Nachgefragt: Was wären die Auswirkungen eines Wirtschaftslockdown für die Branche?
Bevor die Bundesregierung den Lockdown in Deutschland bis Mitte Februar 2021 vergleichsweise „mild“ verlängerte, hat die „möbelfertigung“ eine Blitzumfrage zu einem drohenden Wirtschaftslockdown erstellt und einige Stimmen aus der Branche eingefangen:
„Natürlich darf man mit der Pandemie auf keinen Fall leichtfertig umgehen“, so Andreas Wagner, Geschäftsführer von Rotpunkt Küchen. „Aber auf der anderen Seite ermöglicht nur unsere Wirtschaftsleistung die zahlreichen, notwendigen Hilfen. Aus meiner Sicht wäre es ein falsches Signal, die stärkste Wirtschaftskraft Europas mit einem Lockdown in die Knie zu zwingen.“
Ähnlich äußert sich ein anderer Küchenhersteller, auch dort wird ein Wirtschaftslockdown kritisch gesehen: „Die Zahlungen an die besonders hart getroffenen Branchen, wie zum Beispiel die Gastronomie oder die Veranstaltungsbranche, müssen erwirtschaftet werden. Möbelindustrie und -handel profitieren in diesen schwierigen Zeiten von einem erfreulichen Verbraucherverhalten. Diese Umsätze sind gerade jetzt wichtig. Gleichzeitig achten wir natürlich auf die Sicherheit und den Schutz unserer Mitarbeiter und Kunden. So haben wir zum Beispiel in kürzester Zeit mehrere hundert Home-Office-Plätze eingerichtet. Denn in letzter Konsequenz steht die Gesundheit über allem.“
Wie schwierig das Treffen von Entscheidungen angesichts der aktuellen Lage ist, betont auch Dieter Rezbach, geschäftsführender Gesellschafter von Lignum Consulting: „Die Wirtschaft komplett einzufrieren, halte ich für sehr riskant. Andererseits muss die Corona-Pandemie extrem ernst genommen werden. Das fängt bei jedem Einzelnen an, der seine Kontakte so weit wie möglich einschränken und sich an alle Vorgaben halten muss. Und auch Unternehmen tragen hier eine hohe Verantwortung. Sie müssen ihre Mitarbeiter schützen und zum Beispiel, soweit möglich, Home-Office anbieten. Hier ist schon einiges getan worden, aber ich bin überzeugt, dass wir als Branche noch mehr leisten können. Aber nochmal: Einen kompletten Wirtschaftslockdown halte ich nicht für den richtigen Weg.“
Frank Epple, Geschäftsführer von Holz-Her, formuliert diese Aussage deutlicher: „Ein angeordneter Lockdown für die Wirtschaft wäre eine echte Katastrophe. Im Prinzip eine unmögliche Forderung. Und aus meiner Sicht auch eine unnötige. Wenn ein Unternehmen zum Hotspot mutiert, wird es sowieso umgehend vom Gesundheitsamt geschlossen – und zwar mit allen Konsequenzen. Ein verantwortungsvolles Management und auch kein Firmeninhaber riskiert so etwas wissentlich. Sondern setzt auch jetzt schon alles daran, dass alle Hygienevorschriften eingehalten werden, die Belegschaft entzerrt ist, Masken vorschriftsmäßig zum Einsatz kommen und ähnliches.
Wir bei Holz-Her verfügen glücklicherweise über ein sehr modernes Gebäude und damit eine sehr gute Lüftung, die einiges erleichtert. Aber ich kenne es an anderen Stellen, wo beispielsweise Lüftungskonzepte nicht sehr genau genommen werden. Schließlich will niemand Corona ,im Haus‘ haben. Eine vorgegebene Schließung oder auch nur ein verpflichtendes Home-Office ist nicht hinzunehmen und tragbar. Denn es gibt bei manchen Angestellten schlicht und ergreifend keine Möglichkeit, im Home-Office adäquat zu arbeiten. Weil die örtlichen Gegebenheiten nicht passen oder die Internet-Leistung nicht ausreicht. Diese Kollegen wollen schlicht und ergreifend auch nicht zuhause arbeiten, sondern kommen lieber unter strengen Voraussetzungen ins Büro. Ich plädiere darum weiterhin für die Eigenverantwortung einer jeden Führungsetage. Ein Wirtschaftslockdown wird sonst nahezu überall ein Hineindrängen in die Kurzarbeit sein, fürchte ich.“
Und auch Volker Irle, Geschäftsführer der AMK, hat eine klare Meinung: „Ein undifferenzierter Wirtschaftslockdown ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Grundsätzlich ist es natürlich richtig, beispielsweise eine deutliche Empfehlung in Richtung Home-Office zu geben, aber sehr viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeit auch schon längst verstärkt. Vor Herausforderungen stehen beispielsweise produzierende Unternehmen bei denen Home-Office schlicht nicht möglich ist. Hier wurden bereits im ersten Lockdown neue Wege beschritten mit zusätzlichen Hygienemaßnahmen, Schutzkleidung und ähnlichem.
Ein weiteres sehr akutes Thema sind die bereits heute vom Lockdown betroffenen Küchenstudios. Die im Vergleich zum letzten Frühjahr jetzt schon länger anhaltenden Einschränkungen und die Ungewissheit, wie lange dieser Zustand noch anhalten wird, verlangt gerade auch von Seiten der Politik, die bisher eher pauschalen Regelungen zu überprüfen und an die spezifischen Situationen, zum Beispiel in den Küchenfachgeschäften, anzupassen. So sollte es möglich sein, unter Beachtung von Abständen, FFP2-Masken, Trennwänden und entsprechender Belüftung einzelne Kunden im Fachgeschäft zu beraten. Eines ist doch klar: Sollte der Handel bezogen auf neue Aufträge ,leerlaufen‘, wird sich das in der gesamten Industrie widerspiegeln. Mit anderen Worten: Komplette Industriezweige würden auf lange Sicht, ohne Prognose, lahmgelegt werden. Eine differenzierte Betrachtung wäre daher wichtig.“
Maximilian Lehner, Geschäftsführungsmitglied der Ima Schelling Group GmbH, sieht es folgendermaßen: „Die jetzige Situation verlangt von den Entscheidern in Bund und Länder sicher einiges ab, ob in Deutschland oder Österreich. Das ist keine beneidenswerte Position. Allerdings dürfen letztlich nicht die bestraft werden, die bereits sehr viel gegen die Verbreitung des Virus getan haben. In allen mir bekannten Unternehmen gibt es verschiedenste Hygienemaßnahmen, welche auch strikt eingehalten werden. Mir sind in unserer Firma seit April keine Fälle mehr bekannt, bei denen sich Mitarbeiter in der Firma angesteckt haben.
Eine weitere Einschränkung der Wirtschaft würde in der Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und auch Europa erheblichen Schaden anrichten. Die Folge wäre nicht nur ein Rufschaden, sondern auch ein Starkmachen der Konkurrenz aus dem Ausland. In meinen Augen müssen Unternehmen weiterarbeiten. Und, als zusätzlicher Punkt, Kinder in die Schule gehen dürfen. Alles andere hat verheerende Folgen.“