Politische Gesinnung als Kündigungsgrund? Welche Äußerungen am Arbeitsplatz zulässig sind
Der Ukraine-Konflikt führt erneut zu der Frage: Ist die politische Gesinnung als Kündigungsgrund rechtens? Jens Niehl, Anwalt für Arbeitsrecht, erklärt, welche Äußerungen am Arbeitsplatz zulässig sind – und ab wann es kritisch wird.
Sei es der anhaltende Ukraine-Krieg, der Aufschwung der rechtspopulistischen Parteien in Europa, die aktuelle Situation beunruhigt viele Menschen. Da können kontroverse Diskussionen und Streitgespräche am Arbeitsplatz leicht aufkommen. Inwiefern sind politische Meinungsäußerungen im Arbeitsverhältnis aber zulässig und in welchen Fällen sind diese nicht mehr akzeptabel und es folgt die Kündigung?
Das Arbeitsverhältnis ist kein politisch neutraler Bereich
Grundsätzlich darf jede•r unter Berufung auf Art. 5 des Grundgesetzes seine Meinung auch im Arbeitsverhältnis frei äußern (BAG Urteil vom 5.12.2019 – 2 AZR 240/19). Der Arbeitgeber kann den Betrieb nicht zur diskussions- oder politikfreien Zone erklären. Eine vertragliche Pflicht, politische Äußerungen im Betrieb zu unterlassen, gibt es nicht.
Meinungsfreiheit rechtfertigt keine Störung des Betriebsfriedens
Nach ständiger Rechtsprechung gelten aber dann Einschränkungen der Meinungsfreiheit, wenn durch eine politische Äußerung innerhalb des Betriebes der Betriebsablauf gestört oder der Betriebsfrieden konkret beeinträchtigt wird. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn sich Arbeitnehmer•innen in verfassungsfeindlicher bzw. kriegsverherrlichender Weise äußern und damit die Empfindungen anderer Beschäftigter verletzten. Bei erstmaligen und nicht besonders gewichtigen Verstößen wird die Abmahnung regelmäßig die angemessene Maßnahme darstellen.
Insbesondere bei massiven Störungen kann allerdings auch eine fristgemäße Kündigung (ordentliche Kündigung) bis hin zur fristlosen Kündigung als Maßnahme gerechtfertigt sein. Die fristlose Kündigung ist das letzte Mittel zu dem Arbeitgeber greifen dürfen, wenn ihnen verhältnismäßig weniger einschneidende Maßnahmen wie Abmahnung und ordentliche Kündigung nicht mehr zugemutet werden können.
Gerade bei verhöhnenden, beleidigenden oder schikanösen Äußerungen gegenüber persönlich Betroffenen wird auch eine Kündigung ohne vorherige Warnung durch eine Abmahnung wirksam sein können.
Die Rechtfertigung einer Kündigung bedarf aber immer auch einer Betrachtung im Einzelfall, bei der die jeweiligen Rechte abgewogen werden müssen. Das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg urteilte beispielsweise (Urteil vom 25.09.2017), dass eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt war, nachdem ein Arbeitnehmer im Pausenraum „Mein Kampf“ las und dabei ein Hakenkreuz auf dem Einband präsentierte.
Arbeitspflicht hat Vorrang
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben die Verpflichtung, während der vereinbarten Arbeitszeit ihre Arbeit zu erledigen. Diese Arbeitspflicht können Arbeitgeber auch einfordern, wenn Diskussionen die Arbeitsleistung beeinträchtigen. Entsprechend können auch Beschäftigte den Arbeitsplatz nicht einfach verlassen, um während der Arbeitszeit statt zu arbeiten Diskussionen zu führen. Beschäftigte, die durch provokante Äußerungen Streit vom Zaun brechen, verhalten sich auch nicht korrekt und können abgemahnt werden. Bei beharrlicher bzw. wiederholter Weigerung zur Erbringung der Arbeitsleistung kann auch eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Auch, wer den Arbeitsplatz für außerbetriebliche Veranstaltungen verlässt, würde sich pflichtwidrig verhalten. Auf solche Verstöße können Arbeitgeber mit einer Abmahnung reagieren. Nach einvernehmlicher Absprache ist die Teilnahme an Veranstaltungen oder an Unterstützungsmaßnahmen natürlich möglich.
Druckkündigung ist ausnahmsweise gerechtfertigt
Häufig sind auch geschmacklose Äußerungen noch von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, weshalb eine verhaltensbedingte Kündigung ausgeschlossen wäre. Beendet dann ein Arbeitgeber dennoch das Arbeitsverhältnis, kann sich dieser zur Rechtfertigung in seltenen Fällen auf eine sogenannte Druckkündigung berufen.
Bei einer Druckkündigung fordern entweder Kunden oder die Belegschaft unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber die Kündigung eines oder einer Beschäftigten getreu dem Motto: „entweder der/die oder wir“.
Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer Druckkündigung sind allerdings sehr streng. So verlangt die Rechtsprechung, dass sich der Arbeitgeber zunächst schützend vor seine•n Arbeitnehmer•in zu stellen hat, wenn es an einem objektiven Kündigungsgrund fehlt. Der Arbeitgeber muss alles ihm Zumutbare versuchen, um den Kunden bzw. Belegschaft von der Drohung abzubringen.
Betriebsverfassungsrecht erlaubt parteilose politische Äußerungen
Dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat sind gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG parteipolitische Betätigungen im Betrieb untersagt. Parteipolitische Äußerungen sind danach generell untersagt.
Das Bundesarbeitsgericht entschied aber mit Beschluss vom 17.03.2010 - 7 ABR 95/08, dass von dem in § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG normierten Verbot parteipolitischer Betätigung im Betrieb Äußerungen allgemeinpolitischer Art ohne Bezug zu einer Partei nicht erfasst sind.
Die Beteiligten stritten in dem Fall über die Berechtigung des Betriebsrats zur Kundgabe politischer Äußerungen im Betrieb der Arbeitgeberin. Hintergrund war, dass der in dem Betrieb der Arbeitgeberin bestehende Betriebsrat 2003 einen mit "Nein zum Krieg" überschriebenen Aufruf veröffentlichte, sich dem Irak-Krieg zu widersetzen und den Präsidenten der Vereinigten Staaten aufzufordern, den Krieg zu beenden.
Demnach dürfen sich also Arbeitgeber und Betriebsratsmitgliedern äußern, sofern die Äußerung nicht einer Partei zuzuordnen ist. Selbstverständlich dürfen auch die Äußerungen der Betriebspartner nicht den Betriebsfrieden stören.