Bossing: Was tun, wenn eine Führungskraft Dich mobbt?
Gemobbt zu werden, ist eine traumatische Erfahrung und die Konsequenzen können alles andere als harmlos sein. Noch schlimmer wird die Situation, wenn durch Vorgesetzte gemobbt wird und somit ungleiche Machtverhältnisse bestehen – beim sogenannten Bossing.
Mobbing ist ein Begriff, mit dem sicherlich jeder etwas anfangen kann. Viele Menschen haben eine solche Situation in ihrem (Arbeits-) Leben bereits beobachtet, waren vielleicht sogar selbst betroffen. Mobbing wird definiert als psychische Gewalt, die regelmäßig sowie wiederholt stattfindet. Sie kann unterschiedliche Formen annehmen und durch Einzelpersonen oder ganze Gruppen ausgeübt werden. Dass die Folgen für die Betroffenen verheerend sind, ist mittlerweile bekannt: neben einer Kränkung, dem Verlust des Selbstwertgefühls oder einer nachlassenden Leistungsfähigkeit können durch Mobbing auch ernstzunehmende psychische oder physische Erkrankungen entstehen. Schlimmstenfalls enden diese mit dem Tod, beispielsweise durch einen Schlaganfall oder durch Suizid. All das gilt ebenso im Fall von Bossing.
Mögliche Anzeichen, dass Dein·e Chef·in Dich mobbt
Prinzipiell unterscheidet sich Bossing nicht von Mobbing und kann demnach dieselben Konsequenzen haben. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass durch eine Person gemobbt wird, die hierarchisch über Dir steht. Das macht es noch schwieriger, Dich gegen das Mobbing zu wehren – oder dieses überhaupt zu erkennen. Die Grenzen zwischen normalen und unrealistischen Anforderungen, sachlicher Kritik und persönlichen Anfeindungen oder einer berechtigten und einer unberechtigten Abmahnung sind schließlich fließend. Diese sind nur einige von vielen Beispielen, wie Bossing aussehen kann. Wenn Du also merkst, dass das Verhältnis zu Deiner oder Deinem Vorgesetzten zunehmend leidet und Du Dich ungerecht behandelt fühlst, solltest Du auf Anzeichen für ein potenzielles Bossing achten. Dazu gehören zum Beispiel:
• Ständige Über- oder Unterforderung am Arbeitsplatz
• Ungerechtfertigte oder unangemessene Ausübung von Kritik
• Ausspielen von Macht, beispielsweise durch Anschreien
• Benachteiligung bei Entscheidungen
• Persönliche Beleidigungen oder sogar tätliche Angriffe
• Übertriebenes „Mikromanagement“ bis hin zu systematischer Überwachung
• Untergrabung des Ansehens bei anderen, beispielsweise durch Gerüchte oder Diffarmierung
• Ignorieren oder ungerechtfertigtes Kritisieren guter Leistungen
• Androhung oder Einleitung arbeitsrechtlicher Konsequenzen ohne Rechtsgrundlage
Damit ist die Liste noch nicht zu Ende. Erkennst Du also eines oder mehrere dieser beziehungsweise ähnlicher Anzeichen bei Deiner Führungskraft, kann es sich um Bossing handeln – muss es aber nicht. Schließlich können auch Vorgesetzte manchmal einen schlechten Tag haben oder sie behandeln alle Mitarbeiter·innen entsprechend, sodass sich die Handlungen nicht persönlich gegen Dich richten; was natürlich dennoch nicht bedeutet, dass sie in Ordnung sind. Um tatsächlich von Bossing sprechen zu können, muss es sich jedoch um gezielte psychische Gewalt gegen Dich handeln, die systematisch sowie über einen längeren Zeitraum stattfindet. Es geht also um eine bewusste Handlung der Führungskraft, weil sie eine Antipathie gegen Dich hegt, Dich vielleicht sogar aus dem Unternehmen mobben möchte. Eine Strategie, die leider nur allzu oft funktioniert.
Tipps, um Dich gegen Bossing zu wehren
Auch, wenn ein interner oder externer Jobwechsel die einfachste Lösung und in vielen Fällen die Konsequenz von Bossing ist, ist es dennoch wichtig, dass Du Dich gegen das unfaire Verhalten wehrst. Je früher Du handelst, desto eher kannst Du schlimmere Konsequenzen für Deine Gesundheit oder Karriere durch das Bossing verhindern…und ebenso, dass der beziehungsweise die Chef·in dasselbe mit anderen Mitarbeiter·innen macht. Zudem kannst Du eventuelle Missverständnisse aus dem Weg räumen, denn wie bereits erwähnt, handelt es sich nicht immer um ein bewusstes Fehlverhalten des oder der Vorgesetzten. Wie also gehst Du am besten vor, wenn Du vermutest, von Bossing betroffen zu sein? Hier einige Tipps:
1. Das Vieraugengespräch suchen
Erst einmal solltest Du einen Termin für ein Vieraugengespräch mit der Führungskraft vereinbaren. Darin schilderst Du in sachlichem Tonfall sowie mit konkreten Beispielen, dass und weshalb Du Dich gemobbt fühlst. Manchmal war dem oder der Chef·in überhaupt nicht bewusst, wie das eigene Verhalten empfunden wird oder inwiefern es verbesserungswürdig ist. Bestenfalls erreichst Du also eine Deeskalation und eine Verhaltensänderung, wodurch Du wieder zurückfindest in Deinen gewohnten Arbeitsalltag.
