Vermögensverteilung in Deutschland: So reich sind Sie im Vergleich
Die Analyse aktueller Studien zeigt, wie es um das Vermögen der Deutschen bestellt ist – und wie Sie im Vergleich zu anderen abschneiden.
Frankfurt. Etwa 2900 Superreiche leben in Deutschland, sagt die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG). Ob sie reich sind, fragen diese Personen sich wohl nicht. In den Vermögensklassen darunter herrscht dagegen schon mal Unklarheit.
Ab welchem Vermögen kann in Deutschland von Reichtum gesprochen werden? Wie reich sind Sie? Und wie schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern ab? Alles Fragen, die nicht mit Bauchgefühl zu beantworten sind – insbesondere unter dem Einfluss von Inflation und aktueller Zinspolitik.
Wie reich die Deutschen tatsächlich sind, zeigt eine Erhebung der Bundesbank vom April. Die Studie zeigt, ab welchem Vermögen ein Haushalt zur reicheren Hälfte, zu den Top 30 Prozent, zum reichsten Zehntel und den Top fünf Prozent zählt. Zahlen aus dem Global Wealth Report geben zudem Aufschluss, ab welchem Vermögen sich deutsche Haushalte der Sphäre der Superreichen nähern. In dieser Handelsblatt-Analyse erfahren Sie, wie reich Sie im Vergleich sind.
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Vermögen in Deutschland: Wie reich sind Sie im Vergleich?
Die deutschen Haushalte haben im Durchschnitt ein Nettovermögen von 316.000 Euro, also Sach- und Finanzvermögen abzüglich Schulden. Der Medianhaushalt, der gleich viele reichere über sich wie ärmere Haushalte unter sich hat, muss mit 106.600 Euro auskommen.
Um es gemäß Bundesbank-Erhebung gerade in die reichere Hälfte der deutschen Haushalte zu schaffen, braucht man ein Nettovermögen von 107.000 Euro, für die Top 30 Prozent mindestens 297.000 Euro, für das reichste Zehntel mindestens 726.000 Euro und für die Top fünf Prozent mehr als 1,1 Millionen Euro.
Wenn Ihr Haushalts-Nettovermögen bei einem dieser Schwellenwerte liegt, sieht es im Vergleich zum Schwellenwert für die Top fünf Prozent in grafischer Darstellung so aus:
Damit haben die Deutschen im Vergleich zu weniger wirtschaftsstarken Ländern überraschend wenig Vermögen. Italienische Haushalte hätten mit 341.000 Euro ein etwas höheres Durchschnittsvermögen und ein mit 150.800 Euro um fast die Hälfte höheres Medianvermögen. Auch in Spanien ist der Median höher als in Deutschland, und selbst das arme Portugal zieht fast gleich. Wie kann das sein?
Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) koordinierten Haushaltsbefragungen zum Vermögen haben einen eklatanten Mangel: Sie lassen ausgerechnet die besonders Reichen und ihre beträchtlichen Vermögen außen vor.
Die Analyse der Bundesbank befasst sich mit der Frage, ab welcher Höhe an Besitz man zu den vermögendsten Haushalten gehört. Dabei betrachtet sie die Top 30, Top zehn und Top fünf Prozent. Analysiert wird, wie sich die Werte für diese Gruppen verändern (in der Grafik sind dies die drei kleinen der vier Kreise). Nicht betrachtet werden allerdings die Top 0,01 Prozent.
Vermögen der Deutschen: Gründe für den unsichtbaren Reichtum
Da die Superreichen in der Erhebung fehlen, gehört den reichsten zehn Prozent mehr vom Gesamtvermögen als die ausgewiesenen 56 Prozent. Von der Bundesbank erfahren Leser von dieser erheblichen Einschränkung der Aussagekraft allerdings nur in einer Fußnote. Dort räumt die Notenbank ein, dass das reichste Zehntel der Bevölkerung weit mehr besitzt als angegeben.
Dass die Superreichen in den Erhebungen außen vor bleiben, liegt einmal daran, dass es zu wenige sind, um von Zufallsstichproben erfasst zu werden. Zudem ist ihre Neigung, an einer Haushaltsbefragung teilzunehmen, besonders gering.
