Diese Klauseln zu Überstunden sind unwirksam
Viele Arbeitsverträge enthalten ungültige Formulierungen zu Überstunden. Das kann besonders teuer werden für Unternehmen, wenn die Babyboomer in Rente gehen.
Seit die deutschen Unternehmen zur Erfassung von Arbeitszeit verpflichtet sind, wird wieder aufgeregter diskutiert, wann es ein- und auszustempeln gilt. Und wann eigentlich Überstunden anfallen. Ein Problem, das dabei die wenigsten Firmen im Blick haben: die Babyboomer, die bald nach und nach in Rente gehen. Sie nämlich, warnt Philipp Byers, Arbeitsrechtler bei der Kanzlei Dentons, können für Arbeitgeber ein Problem werden.
„Viele dieser Mitarbeiter haben unveränderte Uraltarbeitsverträge mit Klauseln zu Überstunden und Ausschlussfristen, die unwirksam sind“, sagt Byers. Wenn diese nun beim Renteneintritt ihren bisherigen Arbeitgeber wegen nicht vergüteter Überstunden verklagen, haben sie gute Chancen, die Überstunden ausgezahlt zu bekommen, so der Anwalt.
Üblicherweise klagen nur ausscheidende Mitarbeiter gegen ihr eigenes Unternehmen, um das Arbeitsklima im laufenden Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden. Wer in Rente geht, braucht sich darum, keinerlei Gedanken mehr zu machen.
Von einer Forderung wegen unbezahlter Überstunden wurde gerade einer von Byers' Mandanten überrascht, „ein mittelständischer Automobilzulieferer, dem nach dem harmonischen Abschied eines langjährigen Mitarbeiters sechs Monate später dessen Zahlungsklage über 12.000 Euro ins Haus flatterte.“ Die Begründung: Dieser Betrag stünde dem Sachbearbeiter als Lohn für die Überstunden der vergangenen drei Jahre zu, denn die waren ihm seinerzeit nicht vergütet worden.
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Drei Jahre Zeit zum Einklagen alter Überstunden
Dass der Mann drei Jahre ansetzte, ist kein Zufall. So lang ist die Verjährungsfrist. Und ein Passus in seinem Arbeitsvertrag erhöhte die Erfolgsaussichten des Klägers: „Überstunden sind nach Maßgabe des Vorgesetzten zu leisten“, stand da. Ein klassischer Fehler des Arbeitgebers, wie Byers sagt. Immer wieder entdeckt er solche Formulierungen, die Arbeitnehmer oftmals nicht infrage stellen – die aber den Unternehmen zum Verhängnis werden können. Klauseln ohne eine konkrete Zahl zur Begrenzung der Überstunden sind unwirksam. So wie etwa die Formulierung „Überstunden sind pauschal abgegolten mit dem Gehalt.“
Schon vor 14 Jahren stellte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt klar, dass Arbeitnehmer bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages die Möglichkeit haben sollten zu erkennen, was an Überstunden auf sie zukommt und wie viele Überstunden sie maximal fürs vereinbarte Festgehalt leisten müssen.
Vor zwei Jahren wiederum kippten die höchsten Arbeitsrichter im Land dann auch noch zwei Formulierungen, weil diese gegen das Transparenzgebot verstoßen: die Klausel „Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten“ sowie die Passage „In vertretbarem Rahmen anfallende Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.“ Der Mitarbeiter, so die Richter in ihrer Begründung, wisse nicht, welche Arbeitsleistung er gegebenenfalls erbringen müsse. Die Klage brachte dem Arbeitnehmer nachträglich über 4700 Euro ein.
Unklare Klauseln helfen den Mitarbeitern am Ende
Besonders teuer wurde es vor vier Jahren für den Arbeitgeber eines Düsseldorfers: In seinem Arbeitsvertrag stand nur, dass „mit dem Gehalt etwaige Mehrarbeit, soweit sie gelegentlich oder regelmäßig anfällt, abgegolten“ sei. Dass diese Klausel gar nichts regelt und damit für Unklarheit sorge, führe zu ihrer Unwirksamkeit, urteilten die Landesarbeitsrichter. Die Firma musste dem Mitarbeiter mehr als 26.400 Euro zahlen.
Immer wieder versuchen Unternehmen solche Forderungen abzuwehren mit dem Argument, die Überstunden seien „nicht angeordnet worden“, erzählt Sebastian Frahm von der Kanzlei Frahm Kuckuk.
Wenn fürs Anordnen von Überstunden Zeit und Gelegenheit fehlen
Doch weil die Lebenswirklichkeit manchmal anders aussieht, sich Führungskräfte für Anordnungen mitunter gar keine Zeit nehmen, Fristen drängen oder für die Nachfragen der Mitarbeiter kein Vorgesetzter greifbar ist, gehe die Strategie seiner Mandanten nicht unbedingt auf. Frahm berichtet beispielsweise von einer Ärztin, die in ihrer Klinik sehr viele Überstunden für über 40.000 Euro angehäuft hatte, weil sie dringende Operationen durchführte. Sie siegte vor Gericht in zweiter Instanz vor allem, weil sie darlegte, dass ihre Abteilung schon lange drastisch unterbesetzt war, erzählt der Jurist.
Zudem versuchen Unternehmen sich mit Verweis auf die Ausschluss- und Verfallsklauseln zu verteidigen, soweit sie in einem Vertrag enthalten sind und auch die Überstundenregeln umfassen. In diesen Klauseln wird üblicherweise geregelt, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist – in der Regel wenige Monate – geltend gemacht werden müssen. Erfolgt dies nicht, verfallen die Ansprüche. Im Fall des Maschinenbauers scheiterte die Forderung des Sachbearbeiters genau daran: In seinem Vertrag stand, dass er Ansprüche innerhalb von drei Monaten stellen müsse. „Das ist die Minimalfrist, die das Unternehmen immer zur Geltendmachung von solchen Forderungen gewähren muss“, sagt Byers.
Doch auch Ausschluss- oder Verfallsklauseln im Arbeitsvertrag, so die Beobachtung Byers, können Lücken haben - und so dafür sorgen, dass Arbeitnehmer ihre Überstunden auch später noch einklagen können. Zum Beispiel, wenn in einer Ausschluss- oder Verfallsklausel der seit 2014 vorgeschriebene – eher allgemeine – Hinweis fehlt, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht unter diese Klausel fällt und ausgenommen ist. Fehlt solch ein Hinweis, der eigentlich nichts mit der Nachforderungen wegen Überstunden zu tun hat, kippt die ganze Klausel.
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