Neue Arbeit: Darum brauchen wir neue Vergütungsmodelle
Über Geld spricht man nicht? Von wegen! In Zeiten, in denen Unternehmen agiler werden und neue Arbeitsformen ausprobieren, rückt auch die Gehaltsfrage ins Zentrum. New Pay heißt das Schlagwort. Warum braucht es alternative Vergütungsmodelle und wie sehen diese aus?
Wer anders arbeitet, sollte auch anders vergütet werden. Diesem Leitsatz folgen immer mehr Unternehmen und Organisationen, die ihre Arbeitsweise umstellen. Denn vor allem in Betrieben, in denen klassische Hierarchien zugunsten agiler Rollen und Teams abgeschafft werden, stellt sich schnell die Gehaltsfrage. Zugespitzt ausgedrückt: Wenn es keine Chefin oder keinen Chef mehr über mir gibt, wer bestimmt dann über meine Bezahlung? Doch auch die veränderten Erwartungen der Beschäftigten haben Folgen für das Gehalt und den Gehaltsprozess, etwa der zunehmende Wunsch nach mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie nach stärkerer persönlicher Entwicklung und Wertschätzung.
All diesen Herausforderungen stellen sich Unternehmen auf ganz unterschiedliche Weise: „Aktuell wird sehr viel experimentiert mit neuen Vergütungsmodellen“, erklärt Prof. Werner Eichhorst vom Institute of Labor Economics. Das kann die Abkehr von individuellen Bonusmodellen sein, eine größere Transparenz von Entgeltsystemen, eine stärkere Ausrichtung an individuellen Wünschen oder die zunehmende Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Unternehmenskapital. „Das sind alles Versuche, die Steuerungs- und Verteilungsfunktion von Entgeltsystemen in die moderne Arbeitswelt zu übertragen.“
Die „Lern- und Experimentierräume“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) haben bereits eine Vielzahl solcher Ansätze porträtiert: So setzt die Unternehmensberatung Summer&Co zum Beispiel auf einen offenen Gehaltsprozess, bei dem das Gehalt nicht mehr mit der Führungskraft, sondern der gesamten Organisation abgestimmt wird – inklusive Vetorecht der anderen Beschäftigten. In der Kommunikationsagentur quäntchen + glück sowie der Beratungsfirma praemandatum erhalten alle Mitarbeitenden ein Einheitsgehalt. Bei SEIBERT MEDIA entscheidet ein gewählter „Gehaltscheckerkreis“ über das Entgelt. Und bei partnerteams sind die Mitarbeitenden gleichberechtigte Gesellschafterinnen und Gesellschafter, die keinen festen Lohn bekommen, sondern von den Aufträgen bezahlt werden, die sie für das Unternehmen gewinnen.
Was diese und weitere Beispiele gemeinsam haben: Sie sind Vorreiter in Sachen Entgeltfindung. Denn obwohl New-Work-Ansätze in immer mehr Organisationen ankommen, hinken New-Pay-Lösungen noch hinterher. Für Nadine Nobile, Organisationsberaterin und Gründerin von CO:X, führt jedoch bei neuen Formen der Zusammenarbeit kein Weg an neuen Gehaltsprozessen vorbei, denn die Bezahlung ist zunehmend auch eine Frage der Fairness: „Wenn Menschen daran beteiligt werden, wie sich das Gehalt entwickelt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich gesehen und fair behandelt fühlen, als wenn es von oben festgelegt wird.“
Darüber hinaus werden nichtmonetäre Vergütungen immer wichtiger. Für viele Beschäftigte zählen diese mehr als das Entgelt oder Vergünstigungen, die eine Firma zur Verfügung stellt. Stattdessen wollen sie auch gesehen werden, etwas gestalten und sich weiterentwickeln können. „Wir stellen in Gesprächen immer wieder fest: Wenn Menschen an dieser Stelle das Gefühl haben festzustecken, dann wird die Höhe ihres Gehalts sehr viel bedeutsamer. Aber nicht, weil es ihnen an Geld fehlt, sondern weil das Gehalt dann zum Ausgleich für fehlende Entwicklungsmöglichkeiten und oft auch für mangelnde Wertschätzung wird“, erläutert Nobile. Deshalb müssen Organisationen sich immer wieder über die Frage austauschen: Was bekommen Beschäftigte für ihre Arbeit? Und was ist ihnen wichtig, was fehlt ihnen? Dieser Dialog wird in Zukunft bedeutsamer werden.
Oder wie Antonia Nooke, Beraterin bei Summer&Co, zum offenen Gehaltsprozess sagt: „Er erlöst mich vom individuellen Verhandlungsgeschick, von der Dynamik zwischen Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter und Führungskraft und vom egoistischen Denken ,Ich muss das Beste für mich herausschlagen‘. Ich weiß einfach, wo ich stehe.“
Service-Info: Mit dem Webportal experimentierraeume.de bietet das BMAS eine Plattform, auf der Unternehmen durch inspirierende Beispiele anderer dazu ermutigt werden sollen, neue Wege in Richtung Arbeitswelt der Zukunft zu gehen. In einer regelmäßigen Artikelreihe werden ausgesuchte Beispiele der Experimentierräume hier im „XING New Work Experience“ vorgestellt.