Navigation überspringen
article cover
Premium

Steuererklärung 2022: Was das Finanzamt prüft und wo es genauer hinschaut

Das Finanzamt lässt sich ungern in die Karten schauen. Ein Bundesland aber verrät, was bei der Steuererklärung für das Jahr 2022 im Fokus steht. Andere Länder geben zumindest Faustregeln.

Autofahrer wissen Blitzer-Warnungen zu schätzen. Übers Radio oder per App werden regelmäßig die Straßen bekannt gegeben, auf denen die Polizei aktuell die Geschwindigkeit kontrolliert. Bei der Steuererklärung 2022 gibt es so etwas auch – zumindest im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Jetzt Handelsblatt Premium zum Vorteilspreis sichern - Zum Angebot

Die dortige Finanzverwaltung gibt mit der „Liste der zentralen und dezentralen Prüffelder“ jedes Jahr Hinweise auf die Prüfungsschwerpunkte der dortigen Finanzämter. Sie wird an Steuerberater verschickt und dient zur „beiderseitigen Arbeitserleichterung“. Denn die Finanzverwaltung erwartet, dass bereits bei der Abgabe der Steuererklärung die „zur Bearbeitung der Prüffelder notwendigen Unterlagen und Informationen eingereicht werden“, damit zeitaufwendige Nachfragen des Finanzamts vermieden werden.

In diesem Jahr stehen besonders zwei Personengruppen im Fokus, eine dritte muss sich zumindest auf Nachfragen gefasst machen. Auch im Rest der Republik gibt es typische Fälle, bei denen Finanzämter genauer hinschauen. Das Handelsblatt erklärt, welche „Blitzer-Warnungen“ es bei der Erklärung für das Steuerjahr 2022 gibt.

Wann das Finanzamt Nachfragen zur Steuererklärung hat

Seit 2017 gilt die sogenannte „Belegvorhaltepflicht“. Das bedeutet, die entsprechenden Nachweise über steuermindernde Ausgaben wie Handwerkerrechnungen, Arzneirechnungen oder Fortbildungen müssen der Steuererklärung nicht mehr beigefügt, sondern nur auf Nachfrage des Finanzamts vorgezeigt werden.

Alle Steuererklärungen – die auf Papier eingereichten werden zunächst eingescannt – werden heutzutage elektronisch mittels einer Risikosoftware geprüft, die Steuerbescheide automatisch erstellt. Nur bei Auffälligkeiten und zu Stichprobenzwecken greifen die Finanzbeamten händisch ein und fordern vom Steuerpflichtigen Unterlagen an.

„Die zentralen und dezentralen Prüffelder werden meist nicht automatisiert geprüft, sondern hier sind die Finanzbeamten aufgefordert nachzuforschen“, erklärt Hans-Ulrich Liebern, Steuerexperte beim Bund der Steuerzahler NRW. Sie müssen also in jedem Fall die Nachweise prüfen. Liegen noch keine Belege vor, muss das Finanzamt den Steuerpflichtigen dazu auffordern, und so kann sich die Bearbeitung um mehrere Wochen verzögern.

Thomas Eigenthaler, ehemaliger Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sieht die Liste dennoch kritisch: „Mit den Prüffeldern geben die Finanzämter indirekt auch preis, welche Bereiche nicht im Fokus stehen.“ Das sei zwar keine Garantie, könne aber dazu verleiten, in solchen Bereichen eher zu schummeln.

Steuererklärung 2022: Thesaurierungsbegünstigung überall im Fokus

Zentrales Prüffeld – sprich von Finanzämtern durchleuchtet – wird im Kalenderjahr 2023 die Steuervergünstigung bei nicht entnommenen Gewinnen aus Personengesellschaften (Paragraf 34a EstG). Sie ist unter dem Stichwort Thesaurierungsbegünstigung bekannt und stand schon im vergangenen Jahr im Fokus. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, dass nicht entnommene Gewinne bei Personengesellschaften (zum Beispiel GbR, OHG, KG) in vergleichbarer Weise wie das Einkommen einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) besteuert werden.

Normalerweise werden diese nicht entnommenen Gewinne mit dem persönlichen Einkommensteuersatz von bis zu 45 Prozent versteuert. Auf Antrag kann aber lediglich der ermäßigte Steuersatz von 28,25 Prozent plus Solidaritätszuschlag angewendet werden. Das entspricht in etwa der Belastung aus Körperschafts- und Gewerbesteuer einer Kapitalgesellschaft.

