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Gesunde Ernährung im Büro: Verantwortung des Arbeitgebers?

Wenn Arbeit das halbe Leben ist, dann ist die Mittagspause die halbe Ernährung. Wissenschaftsjournalist Bas Kast hat seine Ernährung aufgrund von Herzbeschwerden radikal umgestellt, tausende von Ernährungsstudien durchgearbeitet und in seinem Best-Seller-Buch „Der Ernährungskompass“ ausgewertet. Am 10. Juni 2020 wird er auf der vierten NEW WORK EXPERIENCE (NWX20) sprechen und verraten, wieso es eigentlich so einfach ist, auch als Berufstätiger und mit wenig Zeit gesund zu essen, was dran ist am Hype um Diäten – und welche Verantwortung Unternehmen beim Thema Ernährung übernehmen sollten.

Bas Kast: So detailliert, wie es von vielen Ratgebern suggeriert wird, nicht. Unbedingt nur „Low Carb“ oder unbedingt nur vegan – in diesem Sinne existiert die Perfekte Diät nicht. Zumindest gibt es die Erkenntnisse darüber noch nicht. Die Erkenntnisse sind bei den tausenden Studien, die ich durchgearbeitet habe, nicht so hochauflösend, dass man in dieser Detailliertheit das perfekte Frühstück, Mittag- und Abendessen bestimmen könnte. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Ernährungsmuster, die in die richtige Richtung gehen, wie beispielsweise die Ernährung der Pescetarier oder die sogenannte mediterrane Ernährung, bei der viel fettiger Fisch und viel Olivenöl gegessen wird.

Bas Kast: Ja, das zeigt ja schon die mediterrane Diät ganz klar. Diese kategorische Fett-Phobie ist tatsächlich Blödsinn. Vor allem, wenn die Fett-Kritiker dann im selben Atemzug mediterrane Kost hochjubeln. Mediterranes ist größtenteils sehr fettreich – allein schon aufgrund des vielen Olivenöls. Hier kommen in der Regel über 40 Prozent der Kalorien von Fetten. Und das gilt nicht mehr als fettarm. Hierzu gibt es zahlreiche Befunde und auch Experimente, die nahelegen, dass die mediterrane Kost sehr heilsam ist. Man kann also fettreich essen und sehr gesund sein und man kann auch kohlehydratreich essen und sehr gesund sein.

Ein Beispiel dafür sind die Okinawa-Japaner oder auch andere Völker, wie die Tsimane, die an einem Amazonas-Nebenarm in Bolivien leben und die „saubersten Arterien der Welt“ haben – und deren Nahrung sehr kohlehydrat-lastig ist. Also: Die Trennung zwischen „Low Carb“ oder „Low Fat“ ist nicht die Trennung zwischen gesund oder nicht-gesund. Es kommt eher darauf an, was für Kohlehydrate oder Fette man zu sich nimmt.

Bas Kast: Hier habe ich mich mit der engeren Frage beschäftigt: Wie kann es sein, dass eine Person mit einer bestimmten Diät innerhalb von ein paar Wochen abnimmt, eine andere mit derselben Diät aber zunimmt? Es gibt einfach körperliche Unterschiede, das hat man in mehreren Experimenten gezeigt. Manche nehmen bei beispielsweise fettarmer Ernährung ab, manche nicht – und andere nehmen zu. Dadurch entstehen auch diese Mythen über die „wahre Diät“.

Jeder Körper reagiert unterschiedlich auf Nahrung. Hier sollte man also mehr auf den eigenen Körper hören. Es ist unsinnig, beispielsweise einen Low-Carb-Ratgeber zu lesen und die Diät dann erbittert durchzuziehen, obwohl der Körper nicht darauf anspringt. Sinnvoller ist es, allgemein die Muster gesunder Ernährung zu kennen, zu verstehen und sich dann einen Spielraum zu geben, innerhalb dessen man sich ernährt und in dem man die Ernährung anpassen kann, je nach Erfahrung, die man selbst macht.

