Tech-Elite oder politische Gefahr? Der Aufstieg der PayPal-Mafia unter Trump
Noch nie war ein Unternehmer einem US-Präsidenten so nah wie Elon Musk. Hinter ihm sammeln sich immer mehr Mächtige der Tech-Branche. Beobachter fürchten eine „Kleptokratie wie Russland“.
Mehr als eine Viertelmilliarde US-Dollar hat sich Elon Musk die Wiederwahl von Donald Trump kosten lassen. Wie viel das 76-Minuten-Gespräch auf Musks Plattform X mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel – inklusive eines persönlichen Aufrufs zu ihrer Wahl – wert war und ob es sich dabei um verdeckte Parteienfinanzierung handelt, damit werden sich Juristen in Deutschland beschäftigen.
Ändern wird das nichts, sondern weitere Schlagzeilen produzieren – und damit Aufmerksamkeit. Das will Musk. Finanziell handelt es sich für den reichsten Mann der Welt ohnehin nur um Peanuts. Für ihn ist eine andere Währung viel wertvoller: Einfluss.
Dass man sich den erkaufen kann, demonstrieren Amerikas Superreiche und die mit ihnen verbundenen Unternehmen schon seit Jahrzehnten; seit knapp 15 Jahren sogar öffentlich legitimiert. Im Januar 2010 entschied das oberste US-Verfassungsgericht, dass Unternehmen und Gewerkschaften unbegrenzt Geld für politische Werbung ausgeben können. Die Begründung der Richter: Beschränkungen würden gegen die Verfassung verstoßen, und zwar gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Also genau mit jenem in der Verfassung verbrieften Recht, mit dessen Verteidigung Musk seine politischen Feldzüge und Rekordspenden begründet.
Dass die US-Wirtschaft und die US-Politik gegenseitig ihr Personal austauschen, ist nichts Neues. Früher ging es hauptsächlich über die Wall Street, über Großbanken wie JP Morgan oder Goldman Sachs. Schon unter Bill Clinton ist auch die Tech-Branche hinzugekommen.
Sheryl Sandberg startete ihre Karriere als Stabschefin für US-Finanzminister Larry Summers, bevor sie als Verkaufschefin zu Google stieß und danach zur rechten Hand von Meta-Gründer Mark Zuckerberg und Milliardärin avancierte. Andersherum wechselte Google-Forschungsmanagerin Megan Smith 2014 ins Weiße Haus zu Barack Obama, um zur ersten Technikchefin der USA aufzusteigen. Eric Schmidt wiederum agierte ganz offen als wirtschaftlicher Berater von Obama, während er gleichzeitig Verwaltungsratschef von Google war.
Noch nie dagewesene Nähe
Aber noch nie hatte jemand eine solche – im wahrsten Sinne des Wortes – Nähe zu einem US-Präsidenten wie der gebürtige Südafrikaner Elon Musk. Er hat sich in Trumps Quartier in Mar-a-Lago eingemietet und gehört seit Mitte November nicht nur zum Hofstaat, sondern hat auch die Rolle als Chefberater in einer Schattenregierung eingenommen.
Mit ihm kam die sogenannte PayPal-Mafia, benannt nach dem Online-Zahlungsdienstleister, mit dem sie reich und berühmt wurde. Zu ihr gehören neben Musk unter anderem der deutschstämmige Finanzier Peter Thiel, der einst den neuen US-Vizepräsidenten JD Vance unter seine Fittiche nahm und dessen Wahlkämpfe finanzierte. Außerdem David Sacks, den Trump zum „KI- & Krypto-Zar“ des Weißen Hauses erkoren hat. Keith Rabois, der Trump seit vielen Jahren unterstützt, wird zwar keine offizielle Rolle in der neuen US-Administration übernehmen. Aber sein Ehepartner Jacob Hellberg wird im Außenministerium für Wirtschaftswachstum zuständig sein.
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Der Internet-Pionier Marc Andreessen hatte sich schon vor dessen Wahlsieg, ganz gegen die Stimmung im Silicon Valley, öffentlich auf Trump eingeschworen, weil er und sein Geschäftspartner Ben Horowitz fürchteten, dass die Pläne der Demokraten, die Kapitalertragsteuern für Superreiche auszuweiten, „das Unternehmertum im Silicon Valley bedrohten“.
In einer kürzlichen Folge des „Honesty“-Podcasts der US-Journalistin Bari Weiss prahlte der Mitentwickler des Netscape-Browsers damit, dass „er die Hälfte seiner Zeit in Mar-a-Lago verbringe, um mit Donald Trump über Politik zu diskutieren“. Das mag übertrieben sein. Doch Fakt ist, dass er Scott Kupor, einen engen Vertrauten und Geschäftsführer seiner Wagniskapitalgesellschaft Andreessen Horowitz freigegeben hat, damit dieser Personalchef für die US-Regierung werden kann, eine besonders einflussreiche Position.
Im Rampenlicht von Musk, Andreessen und der PayPal-Mafia geht jedoch etwas unter, wie nach und nach auch die anderen Mächtigen der Tech-Branche dem Vorbild folgen und sich öffentlich zu Trump bekennen – aus Opportunismus, Absicherung und Geschäftssinn. Im exportorientierten Silicon Valley hofft man, durch die Nähe zur Macht etwaige Handelszölle abbiegen zu können und auf Visa-Sonderregeln für Tech-Talente. Dass Trump Kryptowährungen fördern, Auflagen für Unternehmensübernahmen lockern und die Rüstungsbranche unterstützen will, beflügelt die Phantasie im Silicon Valley.