Zusätzlich zum zentralen Prüffeld legen die Finanzämter eigene, die sogenannten dezentralen Prüffelder, fest. In NRW rücken neben Unternehmern besonders die Immobilienbesitzer in den Blick.

Aber auch Dienstwagenfahrer werden teilweise genau geprüft. Sie alle können in den Genuss von Steuervergünstigungen kommen. „Es ist verständlich, dass die Finanzämter genau schauen, ob die Voraussetzungen für die Steuervorteile gegeben sind“, meint Liebern.

Förderung von Wohnungsneubau in der Steuererklärung 2022

So schauen sich die Ämter an, ob die Voraussetzungen für die Sonderabschreibung bei Mietwohnungsneubau (Paragraf 7b) vorliegen. Immobilienbesitzer müssen ihre Mieteinnahmen versteuern, dürfen allerdings eigene Kosten zum Beispiel für den Bau steuermindernd ansetzen. Bei Neubau ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Sonderabschreibung von zusätzlich fünf Prozent pro Jahr in den ersten vier Jahren möglich.

Voraussetzungen sind folgende:

  • Das Bauvorhaben muss zwischen 31. August 2018 und 1. Januar 2022 begonnen worden sein.

  • Die Wohnung muss mindestens 23 Quadratmeter groß sein.

  • Sie darf nicht mehr als 3000 Euro pro Quadratmeter kosten.

  • Sie muss zehn Jahre lang zu Wohnzwecken dienen.

„Das Finanzamt kann die Sonderabschreibung rückwirkend aufheben, selbst bei bereits bestandskräftigen Steuerbescheiden“, warnen die Berater der Lohnsteuerhilfe Bayern (Lohi).

Förderung von Baudenkmälern in der Steuererklärung 2022

Käufer von Immobilien, die unter Denkmalschutz stehen, nehmen die Finanzbeamten ebenfalls ins Visier. Das gilt sowohl für diejenigen, die sie erwerben, um sie zu vermieten (Paragraf 7i EstG), als auch jene, die sie selbst nutzen wollen (Paragraf 10f EStG).

Käufer von Baudenkmälern müssen deren besonderen Charakter erhalten, dafür gelten strenge Regeln, die einen bürokratischen, aber auch finanziellen Mehraufwand bedeuten. Im Gegenzug gewährt der Fiskus Steuervorteile: Über einen Zeitraum von zwölf Jahren können 100 Prozent der Herstellungskosten steuerlich geltend gemacht werden.

„Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind“, betont Liebern. Das wird das Finanzamt prüfen. Hinzu kommt: Die Erlaubnis über die Baumaßnahmen sowie etwaige Förderzuschüsse müssen durch das Amt für Denkmalpflege bescheinigt werden. „Die Finanzämter werden diese Bescheinigung aber nicht durchwinken, sondern werden selbst prüfen, ob die Kosten steuerlich korrekt zugeordnet sind“, erklärt Liebern.

Hohe Erhaltungsaufwendungen in der Steuererklärung 2022

Wer größere Erhaltungsaufwendungen (Paragraf 21 EStG) an seinem Gebäude durchführt, muss bei einigen Ämtern ebenfalls mit Nachfragen rechnen. Dazu zählt alles, was die vorhandene Substanz des Gebäudes sichert, etwa Renovierungsarbeiten oder die Erneuerung von Fußbodenbelägen. „Im Kern geht es dabei um die Frage, ob die Maßnahmen lediglich die vorhandene Bausubstanz sichern oder aber den Standard erhöhen“, erläutert Liebern. „Das wird häufig geprüft“, berichtet er aus der Praxis.

Nur die Arbeiten, die den bisherigen Zustand sichern, gelten als Erhaltungsaufwendungen und können als Werbungskosten in der Steuererklärung sofort geltend gemacht werden. Modernisierungen bis hin zur Kernsanierung zählen dagegen als Anschaffungskosten. Sie müssen über die Nutzungsdauer der Immobilie – in der Regel 50 Jahre – abgeschrieben werden.

Es gibt jedoch auch bei den Erhaltungsaufwendungen eine Ausnahme: Summieren sich die Arbeiten in den ersten drei Jahren nach Fertigstellung des Gebäudes auf über 15 Prozent des Gebäudewerts, werden die Ausgaben als „anschaffungsnahe Herstellungskosten“ deklariert und müssen gemeinsam mit den Anschaffungskosten abgeschrieben werden.

