Die spannendsten Diskussionen finden definitiv digital statt
DB Planet, das Social Intranet der Deutschen Bahn, ging vor drei Jahre live. Was gab den Anstoß dafür, eine interne Plattform für den Austausch innerhalb des Unternehmens aufzubauen?
Tobias Geiger: Die Deutsche Bahn führt alle zwei Jahre Mitarbeiterbefragungen durch. Zwei Punkte, die die immer wieder adressiert wurden, waren nicht ausreichende Kommunikation und Einbindung der Mitarbeitenden. Für 300.000 Mitarbeiter ein besseres Involvement hinzubekommen und zugleich das Thema eines neuen Führungsstils zu kommunizieren, dafür reichten die traditionellen Kanäle einer monatlichen Zeitung und eines statischen Intranets nicht mehr aus. Zeitgleich gab es auch Veränderungen im Vorstand und so wurde bewusst entschieden, viel Geld für ein Social Intranet in die Hand zu nehmen und den Dialog zu stärken. Nach einer Ausschreibung haben wir uns hier für Coyo entschieden. Dass es funktioniert, merken wir an den Reaktionen auf unsere Artikel, vor allem, wenn wir kritische Themen aufgreifen.
Welche Themen werden denn besonders kontrovers debattiert?
Tobias Geiger: Wir hatten eine recht emotional geführte Diskussion über die Unternehmensbekleidung (Uniformen) der ZugbegleiterInnen. Die neue Kollektion wurde mit Guido Maria Kretschmer entwickelt, und von Anfang an waren MitarbeiterInnen von uns in den Entscheidungsgremien dabei. Als die Kollektion veröffentlicht wurde, ging es dann los. Manche fanden die neue Bekleidung extrem toll, sehr modern. Andere meinten, es sehe zu wenig nach Uniform aus. Die Debatte hat dazu geführt, dass Anmerkungen aufgegriffen wurden und in die Weiterentwicklung einflossen.
Ein junger Kollege trat an uns heran mit der These, unser Unternehmen sei nicht innovationsfreudig genug. Auch dieses Themas haben wir uns angenommen und landeten bei einer hitzigen Pro-Contra-Debatte, wo beispielsweise Kollegen aus dem Sicherheitsbereich einwandten, dass man bei manchen Innovationsvorschlägen die Folgen für den sicheren Zugbetrieb gar nicht einschätzen könne.
Wie viel Mitarbeiter nutzen DB Planet?
Tobias Geiger: Es haben sich mittlerweile auf der Plattform DB Planet über 200.000 Kolleginnen und Kollegen angemeldet. Zwar verschwimmt das Nutzungsverhalten derzeit ein wenig wegen der Homeoffice-Regelung, aber größtenteils findet die Nutzung an den Wochentagen während der Arbeitszeit statt. An durchschnittlichen Tagen sehen wir bis zu 60.000 Kollegen auf der Plattform, egal ob über PC, MacBook oder Smartphone. Es war unser Anspruch, die technischen Anforderungen niedrig zu halten, so dass man möglichst mit jedem Gerät, übrigens auch privaten, darauf zugreifen kann.
Das klingt nach einer Erfolgsstory. Gibt es dennoch Hürden, die es noch zu meistern gilt?
Tobias Geiger: Tatsächlich erreichen wir noch nicht alle MitarbeiterInnen im operativen Geschäft. In den klassischen Verwaltungsbereichen nutzen fast alle die neue Plattform. Aber je operativer die Arbeitsplätze, desto stärker sind auch die Restriktionen. Es gibt unzählige sicherheitsrelevante Jobs im Stellwerk oder etwa in einer Betriebszentrale, bei denen während der Arbeitszeit keine Handys benutzt werden dürfen, um Ablenkungen zu vermeiden. Diese KollegInnen können also maximal auf ihrem Arbeitsweg oder zu Hause die Inhalte konsumieren. Ich sehe es als eine unserer größten Aufgaben an, dass noch mehr Mitarbeitende aus den operativen Bereichen – bei Einhaltung aller Sicherheitsregeln – die Plattform nutzen.
Ein weiteres Thema ist die Rolle von Führungskräften. DB Planet wurde u.a. eingeführt, damit Führungskräfte, gerade wenn sie eine große Organisation leiten, wo die Kolleginnen und Kollegen an verschiedenen Standorten sitzen, mit ihnen über diese Plattform in Austausch treten können. Manche machen das ganz exzellent und intensiv. Sie schreiben regelmäßig Beiträge, regen Diskussionen an und gründen geschlossene Gruppen, um einen ehrlichen Dialog führen zu können. Andere Führungskräfte haben hingegen DB Planet noch nicht für ihre Arbeit entdeckt. Weil sie zum Teil die Zeit nicht finden, weil sie ein anderes Führungsverständnis haben oder weil für sie die technische Hürde zu groß ist. Einige haben vielleicht auch zu früh aufgegeben und sich gewundert, dass ihre erste zwei Posts nicht gleich vielfach gelikt wurden. Ernsthafte und offene Diskussionen müssen sich aber oft erst entwickeln. Trotzdem: Die spannendsten Diskussionen finden digital statt.
Wie hoch ist die Beteiligung der Mitarbeiter?
Tobias Geiger: Es gibt KollegInnen, die DB Planet sehr rege nutzen und sich an vielen Diskussionen beteiligen, andere konsumieren eher passiv. Deshalb überlegen wir jetzt, wie man unsere Plattform für die individuellen Informationsbedürfnisse personalisieren kann. Ein Kollege, der im Bereich Infrastruktur in Stuttgart arbeitet, ist definitiv an anderen Themen interessiert als jemand, der in Berlin im Bahntower arbeitet. Es gibt jetzt schon Möglichkeiten, Inhalte stärker auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden, indem man bestimmte Seiten abonniert und andere nicht. Aber das wollen wir noch ausbauen, so dass die User neben den zentral von uns bereitgestellten Beiträgen direkt auch regionale Informationen sehen und solche, die ihr Geschäftsfeld berühren.