Die Statistiker der Notenbanken kompensieren das etwas, indem sie mehr Haushalte einladen, bei denen es Indizien gibt, dass sie zu den Reichen gehören (Oversampling). Spanien und Frankreich verwenden dafür individuelle Steuerdaten. Deutschland nutzt ein recht schwaches Indiz, den Wohnsitz. Im Ergebnis hatte der reichste teilnehmende Haushalt in Spanien schon 2011 gut 400 Millionen Euro Vermögen, fünf Mal so viel wie der reichste deutsche Teilnehmer. Die Bundesbank bestätigt, dass sich die deutsche Methodik seither nicht wesentlich geändert hat.
Vermögensverteilung: In Deutschland leben 2900 Superreiche
Wie sehr die fehlenden Superreichen die Vermögensanalyse beeinflussen, das lässt sich mithilfe andere Studien abschätzen. So gab es laut dem Global Wealth Report der Beratungsgesellschaft BCG in Deutschland 2021 und 2022 rund 2900 Superreiche mit einem Finanzvermögen (also Sachvermögen nicht mitgerechnet, dafür Schulden nicht abgezogen) von mehr als 100 Millionen Dollar. Demgegenüber bestätigt die Bundesbank, dass in ihrer Haushaltsbefragung zum Vermögen alle Teilnehmer weniger als 100 Millionen Euro (110 Millionen Dollar) angegeben haben.
Die fehlenden Superreichen nennen laut Global Wealth Report stolze 21 Prozent des deutschen Finanzvermögens ihr Eigen. Das ist mehr als in anderen Ländern. Im übrigen Westeuropa beträgt der entsprechende Anteil nur 17 Prozent.
Mit einem Vermögen von 90 Millionen Euro Bruttofinanzvermögen schafft man es laut Global Wealth Report unter die 2900 reichsten deutschen Haushalte. Nimmt man diesen Schwellenwert als Maßstab, sieht die Verteilung folgendermaßen aus:
Deutschland: Rückgang der Ungleichheit zweifelhaft
Die unterschiedlichen Erhebungsmethoden haben auch Auswirkungen auf die Frage, wie sich die Ungleichheit der Vermögensverteilung in Deutschland entwickelt hat. Laut Bundesbank ist die Ungleichheit von 2017 bis 2021 gesunken. Der Anteil am gesamten deutschen Privatvermögen der reichsten zehn Prozent (ohne Superreiche) stieg zwar laut Bundesbank minimal von gut 55 auf knapp 56 Prozent. Verschiedene andere Ungleichheitsmaße gingen jedoch leicht zurück.
Es ist fraglich, ob dieser Befund einer Berücksichtigung der Superreichen standhielte. Das Finanzvermögen der Superreichen nahm 2021 laut Boston Consulting Group in Deutschland um 16 Prozent zu, das der Normalbevölkerung nur um fünf Prozent.
Das Flossbach von Storch Research Institute ermittelt einen Vermögenspreisindex, der nach eigenen Angaben „die Preisentwicklung des Vermögens deutscher Haushalte“ untersucht. Der Index ist getrennt nach Reichtumsklassen, um miteinzubeziehen, dass sich die Vermögensstruktur der Wohlhabenderen stark von der der weniger Begüterten unterscheidet.
Nach einer Auswertung der Indexdaten für das Handelsblatt sind die Preise der Vermögenswerte des reichsten Fünftels von 2017 bis 2021 mit 27 Prozent drei Mal so stark gestiegen wie die von der unteren Mittelschicht gehaltenen Vermögenswerte.
Die Geld- und Fiskalpolitik habe die Beschäftigung und Einkommen der unteren Schichten gestützt und damit auch die Vermögensungleichheit gedämpft, erläutert der zuständige Ökonom des Instituts, Philipp Immenkötter. Das stimmt mit der Untersuchung der Bundesbank überein, bei der es zu sinkender Ungleichheit kam, ohne die Superreichen zu berücksichtigen.
Im Vergleich der sehr reichen mit den ärmeren Haushalten falle aber die sehr gute Wertentwicklung der großen Vermögen stärker ins Gewicht, ist Immenkötter überzeugt. Das habe die Vermögensungleichheit vergrößert.
Der Vermögensanteil der reichsten Deutschen und das Durchschnittsvermögen werden also durch die Haushaltsbefragung erheblich unterschätzt – und das stärker als in anderen Ländern.
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