Steuerliche Förderung der energetischen Sanierung

Seit 2020 fördert der Staat energetische Baumaßnahmen an selbst genutzten eigenen Wohngebäuden mit einem Steuerbonus (Paragraf 35c EstG). Ein Fünftel der Aufwendungen (maximal 40.000 Euro) darf verteilt auf drei Jahre von der Steuerlast abgezogen werden.

Voraussetzung ist, dass das Gebäude älter als zehn Jahre ist. Anders als beim Steuerbonus für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach Paragraf 35a EStG umfasst die Förderung nicht nur die Lohn-, sondern auch die Materialkosten. Ein Fachunternehmen muss über die Maßnahmen eine Bescheinigung nach einem amtlich vorgeschriebenen Muster erstellen.

„Hier wird das Finanzamt insbesondere prüfen, ob alle Bescheinigungen vorliegen und ob die Steuervergünstigung rechtmäßig beantragt wurde“, erwartet Liebern. Energetisches Sanieren wird allerdings auch gefördert, zum Beispiel durch die staatliche KfW-Bank. „Den Steuerbonus kann man jedoch nur für Ausgaben beantragen, die nicht bereits gefördert wurden“, mahnt Liebern.

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Es betrifft zwar nicht die breite Masse, doch aus Sicht der Finanzämter lohnt sich bei der Veräußerung von Kapitalanteilen (Paragraf 17 EstG) ebenfalls eine Überprüfung. Wer mindestens fünf Jahre lang mehr als ein Prozent an einer Kapitalgesellschaft in seinem Privatvermögen hält und diesen Anteil verkauft, muss den Gewinn als Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb versteuern.

Dabei prüfen die Finanzbeamten beispielsweise, ob mit der Veräußerung auf die Tilgung eines Darlehens an die Gesellschaft verzichtet wird. So eine „verdeckte Einlage“ erhöht die Anschaffungskosten und senkt den Veräußerungsgewinn und damit die Steuerlast der Personen, die die Firmenanteile verkaufen.

Hellhörig werden die Finanzbeamten außerdem bei einer vorweggenommenen Erbfolge, wenn der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten Anteile an einer Kapitalgesellschaft überträgt. Auch eine Auflösung oder Kapitalherabsetzung einer Gesellschaft schaut sich das Finanzamt ganz genau an.

Die aktuelle Teuerung spürt wohl mittlerweile jeder von uns. Die meisten haben auch noch zu viele Steuern gezahlt. Die gute Nachricht: Wer eine Steuererklärung macht, bekommt im Schnitt 1072 Euro zurück.

Liebhaberei in der Steuererklärung 2022

Die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht (Paragraf 15 und 18 EstG) ist ein Klassiker bei der Steuererklärung. Jahrelang war dieser Aspekt das zentrale Prüffeld in NRW, selbst für das schwierige Coronajahr 2020. Grundsätzlich gilt: Gewerbetreibende müssen in Deutschland Gewerbesteuer zahlen, allerdings nur, wenn sie profitabel sind. Dafür dürfen sie ihre Betriebsausgaben mit Gewinnen verrechnen und zahlen nur auf den Saldo die Steuer.

Wer jedoch Dauerverluste einfährt, weckt Skepsis bei den Finanzbeamten. Können sie keine Gewinnerzielungsabsicht erkennen, droht die Einstufung der Tätigkeit als sogenannte „Liebhaberei“. Wird die Tätigkeit derart eingestuft, werden die Betriebsausgaben nicht mehr anerkannt. Im schlimmsten Fall muss der- oder diejenige dann Steuern nachzahlen – nebst 1,8 Prozent Zinsen pro Jahr.

Verlustabzugsbeschränkung in der Steuererklärung 2022

Die Verlustabzugsbeschränkung bei Personengesellschaften (Paragraf 15a EstG) ist laut Oliver Hagen, Steuerberater aus Berlin, ein Dauerthema. In der Steuererklärung können Verluste häufig mit Gewinnen verrechnet werden, um Steuern zu sparen. Der Gesetzgeber hat jedoch Grenzen eingezogen.

Eine davon betrifft die gewerblichen Einkünfte von Kommanditisten.

Dahinter verbergen sich die Gesellschafter einer KG. Sie stellen der KG Kapital zur Verfügung. Theoretisch ist es möglich, dass die KG einen höheren Verlust macht als diese Einlage. Werden diese Verluste in der Steuererklärung angegeben, um sie mit anderen Einnahmen zu verrechnen, schaut das Finanzamt hin. „Bei gewerblichen Einkünften von beschränkt haftenden Gesellschaftern können Verluste grundsätzlich nur bis zur Höhe ihrer Kapitalbeteiligung beziehungsweise bis zur persönlichen Haftung abgezogen werden“, erklärt Hagen.

