Gratis-Trikots: „Bei Check24 ist Goldgräberstimmung angesagt“
Das Vergleichsportal Check24 verschickt nachgeahmte Deutschlandtrikots an Kunden. Kostenlos, und Millionen Deutsche tragen die Fanshirts. Warum die Rechnung für das Onlineportal aufgehen dürfte.
Die EM-Fanmeilen des Landes bestehen derzeit aus einem schwarz-rot-goldenen Meer aus Polyester und Elasthan. Neben den offiziellen DFB-Trikots von Adidas fallen vor allem weiße Fanshirts mit riesigem Check24-Schriftzug auf.
Das Vergleichsportal hatte im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft Trikots verschenkt: weiße Shirts mit dem Unternehmenslogo auf der Brust, umrandet von einem Adler und dem Puma-Symbol. Um ein kostenloses Trikot zu ergattern, mussten sich Interessierte über die Check24-App registrieren und dem Münchner Unternehmen neben E-Mail-Adresse und Telefonnummer ihre Anschrift überlassen.
Für viele ein fairer Tausch, vor allem angesichts der Alternative: Wer ein offizielles DFB-Trikot im Fanshop erwerben möchte, muss mindestens 99 Euro bezahlen. Soll der Name des Lieblingsspielers auf dem Rücken stehen, sogar noch mehr. Ein hoher Preis besonders für jene Menschen, für die eher das Erlebnis als der Fußball im Zentrum des Turniers steht.
„Das It-Piece der EM24“, betitelte Check24 das Trikot schon vor acht Wochen auf seinem Instagram-Account. In den sozialen Netzwerken gibt es zahlreiche Memes, die sich über die Trikot-Imitate lustig machen. Geschadet hat das der Nachfrage nicht: Das Trikot ist allgegenwärtig – auf der Straße und im Internet.
Versteigerungen bei
Offizieller Beginn der Aktion war Ende April. Eine eigens errichtete Check24 Fußball GmbH hat das Unternehmen bereits im Herbst letzten Jahres registrieren lassen. Die Vorbereitungen laufen also seit fast einem Jahr.
Über fünf Millionen Menschen sollen das Trikot laut Chief Brand Officer Helmut Huber mittlerweile erhalten haben. Man habe viele Menschen glücklich gemacht, frohlockt der Manager in einem Kommentar auf Linkedin, inzwischen sei das Shirt komplett vergriffen.
Das Trikot ist dabei nur ein Teil einer großen Marketingoffensive des Münchner Unternehmens. Parallel zur EM können die Nutzer sich an einem Tippspiel beteiligen und dort Preise in Form von Wertgutscheinen gewinnen. Einlösen können sie diese nur auf dem Vergleichsportal. Angeblicher Gesamtwert der Gewinne: eine Million Euro.
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Goldgräberstimmung bei Check24
Die Meinungen über die Kampagne gehen weit auseinander. Verbraucherschützer kritisieren sie scharf. „Das Trikot gibt es natürlich nicht umsonst, man zahlt mit seinen Daten“, sagt eine Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Die Kampagne ist Weltklasse“, sagt Philipp Boehmert, Chief Marketing Officer bei Salesviewer, einem Bochumer Unternehmen für Marketingsoftware. Boehmert ist seit über 20 Jahre in der Werbung tätig und beobachtet die Check24-Aktion schon etwas länger. Zielgruppe des Tippspiels und der kostenlosen Trikots seien vor allem junge Menschen, vermutet er. „Bei Check24 ist jetzt Goldgräberstimmung angesagt.“
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Mehr als fünf Millionen Menschen haben sich die App heruntergeladen, ein Profil erstellt und Daten angegeben. Das Vergleichsportal hat über die Kampagne also eine Fülle an neuen Kunden und auch Daten generiert – und nun diverse Zugangspunkte zur Zielgruppe, sei es über die App oder per Mail. Wie hoch der spezifische Gegenwert ist, der dem Unternehmen dadurch entsteht, ist dennoch nicht ganz einfach zu ermitteln.
Die wichtigste Kennzahl der Werbemaßnahme sind die Customer Acquisition Costs, also wie viel Geld das Vergleichsportal ausgeben muss, um einen neuen Kunden zu gewinnen. Laut Boehmert ist der Betrag bei Produkten wie Kredit und Versicherung vergleichsweise hoch, weil auch der Wettbewerb in dem Bereich hoch ist. Der Experte spricht von mutmaßlichen Kosten im hohen zweistelligen bis gar dreistelligen Bereich pro Neukunde. Bei kurzfristigen Produkten wie Reise und Mietwagen seien die Kosten sehr wahrscheinlich niedriger.
Günstige Kundenakquise mit Trikots
Im Endeffekt spare Check24 mit der Trikot-Kampagne also Geld bei der Kundenakquise, erklärt Boehmert weiter. „Ich denke, man wird sich mit Puma bei der Kooperation gut geeinigt haben und die Produktionskosten der Trikots spielen für Check24 keine große Rolle.“ Die Kosten pro neuem Nutzer seien dadurch also weitaus geringer als bei üblichen Werbemaßnahmen, glaubt der Salesviewer-CMO. Mit den Herstellungskosten von 9,70 Euro des offiziellen DFB-Trikots lasse sich diese Kalkulation nicht vergleichen, so Boehmert. Er vermutet, dass die Rechnung wesentlich geringer ausfalle.
Aufgrund der Masse an vorhandenen Daten könne Check24 im Gegenzug genau klassifizieren, in welche Gruppe die Nutzer passen und ihnen entsprechende Werbung schicken, erklärt Experte Boehmert. „Wenn irgendwann Interesse an einem Kredit besteht oder einer neuen Versicherung, werden sich die Leute erst einmal bei Check24 informieren, weil sie den App-Zugang ohnehin schon haben“, so der Salesviewer-CMO weiter. „Diese Trikot-Aktion führt die Kunden in das Universum hinein. Das ist total genial und mir fallen wenige Beispiel in dieser Größenordnung ein.“
Beim Public Viewing auf den Fanmeilen und in den Bars dominieren die Gratis-Trikots, der Werbeeffekt auf der Straße ist enorm. Auch Puma profitiert von mehr als fünf Millionen neuen Werbeträgern. Ein Coup für beide Parteien - zu denen sie sich auf Anfrage jedoch beide nicht äußern wollen.
Erst Ende März hatte der Ausrüsterwechsel des DFB große Wellen geschlagen. Statt wie bislang von Adidas wird die Ausrüstung der Nationalmannschaft ab 2027 vom amerikanischen Sportbekleidungshersteller Nike gestellt werden. Jetzt ist es ausgerechnet das Logo des Mitwettbewerbers Puma, das auf den Werbetrikots von Check24 prominent auf der Brust prangt. Der Sportartikelhersteller profitiert vom EM-Effekt, allerdings ohne teure Lizensierungsverträge mit der UEFA.
Die EM-Kampagne von Check24 bringt dem Unternehmen also Erfolg in dreifacher Hinsicht: Das übergroße Logo auf den weißen Shirts bringt landesweit Sichtbarkeit, das Portal generiert in Rekordzeit mehr als fünf Millionen neue Kunden und hat dadurch eine Fülle neuer Daten und Erkenntnisse gewonnen.
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