Kotau via X
Neu auf Trump-Linie ist nun auch Marc Benioff. Der milliardenschwere Mitgründer des Softwarekonzerns Salesforce aus San Francisco und Eigentümer des Nachrichtenmagazins „Time“ galt bislang als einer der wichtigsten Unterstützer der Demokraten. Er zählte Obama als Freund, der wiederum als Redner bei seinen Kundenkonferenzen auftrat. Im Wahlkampf von Hillary Clinton gegen Donald Trump setzte Benioff sich so stark für die ehemalige Außenministerin ein, dass er sogar als möglicher Kandidat für die Vizepräsidentschaft gehandelt wurde.
„Trump wird niemals Präsident werden“, hatte Benioff damals geschmettert. Damit lag er daneben. Nun gratulierte er Trump nicht nur einen Tag nach dessen Wiederwahl via X zu einer „bewundernswerten Leistung.“ Und setzte nach: „Das ist eine vielversprechende Zeit für unsere Nation, und wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit, um den Erfolg und Wohlstand Amerikas für alle voranzutreiben.“ Auch Mark Zuckerberg, seit dem Wechsel von Musk nach Texas der reichste Mann des Silicon Valley, ist nun auf Trumps Linie und hat sich mit dem Abschaffen von Faktencheckern, zunächst in den USA, zum Verteidiger der Meinungsfreiheit erklärt. „Die jüngsten Wahlen fühlen sich wie ein Wendepunkt hin zu mehr Redefreiheit an“, begründet Zuckerberg.
Keine Rede mehr davon, dass er einst Trump wegen der Anstachelung zum Sturm auf den US-Kongress im Januar 2021 von seinen Plattformen verbannte. Um seinen Wandel zu untermauern, tauschte Zuckerberg außerdem seinen Cheflobbyisten Nick Clegg, ehemals britischer Vize-Premier, gegen Joel Kaplan aus. Kaplan, einst stellvertretender Stabschef für Politik unter George W. Bush, stieß 2011 nach seinem Regierungsamt zu Meta. Dort schied er jedoch 2022 aus, weil seine allzu konservativen Ansichten für Widerspruch innerhalb des Konzerns sorgten. Damit dürfte es nun keine Probleme mehr geben, im Gegenteil. Zugleich hat der Hobby-Kampfsportler Zuckerberg mit Dana White, Chef des Kampfsportunternehmens UFC, einen engen Vertrauten von Trump in seinen Verwaltungsrat gehievt.
200 Millionen für die Trump-Party
Ruhig geworden ist es dagegen um Trump-Gegner wie die Wagnisfinanzierer Vinod Khosla und Reid Hoffmann. LinkedIn-Gründer Reid Hoffmann ist zwar auch ein prominentes Mitglied der PayPal-Mafia. Doch er stellte sich öffentlich gegen die Wiederwahl von Trump. Seitdem hat er nach eigenem Bekunden seinen Personenschutz verstärkt und erwartet, dass Trump sich rächen wird.
Davor – allerdings mehr vor Musk – fürchtet sich auch Sam Altman, der Chef und Mitgründer von OpenAI. Weil Altman OpenAI auch ohne die Unterstützung von Musk zum Erfolg führte, sind die beiden über Kreuz. Zur Sicherheit – und um die Interessen von OpenAI zu verteidigen – hat Altman nun persönlich eine Million Dollar für den Fonds zur Amtseinführung von Trump gespendet und damit unter anderem das Recht, persönlich zur Gala des Präsidentenpaars zu erscheinen.
Es dürfte ein rauschendes Fest werden. Noch nie haben US-Unternehmen und Superreiche so viel Geld für die Amtseinführung eines Präsidenten gespendet. Gerechnet wird mit einer Summe von über 200 Millionen Dollar. Unter den Spendern befindet sich mit Amazon-Chef Jeff Bezos ein von Trump einst zum Intimfeind erklärter Unternehmer. Bezos beschwört nun die nationale Einheit.
Auch Microsoft, Meta, Uber und Google machen jeweils eine Million Dollar locker. Ebenso wie Apple-Chef Tim Cook, der – unabhängig von Apple – eine Million Dollar spendet, angeblich „im Gedanken der nationalen Einheit.“ Ob Cook Hintergedanken bezüglich seiner Produktion in China hat? Klar ist, dass der Apple-Chef schon einmal mit einer Prise Opportunismus erfolgreich eine Trump-Administration gemeistert hat.
Der New Yorker Marketingprofessor Scott Galloway, ein renommierter Kenner der Tech-Branche, ist wegen des Geldsegens und des offenen Opportunismus entsetzt. Der Zuwachs an Börsenwert, den einige Tech-Unternehmen wegen der Trump-Wahl erhalten haben, „fußt auf der Annahme, dass Amerika zu einer Kleptokratie wie Russland geworden ist“, ärgert sich Galloway. Wer nicht an die Republikanische Partei oder den Fonds für den Amtsantritt von Trump spende, laufe Gefahr, später bestraft zu werden.
Das sieht Internet-Pionier Andreessen ganz anders. Er träumt davon, mit Hilfe des Unternehmergeistes aus dem Silicon Valley die US-Regierung von der Bürokratie zu entrümpeln und innovativer zu machen. Er hat seit der Wahl von Trump seine Lebensfreude wiedergefunden. „Jeden Morgen wache ich glücklicher auf als am Tag zuvor.“
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