Folge 40: Katja Suding: "Es ist eine Befreiung auch mal sagen zu können, 'davon habe ich keine Ahnung.'"
Die FDP-Politikerin hätte Ministerin werden können, entschied sich aber gegen die Politik, weil diese sie erdrückte. Wie der Karriere-Befreiungsschlag gelingt und man seinen Glaubenssätzen auf die Spur kommt.
Am Tag, an dem in Berlin die neue Ampel-Regierung ihren Koalitionsvertag und das neue Kabinett vorstellt, befindet sich Katja Suding, ehemalige FDP-Spitzenpolitikerin, auf einer Ranch in Colorado. Die Nachrichten aus Deutschland verfolgt sie dennoch aufmerksam, „und da hat es mich dann schon nochmal erwischt“, sagt die ehemalige FDP-Hoffnungsträgerin in der neuen Ausgabe des Team A Podcast.
Den ganzen Podcast hört Ihr hier:
Den historischen Moment, an dem ihre FDP nicht mehr Oppositionspartei ist, erlebt sie nicht „mit ganz viel Adrenalin und Aufregung in Berlin“, sondern „mit ganz viel Ruhe irgendwo im Niemandsland“, sagt Suding. In Colorado sei ihr „die Tragweite der Entscheidung, aus der Politik auszusteigen, dann erst richtig bewusst geworden“. Weit weg von Deutschland konnte Suding aber auch für sich feststellen: „Ich habe trotz allem die richtige Entscheidung getroffen.“
Wie schafft man es, auszusteigen, wenn die Karriere nach außen zwar stets gelingt, aber überhaupt nicht zu den eigenen Bedürfnissen und Werten passt? Darüber hat Suding jetzt ein Buch geschrieben. In „Reißleine – wie ich mich selbst verlor und wiederfand“ beschreibt sie das Leben einer Frau, die immer mehr Erfolg hat, dafür aber immer schmerzhafter die eigenen Grenzen überwinden lernen muss.
Öffentlich Reden halten zu müssen, in den Medien präsent sein, politische Intrigen aushalten – Suding fühlt sich dafür zu Beginn nicht gewappnet und bis zum Schluss ihrer zehnjährigen Karriere in der Politik nicht berufen: „Wenn ich jetzt zurückschaue, wäre es für mich auch okay gewesen, wenn ich ein bisschen mehr Unsicherheit gezeigt hätte“, sagt sie im Podcast. Stattdessen habe sie sich einen immer dicker werdenden Schutzpanzer zugelegt. 2020, nach Ausbruch der Corona-Pandemie, nimmt sie sich erschöpft eine Auszeit – und kehrt nicht mehr in die Politik zurück.
„Ich habe darunter gelitten, öffentlich sein zu müssen“, sagt Suding. Was für die Politikerin Suding gut war - im Rampenlicht zu stehen - machte den privaten Menschen Suding krank, zerstört ihre Ehe. Sudings Fazit nach zwei Jahren Politik-Aus lautet: „Es ist sehr befreiend, auch mal sagen zu können: ‚Davon habe ich keine Ahnung.‘“
Dabei hatte ihre Karriere nach außen immer wie perfekt gewirkt: Im Alter von 35 Jahren taucht sie als Quereinsteigerin plötzlich auf der politischen Bühne auf, gewinnt dann als Spitzenkandidatin zwei Bürgerschaftswahlen in Hamburg, zieht in den Deutschen Bundestag ein, wird dort stellvertretende Fraktionschefin und erobert höchste Parteiämter. Parteichef Lindner sagt heute noch, für sie sei ein Ministerposten in der Regierung drin gewesen.
Von Anfang an ist Sudings Politik-Werdegang ein schonungsloses Geben und Nehmen mit der Öffentlichkeit: In den Medien wird sie erstmals bekannt als Begleitung von Parteichef Guido Westerwelle im schwarzen Etuit-Kleid beim Dreikönigstreffen 2011. Danach ist sie in der Presse omnipräsent, ein zu langer Schwenk auf ihre Beine in der Tagesschau löst 2015 eine Empörungswelle aus. Der ARD-Chefredakteur muss sich entschuldigen.
Ob zunächst im Start-up, dann in der PR, schließlich in der Politik: Immer lebt Suding mit dem Gefühl, in etwas hineingestolpert zu sein, worauf sie gar nicht vorbereitet ist, erzählt sie. Statt aber Aufgaben nicht anzunehmen, arbeitet sie sich detailversessen in alles hinein, wird folglich immer besser und weiterbefördert. Als Politikerin muss sie sich an manchen Tagen zu Reden vor dem Parlament regelrecht „hinprügeln“, wünscht sich manchmal, auf dem Weg von der Treppe zu fallen, um nicht sprechen zu müssen.
Wie Sie ihren Werten, Wünschen und Glaubenssätzen auf die Spur kam, hört Ihr im Podcast Team A hier:
Habt Ihr auch Erfahrungen in Jobs gesammelt, die Euch erdrückt haben? Wie seid Ihr mit der Situation umgegangen? Teilt Eure Einblicke mit uns in den Kommentaren.