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Finanzämter geben Hinweise, welche Angaben sie ganz genau prüfen.
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Steuererklärung: Wo das Finanzamt in diesem Jahr ganz genau hinschaut

Das Finanzamt lässt sich ungern in die Karten schauen. Ein Bundesland aber verrät, was bei 2022 eingereichten Steuererklärung im Fokus steht. Andere Länder geben zumindest Faustregeln.

Autofahrer wissen Blitzer-Warnungen zu schätzen. In vielen Regionen laufen diese entsprechend im Radio oder werden im Netz veröffentlicht. Bei der Steuererklärung ist es ähnlich: Die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen gibt jedes Jahr Hinweise auf die Prüfungsschwerpunkte der dortigen Finanzämter. In diesem Jahr stehen vor allem Unternehmer und Immobilienbesitzer im Fokus.

Die sogenannte „Liste der zentralen und dezentralen Prüffelder“ gilt zwar nur für das bevölkerungsreichste Bundesland. Aber auch in den anderen Ländern gibt es typische Fallkonstellationen, bei denen Finanzämter häufig nachfragen. Aus all diesen Informationen lassen sich für Steuerzahler ein paar „Blitzer-Warnungen“ für ihre Steuererklärung ableiten.

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Die Finanzverwaltung NRW verbindet die Veröffentlichung mit der Erwartung, dass „zur beiderseitigen Arbeitserleichterung“ bereits bei der Abgabe der Steuererklärung die „zur Bearbeitung der Prüffelder notwendigen Unterlagen und Informationen eingereicht werden“, damit zeitaufwendige Nachfragen des Finanzamts vermieden werden.

Seit 2017 müssen der Steuererklärung keine Belege mehr beigefügt werden. Es gilt die „Belegvorhaltepflicht“. Die Finanzbeamten lassen eine Risikosoftware über die Steuererklärungen laufen. Nur bei Auffälligkeiten und zu Stichprobenzwecken fordern sie Unterlagen an. „Die zentralen und dezentralen Prüffelder werden meist nicht automatisiert geprüft, sondern hier sind die Finanzbeamten aufgefordert, nachzuforschen“, erklärt Hans-Ulrich Liebern, Steuerexperte beim Bund der Steuerzahler NRW. Liegen keine Belege vor, kann sich die Bearbeitung um mehrere Wochen verzögern.

Steuererklärung 2021: Darauf schaut das Finanzamt 2022 genauer

Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, sieht die Liste dennoch kritisch: „Mit den Prüffeldern geben die Finanzämter indirekt auch preis, welche Bereiche nicht im Fokus stehen.“ Das sei zwar keine Garantie, könne aber dazu verleiten, in solchen Bereichen eher zu schummeln. In den vergangenen Jahren stand stets das Thema Einkünfteerzielungsabsicht („Liebhaberei“) ganz oben auf der Liste. In diesem Jahr schauen sich nur noch sechs der 67 Finanzämter in NRW diese Eingaben mit der Lupe an.

Zentrales Prüffeld ist im Kalenderjahr 2022 dagegen die Steuervergünstigung bei nicht entnommenen Gewinnen aus Personengesellschaften (§ 34a EstG). „Das ist normalerweise eine Frage, die bei Betriebsprüfungen untersucht wird“, beobachtet Liebern vom Bund der Steuerzahler. Nun prüfen die NRW-Finanzämter diese Fälle im Rahmen der Einkommenssteuererklärung.

Der § 34a ist auch unter dem Stichwort Thesaurierungsbegünstigung bekannt. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit, dass nicht entnommene Gewinne bei Personengesellschaften (zum Beispiel GbR, OHG, KG) in vergleichbarer Weise wie das Einkommen einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) besteuert werden. Normalerweise werden diese nicht entnommenen Gewinne mit dem persönlichen Einkommensteuersatz von bis zu 45 Prozent versteuert. Auf Antrag kann lediglich der ermäßigte Steuersatz von 28,25 Prozent plus Solidaritätszuschlag angewendet werden. Das entspricht in etwa der Belastung aus Körperschafts- und Gewerbesteuer einer Kapitalgesellschaft.