Bas Kast: Gut, das ist in erster Linie eine Geschmacksfrage. Hier kann ich nur meine persönliche Meinung zu sagen. Ich bin grundsätzlich eher dafür, dass jeder sich in Eigenverantwortung um seine Ernährung kümmern sollte – und zwar so, wie es ihm gefällt. Ich bin selbst ein typisches Beispiel: Wenn man mir früher gesagt hätte, wie ich mich zu ernähren habe, hätte ich auch gesagt: „hör mir auf mit dem Quatsch“.

Aber es kommen ja schon auch ein paar objektive Punkte hinzu, wie zum Beispiel die Massentierhaltung oder auch der CO2-Ausstoß durch die Lebensmittelproduktion. Und hier liegt meines Erachtens die Verantwortung in den Regierungen, etwas zu tun. Auch sollten Kinder in jedem Fall geschützt werden. Süßigkeiten sollten nicht so stark beworben werden dürfen. „Haribo macht Kinder froh“ ist eigentlich unethisch, weil Zucker in diesem Maße einfach schädlich ist für Kinder. Hier könnte der Staat, ähnlich wie bei der Tabakindustrie, eingreifen. Er könnte zudem Aufklärung zu Ernährungsthemen in Schulen einführen – oder Regeln aufstellen, welches Essen in Kantinen ausgegeben werden darf.

Bas Kast: Dazu habe ich gemischte Gefühle. In meinen Augen wäre es sinnvoller, den Menschen ein Grundverständnis zu vermitteln, was gesund ist und was nicht. Nur aufgrund dieses Grundverständnisses werden sie nämlich ermächtigt, eigene Entscheidungen zu treffen. Dann wäre eine Ampel überflüssig. In meinen Augen macht die Lebensmittelampel die Menschen eher abhängig davon. Sie sehen dann „grün ist gut“ und „rot ist schlecht“, aber verstehen nicht das „Warum“ dahinter. Ich rate den Leuten, einfach mal selber auf die Ingredienzien-Liste zu schauen. Diese Listen und Tabellen verraten schon sehr viel über das Produkt.

Wenn Zucker an zweiter Stelle steht oder die Liste aus 20 Zutaten besteht, für die Sie ein Chemielexikon benötigen, dann ist das schon mal sehr verdächtig. Diese Faustregel ist nicht sehr kompliziert. Ich plädiere also dafür, den Leuten ein Grundverständnis für gesunde und ungesunde Zutaten zu vermitteln, statt sie durch eine Lebensmittelampel in eine Art Abhängigkeit zu drängen. Außerdem stehen diese Ampeln ja auch auf Industrieprodukten, wo es schwierig ist, zu beurteilen. Tests dazu gibt es in der Regel nicht, normalerweise sind Industrieprodukte aber nicht gerade gesund.

Bas Kast: Unternehmen haben meiner Meinung nach schon eine gewisse Verantwortung. Angefangen mit den Herstellern von ungesunder Ernährung, wie zum Beispiel McDonalds. Solche Unternehmen müssen sich die Frage nach Herkunft und Verarbeitung des Fleisches gefallen lassen. Auch Unternehmen wie Haribo, Coca-Cola und Co. Ich möchte die Zuckerindustrie nicht auf dieselbe Stufe stellen wie die Tabakindustrie. Aber auch die Zuckerindustrie verharmlost tendenziell gerne und sagt dann Dinge, wie: „Es kommt auf die Energiebilanz an, eine Kalorie ist eine Kalorie“ – und das stimmt nun mal einfach nicht. Einige Kalorien sind wesentlich größere Dickmacher, als andere.

Bas Kast: In erster Linie sollte auch hier jeder für sich schauen. Wenn die Kantine nichts Ordentliches bietet: Koch selbst und bring Dir essen mit! Aber es hilft natürlich, wenn es in der Kantine eine Salatbar gibt und mehr vegetarisches Essen angeboten wird, statt nur Schnitzel mit Pommes. Das sieht man ja auch vermehrt in Unternehmen. Und solche Strukturen vereinfachen es der Belegschaft, sich gesund zu ernähren.