Es gibt also ein Redaktionsteam, das die Inhalte setzt. Aber wie funktioniert das mit dem regionalen Content?
Tobias Geiger: Das zentrale Redaktionsteam, also im Grunde meine Redaktion hier in Berlin, ist bei der DB angestellt. Das sind etwa zehn MitarbeiterInnen im engeren Sinne und eine Chefredakteurin. Zusätzlich haben wir mit fischerAppelt eine sehr gute Agentur an Bord. Regional werden wir von Redakteuren, die vor Ort sitzen, unterstützt. Viele Geschäftsfelder verfügen aber auch über eigene Kommunikatoren, die Nachrichten aus dem jeweiligen Bereich aufbereiten.
Haben sich in Zeiten der Corona-Krise Inhalte und Nutzungsverhalten verändert?
Tobias Geiger: Wir waren begeistert: tatsächlich haben sich mit Beginn der Krise die Nutzungszahlen innerhalb weniger Tage vervielfacht, was unter anderem daran lag, dass die meisten Verwaltungsmitarbeiter ins Homeoffice wechselten. DB Planet konnte mit der schnellen, direkten Kommunikation seine Vorteile ausspielen – und Geschwindigkeit zählte bei den vielen, kurzfristig beschlossenen Maßnahmen. Unser „Corona-Blog“ mit allen relevanten Hinweisen stand im Zentrum, es gab aber unzählige weitere Artikel, zum Beispiel zum Arbeiten im Homeoffice, zu arbeitsrechtlichen Fragen oder zur Maskenpflicht. Auch der Vorstand nutzte die Plattform mehrfach für Videobotschaften an die Mitarbeitenden. Mit der bis heute fortgesetzten Serie „Bahner für Bahner“ haben wir immer wieder die wahren Helden der Krise portraitiert: Die Kollegen vor Ort, die den Betrieb aufrecht erhalten.
Welche Bedeutung hat Knowledge-Transfer als Kommunikationsaspekt bei der DB?
Tobias Geiger: Knowledge-Management ist brandaktuell bei uns. So ein Betrieb lebt ja von Erfahrungen und wir haben festgestellt, dass es extrem schwierig ist, Informationen oder Wissen zu erhalten, wenn KollegInnen von Bord gehen. Hinzu kommt die Herausforderung, überhaupt wichtige Informationen in dieser Vielzahl von Systemen zu finden. Es gibt ja nicht nur DB Planet, sondern auch viele andere Anwendungen. Vor einem Jahr haben wir mit der „Starken Schiene“ unsere neue Dachstrategie eingeführt. Ein wesentlicher Bestandteil besteht darin, dass die MitarbeiterInnen sich aktiv in einem partizipativen Prozess bei der Weiterentwicklung des Unternehmens mit ihren Ideen und Kompetenzen einbringen können. Einer dieser „Ausbausteine“, wie wir das nennen, den die KollegInnen zusammen mit dem Vorstand jetzt ausgewählt haben, heißt „Vereintes Wissen“. Die Kernfragen dabei sind: Wie finden und bündeln wir das im Konzern vorhandene Wissen? Wie geben wir es möglichst übersichtlich an neue MitarbeiterInnen weiter? Wie bewahren wir die Erfahrungen von jemandem, der in den Ruhestand geht? Also im Prinzip geht es darum, Wissen im Konzern zu halten und zu vermitteln.
Stichwort New Work: Welche Maßnahmen, Initiativen, Projekte nehmen Sie intern in Angriff, um gut aufgestellt zu sein?
Tobias Geiger: Wir haben uns dem Thema Digitalisierung sehr weit geöffnet, da es ja darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahn in Gänze zu erhalten. Einen großen Schritt in Richtung New Work sind wir zum Beispiel mit der Digital Base gegangen. In den neuen Räumlichkeiten am Potsdamer Platz gibt es keine festen Arbeitsplätze mehr, alles ist hier kreativer und innovativer. Möglichkeiten wie Homeoffice werden viel breiter ausgelebt und kollaboratives Arbeiten findet über Städte- oder Ländergrenzen hinweg statt.
Auf Konzernleitungsebene existiert eine Betriebsvereinbarung, laut der MitarbeiterInnen einen Anspruch auf Homeoffice haben, soweit es mit den betrieblichen Belangen vereinbar ist. Vor über einem Jahr haben wir dazu Office 365 bei uns eingeführt. Die KollegInnen arbeiten mit SharePoint, sie können Dateien gemeinsam bearbeiten, können Video-Telefonie über Microsoft Teams abwickeln. Das sind genau die Tools, die wir brauchen, um die neue Arbeitswelt für uns effizient zu gestalten.
Die Corona-Krise lässt uns einen Digitalisierungssprung durchleben. Bei uns finden Bewerbungsgespräche derzeit komplett digital über Microsoft Teams oder Skype statt. Wir haben auch einen Großteil unseres gesamten Ausbildungsangebotes innerhalb kürzester Zeit in die digitale Welt überführen können. Gerade erleben wir, wie die derzeitige Situation genau diese Themen massiv beschleunigt. Noch bis vor kurzem war es undenkbar, dass jemand aus dem Homeoffice heraus Onboarding-Prozesse durchlaufen kann, aber es funktioniert!