Dieser leere Platz kann 130.000 Euro kosten: So teuer sind unbesetzte Stellen für Unternehmen
Manche Positionen sind nur schwer zu besetzen. Bei welchen Berufsgruppen die Personalsuche besonders teuer werden kann, zeigt eine exklusive Auswertung.
Düsseldorf. Die Nachbesetzung offener Stellen erweist sich mitunter als langwierig. Für Unternehmen kann das finanziell unangenehme Folgen haben: Bis zu 130.000 Euro kostet es Arbeitgeber, wenn zum Beispiel ein Job aus dem Finanzwesen wie Buchhalter, Finanzberater oder Controller neu zu besetzen ist. Ehe dafür ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist, vergehen im Schnitt 181 Tage.
Sowohl diese Vakanzzeit als auch Vakanzkosten sind Spitzenwerte. Das zeigt eine Auswertung der Jobbörse Stepstone für insgesamt 33 Berufsgruppen, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
„Ob Finanz-, Bauwesen oder Produktion – hier sehen wir die höchsten Vakanzkosten“, sagt Tobias Zimmermann, Arbeitsmarktexperte der Stepstone-Gruppe. Im Durchschnitt sind sie in diesen Branchen sechsstellig.
Zimmermanns Begründung: „Es werden hochspezialisierte Fähigkeiten gesucht. Diese Fachkräfte lassen sich nicht aus dem Ärmel schütteln.“ Jeweils rund ein halbes Jahr dauere es im Schnitt, bis die ausgeschriebenen Stellen besetzt werden könnten.
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Mit 72 Tagen am schnellsten verlaufe dagegen die Neueinstellung von Assistenten und Sachbearbeitern. Entsprechend halten sich die Vakanzkosten für Verwaltungsjobs mit durchschnittlich rund 38.800 Euro in Grenzen. Nur für insgesamt sechs Berufsgruppen brauchen Chefs weniger als 100 Tage für eine Neubesetzung.
Und so berechnet Zimmermann die Vakanzkosten: Ausgehend von Gehaltsdaten von Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern hat er zunächst Durchschnittsgehälter pro Berufsgruppe pro Tag ermittelt. Diese wurden dann mit der jeweiligen Vakanzzeit multipliziert. Daten dazu stammen von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Zuletzt hat die BA Vakanzzeiten 2022 erhoben.
Mehrwert eines Mitarbeiters hängt von Rolle und Stellung ab
Zimmermann: „Das Ergebnis ist eine konservative Annäherung an die realen Vakanzkosten, da eine Position üblicherweise deutlich mehr Wert generiert, als sie kostet.“ Den exakten Mehrwert eines Mitarbeiters zu kalkulieren, hängt sehr von seiner Rolle und seiner Stellung innerhalb der Firmenhierarchie ab und davon, welchen Einfluss sein Wirken auf Produktivität und Umsatz hat.
Doch eine Faustregel des Personalwesens, die sich auch in der Online-Datenbank Perwiss.de findet, besagt: „In der Dienstleistungsbranche muss jeder Mitarbeiter pro Jahr das Doppelte seiner Personalkosten erwirtschaften, um als rentabel zu gelten. In Bereichen, in denen noch zusätzlich Geld zum Beispiel für Materialien und Waren anfällt, müssen diese noch daraufgerechnet werden.“
Lange Suche nach Personal bedeuten nicht automatisch Fachkräftemangel
Enzo Weber, der den Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) leitet, sagt: „In diesen Zahlen zeigt sich eine deutliche Personalverknappung für viele Berufszweige.“ Er warnt jedoch vor einer Generalisierung: „Das heißt nicht automatisch, dass es eine Engpass-Situation bei allen Jobs gibt.“
Außerdem wendet er ein: „Die Kosten vom ersten Tag einer Stellenausschreibung an hochzurechnen suggeriert, dass sich eine offene Position quasi in Lichtgeschwindigkeit besetzen lassen muss.“ Das sei keineswegs der Fall. Im Gegenteil. Die Arbeitsmarktforschung zeige: Je höher das Anforderungsniveau, umso länger die Suchdauer.
„Eine gewisse Suchdauer sollte nicht per se negativ betrachtet werden“, sagt Weber. Die passende Person für eine Stelle zu finden sei eine wichtige Investition in die Zukunft, kein Verlustgeschäft. Kritisch werde es, wenn sich länger kein Ersatz findet.
Einen Anhaltspunkt, ab wann die Suchdauer bedenklich wird, gibt das IAB in seinem Report vom Herbst 2022, den es gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung veröffentlicht hat: „Bei einer Personalsuche von mehr als drei Monaten ist das Risiko, die Stelle nicht zu besetzen, höher als die Chance, einen geeigneten Kandidaten oder Kandidatin zu finden.“
Unflexible Arbeitsmodelle und ineffiziente Bewerbungsprozesse schrecken Bewerber ab
Insofern sind Arbeitgeber gut beraten, sich klarzumachen, was Bewerber abschreckt. Als Hauptgründe für lange Suchzeiten nennen die Experten: eine nicht zu den Bedürfnissen von Jobinteressenten passende Arbeitsstundenzahl sowie mangelnde Zugangschancen – etwa für Quereinsteiger oder Eltern.
Weber rät Chefs daher insbesondere: „Zeigen Sie sich flexibel in puncto Arbeitszeitmodelle, um die Erfolgschancen bei der Personalsuche zu steigern.“
Und Tobias Zimmermann ergänzt drei weitere Ratschläge: „Erstens: Optimiert eure Bewerbungsprozesse!“ In Zeiten, in denen Kandidaten unter vielen Job-Angeboten wählen könnten, gelte mehr denn je: Wer zuerst kommt mahlt zuerst. Bewerbungsverfahren seien oft zu langsam, auch weil sie nicht selten noch manuell gehandhabt würden – und oft auch zu unpersönlich.
Als Zweites rät Zimmermann Chefs: „Schaut über den Tellerrand.“ Investitionen in internationale Fachkräfte und in ältere Bewerber und Bewerberinnen rentierten sich mehr denn je. Arbeitgeber vergrößerten so die potenzielle Zielgruppe deutlich.
Und drittens, so Zimmermann, gelte es auch, Technik geschickt zu nutzen, um Vakanzen mit Menschen mit den passenden Fähigkeiten zu besetzen. Etwa mit Blick auf generative KI, um „repetitive Aufgaben konsequent zu automatisieren und mit individuell passenden Trainingsangeboten für Mitarbeiter so zu flankieren, dass Produktivität und Arbeitgeberattraktivität gleichzeitig steigen.“
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