Je einfacher es Unternehmen den Mitarbeitern machen, umso höher ist wohl die Chance, dass sie das auch nutzen.
Bas Kast

Denn viele haben vielleicht nicht die Zeit oder die Muße, nach der Arbeit jeden Tag zu kochen oder sich morgens noch einen Salat für mittags zuzubereiten.

Bas Kast: Klar, die Leute haben wenig Zeit. Sie wollen schnell etwas essen, was ihnen schmeckt. Und da ist uns die Industrie natürlich sehr entgegen gekommen. Also vom praktischen Gesichtspunkt her sind verarbeitete Nahrungsmittel natürlich sehr hilfreich. Ich reiße mein Snickers auf und, wie es in der Werbung heißt, „der Hunger ist gegessen“. Das ist natürlich praktisch, ich kann wieder ein paar Stunden ackern. Und gegen ein Snickers ist ja auch nichts auszusetzen. Aber wenn man das täglich so macht, dann wird es zum gesundheitlichen Risiko.

Bas Kast: Ja, die sind sehr klar. In erster Linie lege ich jedem die Faustregel ans Herz, die der US-amerikanische Journalist Micheal Pollan gut auf den Punkt brachte: „Iss‘ nichts, was nicht auch deine Großmutter als Nahrung erkannt hätte“. Also natürliches Essen, tendenziell Essen, das ohne Verpackung auskommt. Nahrung also, die man schon vor Jahrhunderten aß. Und das ist eben in erster Linie: Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen, Kichererbsen, mit der Ausnahme von Reis und Kartoffeln. Kartoffeln überfluten unser Blut mit dem Einfachzucker Glukose. Laut einer Harvard-Studie geht hoher Kartoffelkonsum sogar mit einem leicht erhöhten Diabetes-Risiko einher.

Wer dennoch verarbeitete Nahrung essen möchte, sollte auf Vollkornbrot oder Olivenöl zurückgreifen, also auf verarbeitete Lebensmittel, die eine sehr lange Tradition haben. Das sind Faustregeln, die nicht immer aufgehen. Beispielsweise ist Wurst auch verarbeitet und hat eine lange Tradition – ist aber nicht sehr empfehlenswert.

Und das führt zur zweiten Faustregel: Versuche in erster Linie pflanzliche Nahrungsmittel zu konsumieren und Fleisch, im Idealfall unbearbeitet, eher als Beilage oder nur ab und zu. Verzichten sollte man auf verarbeitetes Fleisch, mit all seinen Zusatzstoffen, wie Salz, Nitraten, Konservierungsmittel und so weiter. Natürlich gibt es auch pflanzliche Produkte, die verarbeitet und nicht empfehlenswert sind, wie Weißmehl oder Zucker. Diese zwei Grundregeln sind unfassbar einfach zu lernen und zu merken. Beim Rest geht es um Details, da wird darüber gestritten, da gibt es verschiedene Lager, ob „Low Carb“, „Low Fat“, Vegan, Paleo und so weiter. Hier sollte jeder einfach ausprobieren, auf den eignen Körper hören – und sich nicht zu sehr von vermeintlichen Ernährungsdogmen einengen lassen.

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Event-Info: Mehr spannende, visionäre und mutige Geschichten und Erfahrungen rund um New Work kannst Du bei der NWX am 10. Juni 2020 live erleben. Das von XING initiierte Event ist die größte Austauschplattform zur Zukunft der Arbeit im deutschsprachigen Raum und baut der New Work Bewegung die große Bühne, damit sich immer mehr Menschen und Unternehmen auf den Weg machen.

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Alle sind eingeladen, ihre Erfahrungen und Kenntnisse zu teilen, um die Diskussionen rund um das neue Arbeiten voranzutreiben und die Arbeitswelt der Zukunft mitzugestalten. Denn New Work ist nur dann der Schlüssel für eine bessere Arbeitswelt, wenn es Ideen, Veränderungen und Tools mit sich bringt, die tatsächlich helfen, funktionieren und angewendet werden können. New Work – make it work! Auf der NWX20.

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