Thesaurierungsbegünstigung zentral in Steuererklärung 2021

Die Steuervergünstigung soll einen Anreiz schaffen, die erwirtschafteten Gewinne nicht privat zu verwenden, sondern sie in der Firma zu belassen und so deren Eigenkapitalbasis zu stärken. Wird der begünstigte Gewinn in späteren Jahren entnommen, schwächt das die Kapitalbasis und der Betrag muss mit 25 Prozent nachversteuert werden.

Zusätzlich kann jedes Finanzamt eigene, dezentrale Prüffelder festlegen. Am häufigsten gaben die nordrhein-westfälischen Finanzämter diese drei Themen an:

  • Steuervergünstigungen für energetisches Sanieren (§ 35c EstG), 40 Finanzämter, darunter Düsseldorf, Essen, Duisburg und Bochum

  • Steuervergünstigungen für die Sanierung von Wohnraum in Baudenkmälern (§§ 7i und 10f EstG), 15 Finanzämter, darunter Aachen, Krefeld, Brühl und Hamm

  • Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EstG), 15 Finanzämter, darunter Köln, Lüdenscheid, Geilenkirchen und Remscheid

Energetisches Sanieren auch zentrales Prüffeld der Finanzämter

Seit 2020 fördert der Staat energetische Baumaßnahmen an selbst genutzten eigenen Wohngebäuden mit einem Steuerbonus (§ 35c EstG) . Ein Fünftel der Aufwendungen (maximal 40.000 Euro) darf verteilt auf drei Jahre von der Steuerlast abgezogen werden. Im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahmen und im ersten Folgejahr sind es je sieben Prozent (maximal 14.000 Euro) der Kosten, im zweiten Folgejahr können die verbliebenen sechs Prozent (maximal 12.000 Euro) angesetzt werden.

Voraussetzung für den Steuerbonus ist, dass das Gebäude bei Durchführung der Baumaßnahme älter als zehn Jahre ist. Anders als beim Steuerbonus für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG umfasst die Förderung nicht nur die Lohn-, sondern auch die Materialkosten. Das Fachunternehmen muss über die Maßnahmen eine Bescheinigung nach einem amtlich vorgeschriebenen Muster erstellen.

„Hier wird das Finanzamt insbesondere prüfen, ob alle Bescheinigungen vorliegen und ob die Steuervergünstigung rechtmäßig beantragt wurde“, erwartet Liebern. Energetisches Sanieren wird auch durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) unterstützt. Auch die staatliche KfW-Bank gewährt Zuschüsse und verbilligte Kredite als Anreiz. „Den Steuerbonus kann man jedoch nur für Ausgaben beantragen, die nicht bereits gefördert wurden“, mahnt Liebern.

Förderung von Baudenkmälern in der Steuererklärung 2021

Käufer von Immobilien, die unter Denkmalschutz stehen, nehmen die Finanzbeamten in diesem Jahr ebenfalls ins Visier. Das gilt sowohl für diejenigen, die denkmalgeschützte Immobilien erwerben, um sie zu vermieten (§ 7i EstG), als auch jene, die sie selbst nutzen wollen (§ 10f).

Denn Käufer von Baudenkmälern müssen deren besonderen Charakter erhalten, dafür gelten strenge Regeln, die einen bürokratischen, aber auch finanziellen Mehraufwand bedeuten. Im Gegenzug gewährt der Fiskus Steuervorteile: Wer eine denkmalgeschützte Immobilie erwirbt, kann im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils neun Prozent jährlich und in den darauf folgenden vier Jahren jeweils sieben Prozent per anno der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die zur Sanierung und Erhaltung des Gebäudes oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen. Zusammengerechnet können über einen Zeitraum von zwölf Jahren also 100 Prozent der Herstellungskosten geltend gemacht werden.

Steuererklärung: Finanzamt prüft 2022 Herstellungskosten

„Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind“, betont Liebern. Das wird das Finanzamt prüfen. Die KfW oder die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beispielsweise bieten Förderprogramme an.

Hinzu kommt: Die Baumaßnahmen müssen dabei in enger Abstimmung mit dem Amt für Denkmalpflege durchgeführt werden. Dieses muss darüber eine Bescheinigung ausstellen, auf der auch etwaige Förderzuschüsse vermerkt sind.

