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Wenn die eigenen Karrierewünsche von den Erwartungen der Eltern abweichen, ist es Zeit für eine Aussprache ©getty

Firmennachfolge? Ohne mich. Nur wie sag ich’s meinen Eltern?

Die Nachfolge wird in Familienunternehmen oft ungefragt vorausgesetzt. Was tun, wenn die eigenen Karrierewünsche abweichen? Ein Experte gibt fünf Tipps.

Frage der Woche:

„Meine Eltern gehen davon aus, dass ich irgendwann ihre Firma übernehmen werde. Eigentlich weiß ich, dass ich etwas anderes machen möchte, jedoch lösen diese Erwartungen viel Druck in mir aus. Wie gehe ich am besten mit dieser Situation um?“

Merve, 37 Jahre

Henryk Lüderitz ist Management-Trainer und Führungskräftecoach.
Henryk Lüderitz ist Management-Trainer und Führungskräftecoach.

Liebe Merve,

ich kann diese Situation gut nachvollziehen. Mein Vater betrieb schon lange vor meiner Geburt eine Auto-Werkstatt, in der ich als Kind mit aufgewachsen bin. Die Begeisterung für Technik und „Schrauberei“ wurde mir also in die Wiege gelegt.

Allerdings habe ich gemerkt, dass mich die Kommunikation mit Menschen, Zahlen und Betriebswirtschaft auch interessieren. Als Kompromiss zwischen den Erwartungen meiner Eltern und meinen eigenen Interessen, begann ich eine Lehre im Autohaus eines befreundeten Unternehmers. Es folgte ein BWL-Studium und mein Einstieg bei „Mannesmann Mobilfunk“. Damit war für mich klar, dass mein Weg nicht in die KFZ-Branche führen wird.

Wie habe ich es geschafft, meine Eltern nicht vor den Kopf zu stoßen, ohne selbst unter einem unerfüllten Erwartungsdruck zu leiden? Gerne teile ich mit dir fünf konkrete Tipps:

1. Unausgesprochene Erwartungen offen kommunizieren

Mein erster Tipp richtet sich an die Eltern, er kann aber auch von potenziellen Nachfolger•innen beherzigt werden. Deckt mit der richtigen Mischung aus Einfühlsamkeit und konkreten Nachfragen auf, worum es euch wirklich geht, wenn ihr beispielsweise in einem Nebensatz sagt: „Unsere Firma bekommt dann in ein paar Jahren ja eh frischen Wind und junge Sichtweisen!“?

Es erfordert ein bisschen Mut nachzufragen, aber je früher diese unausgesprochenen Erwartungen auf den Tisch kommen, desto besser. Vielleicht sind die Vorstellungen der Eltern gar nicht so konkret, wie es wirken mag. Wenn doch, dann weißt du ab diesem Moment aber ganz genau, welche Ideen und Erwartungen dahinterstecken.

2. Die eigene Person erforschen

Die konkret ausgesprochenen Wünsche und Erwartungen können natürlich überfordern und einschüchtern. Deshalb empfehle ich, die eigene Person gründlich zu erforschen.

Folgende Fragen können dir dabei helfen:

  • Was zeichnet dich aus?

  • Wie ist dein Charakter gestrickt?

    Hierbei geht es darum, deinen Charakter in Bezug auf verschiedene Eigenschaften zu erforschen. Beispielsweise die „Big Five“:

  • Wie offen bin ich für Veränderungen & Innovationen?

  • Wie gewissenhaft beziehungsweise perfektionistisch bin ich?

  • Bin ich eher extrovertiert oder mag ich das introvertierte Arbeiten?

  • Wie kooperativ/emphatisch bin ich?

  • Wie steht es um meine Resilienz oder auch wie „dick“ ist meine emotionale Haut?

Zusätzlich hilfreiche Fragen sind:

  • Welche Ausbildung oder schulischen Schwerpunkte haben deine fachlichen Qualifikationen geprägt?

  • Was hat dir viel Spaß gemacht?

  • Wie wirst du von deinem Freundeskreis wahrgenommen?

    Diese Frage solltest du sowohl im privaten als auch im allgemeinen Kontext beantworten. Macht es dir im Freundeskreis beispielsweise Spaß, im Mittelpunkt zu stehen und zu organisieren? In Bezug auf den Beruf kannst du dir die Frage stellen, welche Aufgaben dir die meiste Freude bereiten.

Durch eine intensive Analyse der eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen, bei der dir die Beantwortung dieser Fragen hilft, entdeckst du möglicherweise ungenutzte Potenziale. Es können zudem auch fachliche Argumente für oder gegen eine Nachfolge im elterlichen Unternehmen auftauchen.

Haben deine Eltern beispielsweise ein Restaurant, du hast aber weder Talent noch Interesse an der Gastronomie, ist das durchaus eine Argumentationshilfe.

