Skandal um fragwürdige Handyshops: Hat Vodafone die Kontrolle verloren?
Ein zuvor auffällig gewordener Vodafone-Shop steht erneut im Rampenlicht. Unternimmt der Konzern genug, um Kunden vor fragwürdigen Akteuren zu schützen?
Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer in der Community. „Der Shop“ in Brühl sei erneut aufgeflogen, „es ist eskaliert“, sagt eine Quelle der WirtschaftsWoche. Eskalation, das ist im internen Sprech des Telefonkonzerns Vodafone ein Synonym für massive Kundenbeschwerden. „Der Shop“ in Brühl ist ein früheres Geschäft des Vertriebsunternehmens Compramos, das bis zum vergangenen Jahr neun Läden im Raum Köln-Bonn unterhielt. Brühl, Compramos und mögliche Eskalation: Zusammen ergibt das ein größeres Problem für Vodafone, wieder einmal.
Im vergangenen Jahr nämlich hatte Compramos Vodafone einen Skandal eingebrockt. Über einen längeren Zeitraum waren in den Shops der Firma Vodafone-Verträge unter fragwürdigen Bedingungen verkauft worden, der Ruf des gesamten Unternehmens Vodafone litt.
Entsprechend umfassend gelobte man Besserung: Dem Betreiber wurde fristlos gekündigt, weitere Auffälligkeiten sollten streng überwacht werden. Gut ein Jahr ist das nun her. Und der Fall Brühl wirft die Frage auf: Tut Vodafone heute genug, um seine Kunden vor Gaunereien zu schützen?
Ein Einzelfall nämlich ist der ehemalige Compramos-Shop in Brühl wohl nicht. Auch der einst von Compramos geführte Shop in Pulheim geriet jüngst durch Tippgeber erneut ins Visier – und wurde bei einem Testkauf offenbar auf frischer Tat ertappt: „Der von der Compramos GmbH in Pulheim geführte Fachhandel besitzt keine Lizenz für den Vertrieb von Vodafone-Produkten“, so Vodafone. Die Einhaltung dieser Vorgaben sei nach entsprechenden Hinweisen kontrolliert worden, um potenzielle Verstöße dagegen nachweislich aufzudecken und dagegen vorgehen zu können: „Als dies mit einem weiteren Testkauf gelang, haben wir umgehend gehandelt.“
Ähnlich soll es laut Vodafone auch in Brühl gelaufen sein. Dort soll es in dem bis dahin im konzerneigenen Rot gehaltenen Geschäft in einer Shoppingmall „Hinweise zu unrechtmäßigen Vertriebstätigkeiten gegeben haben, die „bei Prüfungen, die wir in regelmäßigen Abständen durchführen, bestätigt“ worden seien. „Vorfälle, die auf Schädigungen von Kunden hingewiesen hätten“, habe es aber nicht gegeben. „Die entstandene Reklamation ist weder über meine Filialnummer noch aus meinem Shop entstanden“, so die Inhaberin des Geschäfts. Alles sauber also?
Altes Branding, neuer Shop
Zumindest ganz überraschend dürften diese „unrechtmäßigen“ Tätigkeiten für Vodafone nicht gekommen sein. Nach Informationen der WirtschaftsWoche soll Vodafone im Herbst 2023 den Shop bereits geschlossen und die Ladeneinrichtung abgebaut haben. Kurze Zeit später sollen Vodafone-Mobiliar und ein rotes Portal dort wieder aufgebaut worden sein. Der Shop erstand auf – diesmal als freier Telefonladen, der neben Vodafone-Produkten auch die anderer Anbieter vertrieben hat. Diese freien Läden haben normalerweise kein einheitliches Branding eines Anbieters – der in Brühl aber entsprach weiter augenscheinlich größtenteils der roten Corporate Identity.
Laut Vodafone soll eine Händlerin unter dem Namen „Mobil mit Stil“ den Laden geführt haben: „Der Fachhandel „Mobil mit Stil“ in Brühl konnte Werbemittel zunächst weiter nutzen, weil er Vodafone-Produkte verkaufen durfte“, so die Erklärung von Vodafone. Von Kunden jedoch dürfte dieser Wechsel gar nicht bemerkt worden sein, für sie sichtbar stand dort augenscheinlich nach kurzem Umbau der gleiche Vodafone-Shop wie vorher. Dem Betreiber der Mall, das Unternehmen Retail Match aus München, ist der Name „Mobil mit Stil“ nur „in Bezug auf Tagespromotionen“ bekannt: der Mietvertrag der Compramos sei schon Anfang des Jahres auf einen anderen Vertragspartner übergegangen. Dass der Laden auf der Website des Shoppingcenters weiter als Vodafone-Shop und vorübergehend geschlossen gelistet war, lag an einem „technischen Defekt“ und habe keine weitere Bedeutung.
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Der frühere Compramos-Geschäftsführer H.S. verrät der WirtschaftsWoche auch, an wen der Laden weitervermietet wurde: An seine zweite Firma, Comsmart. Die wiederum habe den Laden untervermietet an „Mobil mit Stil“: „Die Comsmart vermittelt grundsätzlich keine Vodafone-Produkte und betreibt auch kein Privatkundengeschäft“, so der Geschäftsführer auf Anfrage. Ihr Sitz: Der ehemalige Compramos-Shop in Pulheim.