Geldwerter Vorteil des Firmenwagens

Darf ein Dienstwagen auch privat genutzt werden, so zählt das steuerrechtlich als „geldwerter Vorteil“ (Paragraf 19 EstG). Dieser geldwerte Vorteil erhöht das zu versteuernde Einkommen, folglich werden darauf Lohnsteuer und Sozialbeiträge fällig.

Zu Beginn eines jeden Jahres müssen Dienstwagenfahrer oder -fahrerinnen entscheiden, ob der geldwerte Vorteil pauschal oder anhand der tatsächlichen Nutzung berechnet werden soll. Ein Wechsel ist in der Steuererklärung möglich. „Denkbar ist, dass Steuerpflichtige die Versteuerung zum Beispiel aufgrund gesonderter Aufzeichnungen zu den täglichen Fahrten ins Büro/Arbeitsstelle korrigieren und damit die Versteuerung reduzieren wollen“, erläutert Hagen.

Voraussetzung für die rückwirkende Umstellung sei eine lückenlose ganzjährige Dokumentation aller Fahrten zur Arbeit, beispielsweise durch die Zeiterfassung der Firma oder einen Arbeitszeitkalender. Das werden die Finanzämter genau prüfen.

Worauf Finanzämter in ganz Deutschland noch achten

Die anderen Bundesländer verraten ihre Prüfungsschwerpunkte dagegen nicht. Aber Hinweise darauf, welche Eingaben sie grundsätzlich genauer inspizieren, lassen sich aus den „Empfehlungen zur Belegvorlage“ der Steuerverwaltungen einiger Bundesländer ableiten.

Thüringen erklärt beispielsweise: „Wenn außergewöhnliche oder erstmalige Umstände die Höhe der Steuer beeinflussen, wird eine sofortige Belegeinreichung empfohlen.“ Dies sei beispielsweise der Fall bei beruflich bedingten Umzugsaufwendungen, bei dem Beginn einer doppelten Haushaltsführung oder der Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers. Auch außergewöhnliche (Geschäfts-)Vorfälle alarmieren das Finanzamt, etwa die Veräußerung eines Betriebs.

Daneben existiert eine Empfehlungsliste der Lohnsteuerhilfe. Beim erstmaligen Einreichen in der Steuererklärung sollte Folgendes belegt werden: der Behindertennachweis, der Betreuungsvertrag und Zahlungsnachweise für eine Kinderbetreuung sowie Unterhaltsvereinbarungen und zugehörige Zahlungsnachweise.

Grundsätzlich immer sollten Steuerzahler Nachweise über eigene Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen, Unterlagen zur Entlassung beziehungsweise Abfindung, Nachweise über Mietausfälle oder Leerstandszeiten und den Nachweis über anrechenbare Steuern im Ausland einreichen.

Immer wenn es erhebliche Abweichungen gegenüber dem Vorjahr gibt und vor allem wenn dadurch die Steuerlast sinkt, müssen sich Steuerzahler auf Nachfragen gefasst machen. Das können auch deutlich höhere haushaltsnahe Dienstleistungen, Änderungen bei den Fahrtkosten oder ein plötzlicher Anstieg der Spendensumme sein. Auch ist es empfehlenswert, sofort die Belege mitzuschicken, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass das Finanzamt diese später anfordert.

Steuererklärung 2022: Was das Finanzamt prüft und wo es genauer hinschaut

Premium

Diese Inhalte sind für Premium-Mitglieder inklusive

Der Zugang zu diesem Artikel und zu vielen weiteren exklusiven Reportagen, ausführlichen Hintergrundberichten und E-Learning-Angeboten von ausgewählten Herausgebern ist Teil der Premium-Mitgliedschaft.

Premium freischalten

Handelsblatt - das Beste der Woche schreibt über Substanz entscheidet

Das Handelsblatt ist das führende Wirtschaftsmedium in Deutschland. NEU: Diese Seite bietet Premium-Mitgliedern eine Auswahl der besten Artikel vom Handelsblatt direkt hier und als wöchentliche Zusammenfassung per Mail. Rund 200 Redakteure und Korrespondenten sorgen rund um den Globus für eine aktuelle, umfassende und fundierte Berichterstattung. Über Print, Online und Digital kommunizieren wir täglich mit rund einer Million Leserinnen und Lesern.

Artikelsammlung ansehen