„Die Finanzämter werden diese Bescheinigung aber nicht durchwinken, sondern werden selbst prüfen, ob die Kosten steuerlich korrekt zugeordnet sind“, erklärt Liebern.

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Dies ist kein Klassiker mit Relevanz für die breite Masse, doch aus Sicht der Finanzämter kann sich eine Überprüfung lohnen. Wer mehr als ein Prozent an einer Kapitalgesellschaft in seinem Privatvermögen hält und diesen Anteil verkauft, muss den Gewinn als Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb versteuern – und zwar mit seinem persönlichen Steuersatz. Eine steuerliche Erleichterung bringt zwar das sogenannte Teileinkünfteverfahren.

Dennoch liegt der Steuersatz unterm Strich oft über dem für Einnahmen aus Kapitalvermögen – den bekannten 25 Prozent Abgeltungssteuer, zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Auch für die Anrechenbarkeit von Verlusten ist die Unterscheidung wichtig.

Daneben prüfen die Finanzbeamten auch, ob mit der Veräußerung möglicherweise auf die Tilgung eines vormals zur Verfügung gestellten Darlehens verzichtet wird. „So eine ,verdeckte Einlage‘ erhöht den Veräußerungsgewinn und damit die Steuerlast der Personen, die die Firmenanteile verkaufen“, weiß Liebern.

Hellhörig werden die Finanzbeamten außerdem bei einer vorweggenommenen Erbfolge, wenn der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten Anteile an einer Kapitalgesellschaft überträgt. Auch eine Auflösung oder Kapitalherabsetzung einer Gesellschaft schaut sich das Finanzamt ganz genau an.

Steuererklärung: Worauf Finanzämter in Deutschland noch achten

Die anderen Bundesländer verraten ihre Prüfungsschwerpunkte dagegen nicht. Aber Hinweise darauf, welche Eingaben sie grundsätzlich genauer inspizieren, lassen sich aus den „Empfehlungen zur Belegvorlage“ der Steuerverwaltungen einiger Bundesländer ableiten.

Sie zeigen auf, wann es sinnvoll ist, weiterhin sofort Nachweise einzureichen, um Nachfragen der Steuerbehörden zu vermeiden und den Bearbeitungsaufwand zu verkürzen. Die Finanzverwaltung Thüringen erklärt beispielsweise: „Wenn außergewöhnliche oder erstmalige Umstände die Höhe der Steuer beeinflussen, wird eine sofortige Belegeinreichung empfohlen.“

Dies sei beispielsweise der Fall bei beruflich bedingten Umzugsaufwendungen, bei dem Beginn einer doppelten Haushaltsführung oder auch der Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers – was durch das coronabedingte Homeoffice im letzten Jahr häufiger vorgekommen sein dürfte. Auch außergewöhnliche (Geschäfts-)Vorfälle alarmieren das Finanzamt, etwa die Veräußerung eines Betriebes.

Hinweise für Steuererklärung 2021 aus Liste der Lohnsteuerhilfe

Daneben existiert eine Empfehlungsliste für Steuerberater und Mitarbeiter der Lohnsteuerhilfe, welche Belege ihrer Mandanten sie einreichen sollten. In dem Jahr, in dem sie erstmalig geltend gemacht werden, sollen der Behindertennachweis, der Betreuungsvertrag und Zahlungsnachweise für eine Kinderbetreuung sowie Unterhaltsvereinbarungen und zugehörige Zahlungsnachweise belegt werden.

Grundsätzlich immer sollten Steuerzahler dagegen Nachweise über eigene Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen, Unterlagen zur Entlassung beziehungsweise Abfindung, Nachweise über Mietausfälle oder Leerstandszeiten und den Nachweis über anrechenbare Steuern im Ausland einreichen.

Immer wenn es erhebliche Abweichungen gegenüber dem Vorjahr gibt und vor allem wenn dadurch die Steuerlast sinkt, müssen sich Steuerzahler auf Nachfragen gefasst machen. Das können auch deutlich höhere haushaltsnahe Dienstleistungen, Änderungen bei den Fahrtkosten oder ein plötzlicher Anstieg der Spendensumme sein. Auch hier ist es empfehlenswert, sofort die Belege mitzuschicken, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass das Finanzamt diese später anfordert.

Steuererklärung: Wo das Finanzamt in diesem Jahr ganz genau hinschaut

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