant sein können.

Jurist Mauroschat ergänzt, dass neben dem allgemeinen Teil für bestimmte Nutzergruppen spezifische Trainingsmodule sinnvoll seien, da sie mit speziellen „Risikosituationen“ in der täglichen Arbeit konfrontiert sind. Er nennt vier typische Gruppen:

  • IT-Abteilung in ihrer Doppelrolle als Überwacher und Nutzer der KI

  • Compliance- und Rechtsabteilung

  • Personalabteilung

  • operative Abteilungen, z. B. Produktion, Vertrieb und Marketing

Müssen die Schulungen an verschiedene Wissensniveaus angepasst sein?

Nicht alle Beschäftigten haben denselben Kenntnisstand. Es ist wichtig, die Schulungen nicht nur auf unterschiedliche Zielgruppen abzustimmen, sondern auch die Trainingsgruppen abzustufen etwa nach Anfängern, Fortgeschrittenen und Profis. Da sind sich die beiden Experten einig.

Darf der Arbeitgeber Mitarbeiter auch von Schulungen ausnehmen?

Jurist Mauroschat sagt, dass dies grundsätzlich möglich sei. „Ein Arbeitgeber kann in seinem Schulungskonzept darlegen, dass er zum Beispiel seine Beschäftigten an der Abfüllanlage nicht schult, weil sie nicht mit KI arbeiten.“

Wer darf Mitarbeiter in Sachen KI fortbilden?

Der AI Act enthält keine konkreten Vorgaben oder vorgeschriebene Zertifizierungen für die Trainer, sagt Jurist Mauroschat. Möglicherweise werden die EU-Kommission oder die Bundesnetzagentur als vorgesehene Marktüberwachungsbehörde künftig hierzu genauere Leitlinien vorgeben.

Bis zum 2. August 2025 habe Deutschland allerdings noch Zeit, die Marktüberwachungsbehörde erst einmal offiziell zu benennen. „Entscheidend ist, dass die Beschäftigten die notwendige KI-Kompetenz vermittelt bekommen, damit sie im Umgang mit KI sattelfest sind. Das kann zum Beispiel über Workshops mit versierten Kollegen erfolgen, aber auch über Onlinekurse oder durch Trainings von Anbietern der genutzten KI-Systeme“, sagt Mauroschat.

Müssen Arbeitgeber nachweisen, dass sie ausreichend geschult haben?

Mauroschat: „Der AI Act sieht keine Nachweispflicht für die Fortbildung von Mitarbeitern in Sachen KI gegenüber einer Behörde vor. „Aber das heißt nicht, dass sich Chefs jetzt zurücklehnen könnten“, warnt der Frankfurter Jurist.

Aus eigenem Interesse gelte es, durch gutes Training das Haftungsrisiko beim Umgang mit KI zu senken. Eine naive oder unsachgemäße Nutzung von KI könne zum Beispiel Urheberrechte oder die Kennzeichnungspflicht KI-generierter Inhalte verletzen.

Wirtschaftliche und rechtliche Risiken drohten zudem, wenn ungeschulte Mitarbeiter unabsichtlich Geschäftsgeheimnisse oder sensible Kundendaten verrieten, indem sie diese in Übersetzungs-KI wie DeepL oder Online-Chatbots wie Deepseek oder Copilot eingäben.

Komme es dann zu einem Gerichtsprozess im Zusammenhang mit KI, könne ein Verschulden des Unternehmens naheliegen – wenn „es keine ordnungsgemäßen Schulungen nachweisen kann“, sagt Anwalt Mauroschat.

Außerdem könnte die künftige Aufsichtsbehörde tätig werden, wenn es Beschwerden von Angestellten oder Betriebsräten gäbe, die sich oder die vertretene Belegschaft nicht ausreichend trainiert fühlten. Dann könnte die Behörde das Trainingskonzept und die KI-Richtlinien eines Unternehmens überprüfen.

Was droht als Strafe, wenn der Arbeitgeber nicht schult?

Die EU-Verordnung lässt offen, wie die Schulungspflicht durchgesetzt werden soll und welche Strafen bei einem Verstoß drohen. „Es wird dazu nationale Regelungen geben.“ Diese müssen in Deutschland bis zum 2. August 2025 umgesetzt werden. „Ein Gesetzentwurf inklusive eventuellen Bußgeldrahmens wird erst von der künftigen Bundesregierung vorgelegt werden“, vermutet Mauroschat.

Bekommen Mitarbeiter die KI-Schulung bescheinigt?

Dazu macht das EU-KI-Gesetz keine Vorgaben. Experte Mauroschat: „Es bleibt dem Arbeitgeber überlassen, ob und wie er seinen Mitarbeitern das neue Know-how bestätigt.“ Kursteilnehmer, die eine externe Schulung besuchen, haben da mitunter einen Vorteil, sagt Stephan Wolf vom Seminaranbieter Management Circle. Hier gibt es Zertifikate, die sich auch einer Bewerbung beifügen ließen.

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Müssen Mitarbeiter die KI-Fortbildung nach einem Jobwechsel neu durchlaufen?

Nicht zwingend, sagt Arbeitsrechtler Mauroschat. Aber es sei sinnvoll, dass alle neuen Mitarbeiter die KI-Fortbildung absolvieren, selbst wenn sie schon ein Training bei ihrem alten Arbeitgeber gehabt hätten.

Schließlich vermittele das Training idealerweise sehr konkretes Wissen zum Umgang mit KI-Systemen im jeweiligen Unternehmen und zu seinen internen Regelungen dazu. Das sei von Unternehmen zu Unternehmen verschieden, so der Jurist.

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