Bisheriges Gehalt im Vorstellungsgespräch nennen? Experten-Tipps für die richtige Reaktion
Im Bewerbungsgespräch fragen Personaler oft nach dem aktuellen Verdienst. Und dann? Die Wahrheit sagen oder die Wahrheit dehnen? Was Bewerber tun sollten.
Früher oder später fällt die Frage nach den Gehaltsvorstellungen in jedem Vorstellungsgespräch. Worauf manche Bewerber aber nicht vorbereitet sind: Oft erkundigen sich Personaler auch danach, was ein Kandidat bei seinem aktuellen Arbeitgeber verdient. Die Antwort soll den Rahmen abstecken, in dem sich die anschließende Gehaltsverhandlung bewegt.
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Bewerber müssen sich entscheiden: Sollen sie die Frage ehrlich beantworten, eine Antwort charmant verweigern – oder lügen, um mehr Geld herauszuholen? Gerade Option drei klingt vielleicht verlockend, doch sie birgt Gefahren, die am Ende sogar den neuen Job kosten können. Das Handelsblatt hat drei Experten gefragt, welche Antwortmöglichkeit die beste ist. Hier erklären sie, wie Sie gut reagieren.
Claudia Kimich, Verhandlungsexpertin aus München, findet: So reizvoll es erscheinen mag, sich mit einer Lüge in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen – Kandidaten sollten hier vorsichtig sein.
Besonders Bewerber, die generell zur Nervosität neigen, sollten sich genau überlegen, ob sie souverän flunkern können. Bekomme ein Kandidat nämlich schwitzige Hände, laufe rot an oder verhaspele sich bei seiner Antwort auf die Gehaltsfrage, merke das Gegenüber meist schnell, dass etwas nicht stimme. „Der Personaler assoziiert das vielleicht nicht sofort mit einer Lüge“, sagt Kimich. „Es bleibt allerdings ein negatives oder zumindest komisches Gefühl.“
Frage nach aktuellem Gehalt im Vorstellungsgespräch meist zulässig
Auf einem anderen Blatt steht, ob der Bewerber die Unwahrheit sagen darf. Denn lügen ist im Bewerbungsprozess nur erlaubt, wenn der Arbeitgeber sich nach etwas Unzulässigem erkundigt – wie etwa nach einer Schwangerschaft oder einer Krankheit.
Die Frage nach dem vorherigen Gehalt gehört laut dem Berliner Arbeitsrechtsanwalt Pascal Croset nicht zwingend dazu. Lässt sich zum Beispiel vom Gehalt auf die Fähigkeiten eines Bewerbers schließen, ist die Frage zulässig. Ebenso, wenn der Bewerber seinen bisherigen Verdienst selbst zum Thema macht. „Also relativ oft“, sagt Croset.
Kommt die Lüge im Nachhinein heraus, könnte der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag theoretisch anfechten. In der Praxis gestaltet sich das allerdings als schwierig. „Unabhängig davon sollten Angestellte aber bedenken: Während der ersten sechs Monate kann der Arbeitgeber grundlos kündigen“, sagt Arbeitsrechtler Croset.
Frage nach aktuellem Gehalt: Gekonnt kontern bei der Gehaltsverhandlung
Auch wenn zulässig: Es muss niemand antworten, wenn sich der Personaler im Jobinterview nach dem aktuellen Gehalt erkundigt. Möglich ist aber, dass dem Bewerber ein Nachteil entsteht, wenn er die Antwort einfach verweigert. Wer die Info für sich behalten, seinen Gesprächspartner aber dennoch nicht vor den Kopf stoßen will, der kann sich mit Humor und Schlagfertigkeit behelfen, sagt Claudia Kimich.
Ihr Tipp: Die Frage nach dem aktuellen Gehalt mit der Antwort kontern: „Deutlich zu wenig.“ Danach könne man dann galant dazu überleiten, warum man eigentlich viel mehr verdienen sollte. Das nehme die Spannung aus dem Gespräch, sagt Kimich, und lenke den Fokus gleichzeitig auf das, was bei einer Verhandlung zählen sollte: nämlich die Fähigkeiten, die ein Kandidat mitbringt.
Im Vorstellungsgespräch vom bisherigen Gehalt ablenken
Wem das zu flapsig ist, der kann auch angeben, aus Loyalität zu seinem vorherigen Arbeitgeber keine konkrete Summe nennen zu wollen. Ein gutes Argument an dieser Stelle: Gewiss ist es auch im Interesse des potenziellen neuen Arbeitgebers, dass seine ehemaligen Mitarbeiter ihre Gehälter dort später nicht öffentlich machen.
Dazu meint Patrick Pieles, Vice President bei der Personalberatung Robert Half und Experte für Bewerbungsprozesse: „Eine Antwort in diese Richtung sollte stets mit der eigenen Gehaltsvorstellung verknüpft und formuliert werden.“ Andernfalls entstehe schnell der Eindruck, der Bewerber tappe im Dunklen und kenne seinen eigenen Marktwert nicht.
Bohrt der Personaler weiter nach, kann der Bewerber laut Pieles auch vom Gehalt ablenken, indem er antwortet, dass dieses für ihn nicht der einzige ausschlaggebende Faktor ist. So weicht er nicht nur der Frage aus, sondern kann gleich Benefits wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, Dienstfahrzeuge oder Zuschüsse ins Spiel bringen. „Die Bandbreite ist inzwischen sehr groß, und Unternehmen sind bereit, Zugeständnisse zu machen“, sagt Pieles.
Gehaltsverhandlung: Niedriges Gehalt ist nicht unbedingt ein Nachteil
Die dritte Option ist Ehrlichkeit. Auch wenn das Gehalt beim aktuellen Arbeitgeber niedrig ist, muss das kein Verhandlungskiller sein. Kandidaten sollten in diesem Fall selbstbewusst dazu stehen, beim alten Arbeitgeber nicht gut verhandelt zu haben, rät Claudia Kimich. Und danach anbringen, dass sie nun wechseln wollen, um mehr zu verdienen – und denselben Fehler nicht noch einmal zu machen.
Den gewünschten Gehaltssprung sollte ein Kandidat dabei immer gut begründen können. „Der Deal heißt Leistung gegen Geld“, sagt Kimich. Wichtig ist, dass der potenzielle neue Arbeitgeber den Mehrwert für sein Unternehmen deutlich erkennen könne – und der Bewerber in etwa wisse, wie hoch sein Marktwert ist. Er kann dem Personaler etwa von seiner beruflichen Weiterentwicklung in den vergangenen Jahren erzählen oder von größeren Projekten.
Am Ende sei die wichtigste Frage in jedem Vorstellungsgespräch: Was kann ein Kandidat – und was ist er damit wert? Alles, was darüber hinausgehe, seien nur „Killerphrasen auf der Machtebene“, findet Kimich.