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Rund 1,5 Millionen Suchanfragen nach Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten verzeichneten Personalberatungen.
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Bis zu 180.000 Euro Gehalt: Das müssen ESG-Manager wirklich können

ESG-Manager werden dringend gesucht. Viele Bewerber aber haben ein verklärtes Bild von dem Beruf. Was Sie wirklich brauchen, um den Job zu meistern.

Berlin. Drei Buchstaben vermögen es, Unternehmen gerade unter Druck zu setzen: ESG, ein Akronym für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Dahinter steckt eine Forderung, die Gesetzgeber und Investoren an Organisationen stellen: Sie sollen dokumentieren, wie sozial, ökologisch und gesellschaftlich wertvoll ihr Geschäft ist.

Eine der wichtigsten Richtlinien ist das Lieferkettensorgfaltsgesetz, das für Firmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden gilt. Schon 2024 soll die Berichtspflicht auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden ausgeweitet werden.

Um diesen Vorgaben nachzukommen, brauchen Unternehmen geeignete Köpfe: Rund 1,5 Millionen Suchanfragen nach Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten verzeichneten Personalberatungen hierzulande zuletzt. Das geht aus Zahlen des Personaldienstleisters Hays für das vergangene Geschäftsjahr hervor. Gefragt sind einerseits junge Uni-Absolventen – und andererseits ein bestimmter Typus Quereinsteiger. Wer im Bereich ESG-Management die besten Chancen hat, in welchen Nachhaltigkeitsjobs sogar sechsstellige Gehälter locken und welchen Mythen Sie als Kandidat nicht glauben sollten, lesen Sie hier.

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ESG: Hohe Nachfrage bei Unternehmen treibt Gehälter

Wie wichtig ESG-Fachleute für Unternehmen sind, weiß auch Inga Dransfeld-Haase. Die HR-Expertin ist Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM). Sie und ihre Personalerkollegen sind auf der Jagd nach immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten. „Durch die neuen Gesetze wie etwa das Lieferkettensorgfaltsgesetz steigt der Bedarf an Spezialistinnen und Spezialisten“, sagt sie.

„Zur Erfüllung der Compliance-Anforderungen müssen teils umfangreiche neue Reportings erstellt werden, die nicht ,einfach nebenbei‘ von den Fachabteilungen on top übernommen werden können“, so Dransfeld-Haase. Mit der schrittweisen Ausweitung der Regularien auf kleinere Unternehmen werde immer mehr Arbeit anfallen. Parallel wachse auch das gesellschaftliche und unternehmerische Bewusstsein für Nachhaltigkeit. All das erhöhe die Nachfrage nach ESG-Fachleuten.

Diese hohe Nachfrage treibe auch die Gehälter nach oben, sagt Sebastian Nobbe, Senior-Abteilungsleiter Finance und HR beim Personaldienstleister Hays. „Berufseinsteiger mit entsprechend qualifizierter Ausbildung – etwa einem Master oder einem Master of Business Administration (MBA) – liegen meist zwischen 55.000 und 68.000 Euro brutto im Jahr.“

Kandidatinnen und Kandidaten, die von einer renommierten Privatuni kämen, könnten zum Einstieg sogar schon mit 70.000 Euro brutto im Jahr rechnen. Mit zwei Jahren Berufserfahrung landen Talente laut Nobbe im Schnitt bei 70.000 bis 80.000 Euro jährlich.

Wer dann als Nachhaltigkeitsmanager in einer Stabsstelle tätig werde – also beispielsweise als direkt an den Vorstand Berichtender, aber noch ohne disziplinarische Personalverantwortung –, komme je nach Unternehmensform auf 80.000 bis 100.000 Euro im Jahr. Für Nachhaltigkeitsmanager, die Teamverantwortung übernehmen, seien schließlich 100.000 bis 150.000 Euro jährlich üblich, in Dax-Konzernen bis zu 180.000 Euro.

ESG-Management: Wenn Idealismus an der Firmenrealität scheitert

Attraktive Gehälter und ein sinnvoller Job, mit dem man ein Stück weit die Welt rettet: Ganz so traumhaft ist die Realität des ESG-Managements aber nicht. Die Young Professionals, die sich für eine Karriere im Bereich ESG entscheiden, seien häufig sehr idealistisch, was das Thema Nachhaltigkeit anbelange, sagt Hays-Experte Nobbe. „Sie zeigen gern, dass sie sich fachlich auskennen, und glauben häufig, dass dieses Wissen dann genügt, um die Karriereleiter hochzuklettern. Allerdings scheitert dieser Idealismus nicht selten an der Unternehmensrealität.“

Die Aufgaben in dieser Realität sind oft trocken und langwierig. Die Nachhaltigkeitsexperten müssen die Geschäftsführung hinter ihre teils ehrgeizigen Ziele bringen, Kosten-Nutzen-Betrachtungen anstellen, dem Management plausibel machen, welche Reportingkosten anfallen, oder ermitteln, ob und wo das Unternehmen seine ESG-Investitionen auf höhere Preise umlegen kann.

Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit kennt auch Inga Dransfeld-Haase. Gesetzliche Vorgaben umsetzen, Reportings schreiben, Daten aus anderen Fachabteilungen zusammentragen – das könne eine „zähe Angelegenheit“ sein. „Ich bekomme durch Personalerinnen und Personaler gespiegelt, dass gerade neue Mitarbeitende im Bereich ESG berichten, dass die ESG-Arbeit aus ihrer Sicht im Unternehmen erst mal wenig unmittelbaren Einfluss auf das Thema Nachhaltigkeit zu haben scheint“, sagt Dransfeld-Haase. „Sollte das die Motivation für das Studium gewesen sein, kann das zu Enttäuschung führen.“

Gute Personaler könnten hier aber vorbeugen, so Dransfeld-Haase – indem sie Kandidatinnen und Kandidaten bereits im Rekrutierungsprozess ein realistisches Bild von deren späterer Arbeit vermitteln. Auch Sebastian Nobbe sieht Unternehmen hier in der Verantwortung. „Am besten erläutert man gleich auf der Karriereseite, was ESG und Nachhaltigkeit für das Unternehmen bedeuten.“

Geschickte Unternehmen, meint Nobbe, nutzen die Chance, ihre jungen Talente im Bereich ESG „on the job“ aufzubauen – sodass sie später möglicherweise den gesamten Bereich verantworten können. „Das schafft Bindung und Zugehörigkeit.“ Aber: „Man muss auch sehen, dass Young Talents das Thema ESG unmöglich allein im Unternehmen etablieren können.“ Dazu fehle ihnen sowohl das Standing im Unternehmen als auch die praktische Erfahrung in Sachen Stakeholder-Management. Es brauche immer auch erfahrene Kolleginnen und Kollegen, um das auszugleichen.

Auch Personalexpertin Inga Dransfeld-Haase weiß, wie wichtig es ist, dass ESG-Spezialisten einen guten Draht zu verschiedenen Stakeholdern wie der Geschäftsführung oder anderen Fachbereichen haben. „Als ESG-Spezialistin oder -Spezialist arbeitet man an einem Querschnittsthema.“ Kollegen aus unterschiedlichen Fachbereichen müssten über komplexe Sachverhalte informiert und eingebunden werden, sie müssten dazu gebracht werden, Teilarbeiten fristgerecht zu liefern. „Die Interessen der diversen Stakeholder im Blick zu behalten und in eine einheitliche ESG-Strategie zu überführen, bedarf eines guten Fingerspitzengefühls und Empathie.“

Die wichtigsten Studiengänge und Zertifikate für ESG

Über solche „Soft Skills“ hinaus gibt es auch klar definierte Qualifikationen, die die Chancen von Bewerberinnen und Bewerbern im Bereich ESG erhöhen. Der Personaldienstleister Hays hat für das Handelsblatt exemplarisch einige der wichtigsten Studiengänge und Zertifikate zusammengestellt. Die Liste basiert auf Erfahrungen, die Hays-Experten beim Vermitteln von Kandidaten gemacht haben:

1) Relevante ESG-Studiengänge

  • Sustainability Management

  • Global Sustainability

  • Umweltsysteme und Nachhaltigkeit

  • Monitoring, Modellierung und Management

  • Umweltmanagement

  • Nachhaltige Unternehmensführung / Sustainable Leadership

  • Climate Science

  • Sustainability in Enterprise

2) Relevante ESG-Zertifikate

  • Certified Environmental, Social and Governance Analyst (CESGA)

  • Nachhaltigkeitsmanagement (zum Beispiel von der Industrie- und Handelskammer)

  • Green and Sustainable Finance Professional (GSFP)

  • Sustainable and Responsible Investment

  • Diploma in Green and Sustainable Finance

  • Certified Climate Risk Professional (CRP)

Doch auch wer (noch) keine dieser Qualifikationen in der Tasche hat, kann sich dem Nachhaltigkeitsbereich annähern – auch im eigenen Unternehmen. „Meist sind es Beschäftigte aus dem Qualitätsmanagement, dem Supply-Chain-Management oder dem EHS-Management, die sich durch Zusatzqualifikationen zum Nachhaltigkeitsmanager weiterbilden“, sagt Sebastian Nobbe von Hays. EHS steht für Environment (Umweltmanagement), Health (Gesundheitsschutz) und Safety (Arbeitssicherheit).

Wer aus einem der drei genannten Bereiche komme und sich fortbilde, habe mindestens genauso gute Chancen auf eine Karriere im Bereich Nachhaltigkeit wie junge Menschen mit den entsprechenden Studienabschlüssen, sagt Nobbe.

Auch Personalexpertin Dransfeld-Haase glaubt, dass es sich für bestimmte Fachexpertinnen und -experten besonders lohnen kann, sich in Sachen ESG weiterzubilden. „Das Anforderungsprofil für ESG erfüllen Mitarbeitende aus unterschiedlichen bestehenden Abteilungen – etwa Legal oder Finance – in großen Teilen bereits heute. Sie können bei Interesse gut für den ESG-Bereich weitergebildet werden.“

Und für welche Persönlichkeit ist eine ESG-Karriere nun etwas? „Für jeden, der einen Sinn darin sieht, eine Organisation über Nachhaltigkeit auf ganzer Linie zukunftsfähig zu machen“, meint Sebastian Nobbe. Wichtig sei nur, dabei die Realität nicht aus den Augen zu verlieren. „Wenn es hart auf hart kommt, ist die Unternehmensperformance im kommenden Quartal immer entscheidender, als langfristig nachhaltig zu agieren.“ Das müsse allen ESG-Experten klar sein.

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