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Sarah-Lee Heinrich im Interview über Aufstiegschancen in Deutschland für Kinder in Armut - © Georg Kurz

Sarah-Lee Heinrich über Chancengleichheit: “Kein Kind sollte sich dafür anstrengen müssen, nicht in Armut zu leben”

Wenn es um die Frage geht, ob in Deutschland alle Menschen die gleichen Chancen haben, werden gerne Beispiele für den sozialen Aufstieg gesucht, die belegen sollen, dass es ja jede und jeder schaffen kann – wenn er oder sie nur hart genug arbeitet. Die 19-jährige Sarah-Lee Heinrich ist so ein Beispiel. Als Tochter einer alleinerziehenden Hartz IV-Empfängerin, ist sie aufs Gymnasium gegangen, hat ihr Abitur mit 1,2 abgeschlossen, studiert mittlerweile in Köln und ist Mitglied im Vorstand der Grünen Jugend, engagiert sich bei Fridays for Future und gegen Kinderarmut. Dass sie das alles tun kann, hat für sie aber vor allem mit verdammt viel Glück zu tun – in einem Land, in dem Kinder und Jugendliche durch ihren soziale Status ausgegrenzt werden.

Sarah-Lee Heinrich: Armut ist in Deutschland ein verstecktes Thema

Bekannt geworden ist Sarah-Lee Heinrich 2018 mit einem Tweet, in dem sie die Ungerechtigkeiten des Hartz IV-Systems für Kinder und Jugendliche kritisierte. Für sie ist klar: Wenn die Arbeitswelt wirklich divers und inklusiv werden will, müssen wir über faire Löhne reden – auch für Praktika und Ausbildungsverhältnisse – sonst kann man sich das Diversity-Training auch gleich schenken, denn dann schließt man einen Großteil der Menschen von Beginn an aus. Wir haben mit Sarah-Lee Heinrich über das Aufwachsen in Armut, intersektionale Diskriminierung und eine wirklich gerechte Gesellschaft gesprochen.

VOGUE: Warum haben Sie sich entschlossen, in der Öffentlichkeit über das Aufwachsen in Armut zu sprechen?

Sarah-Lee Heinrich: Armut betrifft total viele Menschen in Deutschland, aber es ist ein verstecktes Thema, weil Betroffenen eingeredet wird, dass sie selbst schuld sind, wenn sie in Armut leben. Und ich glaube, für mich war es schlimm, dass ich mich so allein gefühlt habe mit meiner Armutserfahrung. Mir als aufwachsender junger Frau hätte es total gut getan, von Menschen zu hören, die Ähnliches erfahren haben – auch um zu wissen, dass da vielleicht mehr dahintersteckt, als individuelles Versagen. Deswegen ist es mir sehr wichtig, in der Öffentlichkeit über Armutsfragen und auch meine persönliche Geschichte zu reden. Um anderen Menschen die Last zu nehmen, die die Gesellschaft auf sie als Arme abwälzt.

Was bedeutet Armut für Sie?

Armut bedeutet für mich stetige Unsicherheit. Armut bedeutet Verzicht. Und zwar kein cooler, freiwillig gewählter Minimalismus, sondern der Zustand,. dass Grundbedürfnisse nicht gedeckt sind. Armut bedeutet für mich auch, am Rande der Gesellschaft zu stehen. Wer arm ist, hat zum Beispiel nicht die Mittel, mal eben aufs Stadtfest zu gehen. Aber Armut heißt vor allem auch, dass die Gesellschaft auf einen herabschaut. Und das grenzt aus.

[Mir ist es] sehr wichtig, in der Öffentlichkeit über Armutsfragen und auch meine persönliche Geschichte zu reden. Um anderen Menschen die Last zu nehmen, die die Gesellschaft auf sie als Arme abwälzt.
Sarah-Lee Heinrich

Welche Hürden müssen arme Kinder überwinden, wenn sie aus der Armut herauskommen sollen?

Naja, arme Kinder kommen aus armen Familien. Da, wo eine arme Familie ist, da fehlt es oft an Unterstützung. Unser Schulsystem ist zum Beispiel darauf ausgelegt, dass viel zu Hause aufgefangen wird. Das, was bei anderen zu Hause passieren kann – dass die Eltern einen zum Musikunterricht schicken, den Sportverein finanzieren und Nachhilfe bezahlen können – geht in armen Familien nicht, weil die Ressourcen nicht da sind. Das sorgt dafür, dass die Unterstützung zu Hause eine viel dünnere ist, als bei Familien, die eher wohlhabend sind. Das lässt einen früh an eine Decke stoßen.

Sarah-Lee Heinrich über Schulen in Deutschland: Kindern in Armut wird verwehrt, sich frei auszuprobieren

SLH: Ich habe auf dem Gymnasium ziemlich schnell gemerkt, dass die Kinder ein ziemlich anderes Leben geführt haben als ich. Kindern, die in Armut aufwachsen, wird verwehrt, dass sie sich frei ausprobieren können. Ich sage nicht, dass jedes Kind studieren soll, aber... das vollständige Interview finden Sie hier.

Interview: Helen Hahne

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