Im Beruf am Limit: Brauchen wir ein anderes Männlichkeitsbild auf der Arbeit?
Männer weinen nicht – und schon gar nicht im Büro! Warum eine veraltete Vorstellung davon, was Männer leisten müssen, krank macht und unproduktiv ist.
Ein Mann erklärt unter Tränen, dass er seinen Job nicht mehr ausführen kann. Zu viel Druck und ständige Bewertung haben ihn an seine Grenzen geführt. Alle Kameras waren auf ihn gerichtet, als Max Eberl, Sportdirektor des Bundesligaclubs Borussia Mönchengladbach, im Februar in einer Pressekonferenz von seinem Burnout sprach. Die Medien feierten ihn. Mutig sei der Auftritt gewesen, aufrüttelnd, ungewöhnlich „für einen Mann“. Und das stimmt: Öffentlich Schwäche zeigen, die eigenen Grenzen kommunizieren, den Stress erkennen und daraus Konsequenzen ziehen – das kennen wir so nicht, vor allem nicht von erfolgreichen Männern. Dabei können auch sie unter dem Leistungsdruck der Arbeitswelt zusammenbrechen. Sie sprechen nur seltener darüber, wie es ist, den Druck und Stress aushalten zu müssen.
Am 16. Mai sprechen wir mit dem Olympiasieger und XING Insider Sven Hannawald, Unternehmer und Autor Bodo Janssen und Ralf Lanwehr, Professor für internationales Management im XING Lunch Talk über das Thema: „Im Beruf am Limit – Der Druck der Männlichkeit".
Unsere Berufswelt ist – New Work hin oder her – an vielen Stellen noch immer geprägt von veralteten Machtstrukturen, Leistungsdruck und wenig Raum für individuelle Bedürfnisse. Darunter leiden Männer und Frauen gleichermaßen – aber eben doch anders. Während Frauen vor allem mit Gender Pay Gap, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Chancenungleichheit zu kämpfen haben, kommen Männer schneller in Machtpositionen. Dort sind sie aber auch früher auf sich allein gestellt und müssen Klischees über Männlichkeit nach außen erfüllen, die sie im Innern oft zermürben. Performance-Druck wird lange Zeit zur Seite geschoben („Das wird schon wieder …“), Panikgefühle, Angst und Depressionen leichtfertig als „kurze Phase“ abgetan. Mit fatalen Folgen für Betroffene und ihr Umfeld zugleich.
Einer, der selbst erlebt hat, was Leistungsdruck und ständige Grenzüberschreitung auslösen, ist der ehemalige Skispringer und XING Insider Sven Hannawald. Er erkrankte vor Jahren am Burnout-Syndrom, eine Belastungs-Depression, und berät heute Unternehmen zu Präventivmaßnahmen für Mitarbeitende. „Max Eberl ist die sichtbare Spitze des Eisbergs in unserer gestressten Gesellschaft. Das ist ein Problem, das Millionen Menschen in unserem Umfeld betrifft – im Büro oder zuhause. Die Überlastung unserer Kollegen, Freunde und Familienangehöriger erkennen wir oft nicht. Weil wir vor lauter digitaler Ablenkung nicht mehr hinsehen. Nicht zuhören und wissen, was wir präventiv mit echten Menschen machen können, um Burnout zu verhindern, wenn der Akku leer ist. Unternehmen können den Anfang machen mit gesunder Führung und zugleich jeder Einzelne mit mehr Achtsamkeit und Mut zur Pause“, sagt er.
Doch warum fällt es vielen Männern so schwer, über ihre Gefühle, Belastungen und Ängste zu sprechen? So schwer, dass sie häufig nicht rechtzeitig die Pausetaste drücken und erst zum Stillstand kommen, wenn ihr Körper sie – durch Burnout, Zusammenbrüche, Suchterkrankungen – dazu zwingt.
Warum ist der Druck in unserer Gesellschaft so hoch; mit wem kann Mann über Burnout-Gefahr und Leistungsdruck sprechen? Und was können Unternehmen tun, um vorzubeugen und Anzeichen richtig zu deuten – sprich, das Bild von Männlichkeit zu ändern? Schließlich sagt inzwischen selbst Microsoft-Gründer Bill Gates: „Busy is the new stupid“.
„Die moderne Welt verlangt nach modernen Lösungen“, sagt XING Insider Ralf Landwehr, dem als Berater im Fußball-Business ein harter Ton bekannt ist. „Sonst zerbrechen Personen und Organisationen irgendwann unter der Last der Resilienzlücke. Selbst so großartige Menschen wie Max Eberl.“ Die sogenannte „Resilienzlücke“ beschreibt die Diskrepanz zwischen der Veränderungsdynamik der Umgebung und der Reaktionsgeschwindigkeit von Organisationen. Beispielweise verändert sich der Profifußball deutlich dynamischer, als die Vereine darauf reagieren. Das erzeugt dann eine zunehmend reduzierte Reaktionsfähigkeit bei Rückschlägen.
Je größer diese Lücke ist, desto stärker sinkt die Resilienz einer Organisation und ihrer Mitglieder – und genau hier können, müssen, Unternehmen ansetzen, damit ihre Mitarbeitenden in der neuen, digitalen, extrem schnellen Arbeitswelt gesund bleiben können.
Das hat auch XING Insider Bodo Janssen erkannt und sucht bewusst nach Gegenpolen: in der Ruhe. „In der Stille begegnen wir uns selbst“, erklärt er – und schaffen damit die Grundvoraussetzung, um auch mit Krisen umgehen zu können. Zugleich müssen laut Janssen auch Unternehmen in besonders schwierigen Zeiten die Verantwortung übernehmen: „Bei der neuen Führung geht es also nicht nur um das Gestalten neuer Methoden und eines attraktiven Arbeitsumfeldes, sondern vielmehr darum, Menschen aus der Abhängigkeit eines Unternehmens heraus in die Eigenverantwortung zu führen. Und das setzt bei den Führenden ein genauso bedingungsloses wie ehrliches Interesse an der Entwicklung der im Team mitarbeitenden Menschen voraus.“
Wie Unternehmen und Führungskräfte ein neues Bewusstsein entwickeln können, um Probleme der Mitarbeitenden und Burnout frühzeitig zu erkennen – und wie Männer lernen, ihre Gefühle frühzeitig zu reflektieren – darüber sprechen wir beim Lunch Talk „Im Beruf am Limit: Der Druck der Männlichkeit“.