Wichtig ist jedoch, nicht nur nach Argumenten „gegen“ eine Entwicklung im Betrieb der Eltern zu suchen.

Denn logischerweise werden die Eltern fragen, wohin man sich denn alternativ entwickeln will. Dafür ist die Suche nach Talenten und Fähigkeiten, die dir Spaß machen und „vom Herzen kommen“ sehr wichtig. Du willst dich ja „für“ einen eigenen Weg entscheiden und nicht nur einen Vorschlag der Eltern ablehnen.

3. Die eigenen Ziele und Wünsche definieren

Nachdem du deinen Talenten und Charaktereigenschaften auf den Grund gegangen bist, empfehle ich dir, daraus konkrete berufliche Entwicklungsziele zu definieren.

Je genauer du beschreiben kannst, wohin du dich entwickeln möchtest, desto überzeugender wirkt dieser Wunsch auf deine Eltern und erleichtert ihnen, von ihren eigenen Vorstellungen (du übernimmst den Laden) Abstand zu nehmen.

4. Die Karten auf den Tisch legen

Nach den Schritten 1-3 ist es nun an der Zeit, das Gespräch mit den Eltern zu suchen. Suche dafür einen ungestörten Moment mit viel Ruhe und ausreichend Zeit, zum Beispiel an einem Wochenende. In diesem Gespräch erklärst du, wie und warum du dir deine berufliche Entwicklung anders vorstellst als deine Eltern.

Eltern wollen immer nur das Beste für die eignen Kinder. Daher sehen sie das Angebot der Übernahme des eigenen Betriebes als einen „Gefallen“, wenn ihren Kinder die Definition des eigenen beruflichen Weges schwerfällt. Ganz nach dem Motto: Dann brauchst du dir selbst keine Gedanken mehr über Bewerbungen und viele andere Dinge zu machen. Du kannst zeigen, dass du dieses Angebot wertschätzt und zu würdigen weißt. Zugleich ist es aber legitim und wünschenswert – und das sehen auch Unternehmereltern so – dass du das machst, womit du wirklich glücklich bist oder werden willst.

5. Sonderfall: Psychischer Druck

In einigen Fällen kann es sein, dass Eltern (unbewusst) psychischen Druck aufbauen. Sie erklären zum Beispiel, dass das Unternehmen nicht den Bach runtergehen darf, wenn kein Familienmitglied die Firma übernimmt.

Selbstverständlich sind das überzogene Darstellungen und ungewollte Manipulationsversuche. Dahinter steckt aber meist keine Boshaftigkeit. Manchmal sind Eltern noch nicht darauf vorbereitet, dass die eigenen Kinder einen anderen Weg einschlagen und stehen damit im Unternehmen wirklich vor großen Herausforderungen, beispielsweise der erfolgreichen Nachbesetzung.

Gerade deshalb ist es wichtig, dass du das offene Gespräch nicht lange aufschiebst. Je früher du Klarheit schaffst, desto mehr Zeit haben deine Eltern, nach einem alternativen Weg der Nachfolge zu suchen und sich auch selbst emotional damit abzufinden, dass das Unternehmen vielleicht sogar verkauft werden muss.

Diese Aussprache IST bestimmt eine große emotionale Herausforderung. Deshalb rate ich dazu, das Gespräch vorab zu üben. Nimm auf dem Handy auf, was du deinen Eltern sagen möchtest und höre es dir das Gesagte an. Bei diesem einfachen Selbst-Check wirst du schon viele Dinge entdecken, die du besser machen kannst. Du kannst den Gesprächsablauf auch mit einem guten Freund oder einer Freundin üben. Wichtig ist, dass du im Vorfeld möglichst viele Fragen und Reaktionen antizipierst, damit du mögliche Erklärungen vorbereiten kannst.

Mir hat dieses Vorgehen geholfen. Meine Eltern haben meine Entscheidung angenommen und akzeptiert. Sie haben gesehen, dass ich mich ernsthaft mit meiner Zukunft beschäftigt habe und es mir bei meiner Entscheidung auch nicht „zu leicht“ gemacht habe. Die Firma meiner Eltern wurde später von zwei Geschäftsführern übernommen und weitergeführt.

Ich wünsche dir auf deinem Weg alles Gute!

Henryk Lüderitz schriebt als XING Insider regelmäßig über die Themen Young Professionals und Leadership. Die Herausforderungen von Young Professionals kennt er aus eigenerer Erfahrung: Bereits mit Anfang 20 war er bei Vodafone in einem Talentprogramm. Es folgten Positionen als Projektleiter und Führungskraft. Nach 12 Jahren im Konzern arbeitet er jetzt als Trainer und Coach für Young Professionals.

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