Im Gegensatz zu Vodafone sollen Szenekenner schnell den Eindruck gehabt haben, dass an dem Laden etwas faul sei. Zu Jahresanfang, nur drei Monate nach der Eröffnung von „Mobil mit Stil“ meldeten sich Tippgeber bei der WirtschaftsWoche. Ihr Verdacht: Frühere Mitarbeiter der Compramos könnten weiter in den ehemaligen Filialen arbeiten - und ohne Wissen der Kunden gespeicherte Daten wie IBAN-Nummern, Geburtstage und vermeintlich geheime Kennwörter aus einer von Vodafone als Kassensystem eingesetzten externen Datenbank genutzt haben, um neue Verträge abzuschließen. „Weil der Datenbankbetreiber ein eigenständiges Unternehmen ist, hat Vodafone keinerlei gesetzliche Handhabe, diese Daten zu löschen“, so die Mobil-mit-Stil-Betreiberin. „Das ohne Wissen oder Einverständnis der Kunden zu tun, wäre immerhin eine Straftat und ist sicher nichts, was ich unterstellen oder wovon ich ausgehen würde.“
Auch der ehemalige Compramos-Geschäftsführer H.S. antwortet mit einem kurzen "Nein" auf die Frage, ob ehemalige Mitarbeiter noch Zugriff auf die Vodafone-Kundendaten haben und damit theoretisch auch ohne deren Wissen Verträge buchen könnten.
Die Betreiberin von „Mobil mit Stil“ war auch in Vodafone-Shops in Grevenbroich involviert, unter anderem bei der Firma Telefando. Wen der spanisch anmutende Name an Compramos erinnert, der ist auf einer Spur: Die Shops in Grevenbroich und Brühl teilten denselben Ansprechpartner im Vodafone-Vertrieb, nahmen zusammen an Seminaren und Incentivierungen teil. „Ich möchte betonen, dass ich seit vielen Jahren nicht mehr an der Telefando noch an der Enosi beteiligt bin“, so die „Mobil mit Stil“-Inhaberin.
Auf die Hinweise hin versuchte die WirtschaftsWoche am Jahresanfang mehrere Testkäufe für Vodafone-Produkte in den Shops in Brühl und Pulheim durchzuführen, mit denen ein Jahr zuvor die Betrügereien aufgedeckt werden konnten. Doch die Verkäufer lehnten die Neukunden ab. Auch Vodafone gibt auf Anfrage an, auf solche Hinweise hin sofort ebenfalls Testkäufe durchgeführt zu haben: „Seinerzeit konnten Hinweise nicht direkt bestätigt werden.“
Möglich ist allerdings, dass sich in den ehemaligen Compramos-Läden viele Aktivitäten in einem Graubereich abgespielt haben könnten. Das beginnt schon bei den dort beschäftigten Mitarbeitern. „Der Compramos GmbH ist es seit einem Jahr untersagt, stationäre Vodafone-Läden zu führen“, so Vodafone, „auch dürfen Mitarbeiter der Compramos GmbH, die bei den sogenannten Fachhändlern arbeiten, keine Vodafone-Produkte mehr verkaufen.“ Das schließt nicht aus, dass die ehemaligen Compramos-Mitarbeiter in freien Handygeschäften arbeiten und dort andere Verträge verkaufen – und dabei womöglich verleitet sein könnten, diese Grenze hier und da zu überschreiten.
Eine Grenzüberschreitung soll Vodafone laut Insidern vor einiger Zeit festgestellt haben. Da soll der Konzern entdeckt haben, dass bei „Mobil mit Stil“ ehemalige Compramos-Mitarbeiter auf die externe Empfehlungsplattform Tellja zugegriffen hätten. Dieses System lobt Prämien für erfolgreiche Kundenvermittlung durch Externe in Höhe von bis zu 250 Euro aus. Tellja könnte als Bypass verwendet worden sein, um aus alten Daten neue Provisionen zu generieren. Der ehemalige Compramos-Geschäftsführer H.S. nahm hierzu auf Anfrage keine Stellung. Die „Mobil-mit-Stil“-Inhaberin erklärt: „Ich kannte Tellja bis zur Anfrage der WirtschaftsWoche nicht. Ich habe dort nie einen Zugang besessen noch Provisionen erhalten.“ In diesem Portal könne offensichtlich jeder Verträge vermitteln, und das liege „außerhalb meines Einflussbereiches und meiner Verantwortlichkeit.“
Von Vodafone selbst erhielt die Betreiberin offenbar eine Art offizielle Ermahnung. Sie sei von Vodafone zum Gespräch gebeten worden, man habe ihr angetragen, den Compramos-Mitarbeiter, der das Vodafone-System bediente, unverzüglich zu kündigen, heißt es aus Konzernkreisen. Die Händlerin selbst hätte weitermachen dürfen, dann aber aus freien Stücken pausiert, weil sie keine neuen Mitarbeiter finden konnte.
Die Vodafone-Möbel wurden kürzlich tatsächlich aus dem Geschäft in Brühl abgeräumt. Fragen zur Ernsthaftigkeit, mit der Vodafone seine Kunden vor Betrügereien zu schützen versucht, aber bleiben.
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