2. Mit Kolleg·innen sprechen
Hat dieses Vieraugengespräch nicht zum gewünschten Erfolg geführt, empfiehlt sich ein offenes Gespräch mit den Kolleg·innen. Ziel darf nicht sein, diese gegen die Führungskraft aufzuhetzen. Stattdessen geht es darum, Dir einen Eindruck davon zu vermitteln, ob nur Du betroffen bist oder ob es sich um einen grundsätzlich falschen Führungsstil handelt. In letzterem Fall können gemeinsame Maßnahmen ergriffen werden. Ansonsten hast Du einen weiteren Beleg dafür, dass sich das Fehlverhalten gezielt gegen Dich richtet und es sich somit um Mobbing handelt.
3. Ein Tagebuch mit Belegen führen
Wichtig ist dann, erst einmal einige Zeit verstreichen zu lassen und ein Tagebuch zu führen, in dem Du alle Mobbing-Handlungen dokumentierst. Bestenfalls kannst Du dafür auch konkrete Beweise vorlegen, wie Abmahnungen, E-Mails oder Aussagen von Zeug·innen. Dieses Tagebuch ist die beste Grundlage, um im nächsten Schritt zum Betriebsrat zu gehen – oder um Dir sogar rechtliche Hilfe durch einen Anwalt zu suchen.
Wichtig: Wenn Du Dich dafür entscheidest, noch eine gewisse Zeit auszuharren, um das Bossing zu dokumentieren, ist es essentiell, dass Du selbst professionell bleibst. Auch musst Du weiterhin gute Leistungen erbringen. Nur so wird ersichtlich, dass das Verhalten des Chefs oder der Chefin ungerechtfertigt ist.
4. Beim Betriebsrat vorsprechen
Sobald Du ausreichend Tagebucheinträge und Belege gesammelt hast, gehst Du damit zum Betriebsrat. Dort kannst Du eine offizielle Beschwerde wegen Mobbing einreichen, die vom Unternehmen ernstgenommen werden muss. Diese Beschwerde wird daraufhin geprüft und anschließend entscheidet der Betriebsrat über die weiteren Schritte. Gibt es bei Deinem Arbeitgeber hingegen keinen solchen Betriebsrat, bittest Du am besten bei der nächsthöheren hierarchischen Stufe um Hilfe, sprich bei dem oder der Vorgesetzten Deiner Führungskraft.
5. Externe Hilfe hinzuziehen
Erhältst Du durch das Unternehmen nicht die gewünschte Hilfe oder brauchst Du zusätzliche Unterstützung, kannst Du auch externe Hilfe hinzuziehen. Das gilt auf einer psychischen Ebene, beispielsweise durch Deine Familie oder eine·n Psychotherapeut·in, um diese belastende Situation ohne gesundheitliche Konsequenzen zu überstehen. Aber das gilt auch in rechtlicher Hinsicht, sprich durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit ausreichend Belegen stehen Deine Chancen nämlich gut, zumindest eine hohe Abfindung oder Schmerzensgeld zu erstreiten. Auch lässt sich manchmal ein Kompromiss wie ein interner Jobwechsel finden, damit Du das Unternehmen nicht verlassen musst.
6. Dich aus der Situation befreien
Schlussendlich ist ein Jobwechsel also in den meisten Fällen die Konsequenz von Bossing, sei er intern oder extern. Du kannst deshalb schon zu einem deutlich früheren Zeitpunkt darüber nachdenken, die Reißleine zu ziehen – Deiner eigenen Lebenszufriedenheit und Gesundheit zuliebe. Du musst also selbst abwägen, ob Du die Situation lange genug ertragen kannst und willst, um Dich gegen das Bossing zu wehren. Alternativ kannst Du schnellstmöglich einen neuen Job innerhalb oder außerhalb des bisherigen Unternehmens suchen. Ist die Situation am Arbeitsplatz für Dich unerträglich geworden, kannst Du Dich eventuell auch vorübergehend krankschreiben lassen. In einigen, drastischen Fällen ist sogar eine fristlose Kündigung möglich. Es ist also leider nicht ganz einfach und äußerst zeitaufwändig, Dich gegen Bossing zu wehren. Das Problem überhaupt zu erkennen und nach einer Lösung zu suchen, ist aber der erste und wichtigste Schritt, um wieder in eine positive Arbeitssituation zu finden.
Welche Erfahrungen hast Du bereits mit Bossing gemacht und was würdest Du Betroffenen raten? Vielen Dank für Deinen Kommentar!
Dein Premium Team
