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Vertrauensfrage

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Kompetenz, Engagement, guter Wille – all das läuft ins Leere, wenn Mitarbeiter ihrer Führungskraft nicht vertrauen. Die gute Nachricht: Vertrauen lässt sich gezielt aufbauen, wenn Chefinnen und Chefs ihren größten Schwachpunkt erkennen.

Von****Frances Frei und Anne Morriss

An einem Frühlingsnachmittag 2017 betrat Travis Kalanick, damals CEO von Uber, einen Konferenzraum in der Bay Area. Er war mit Frances Frei verabredet – einer der Autorinnen dieses Artikels. Meghan Joyce, Ubers General Manager für USA und Kanada, hatte das Treffen in der Unternehmenszentrale in Kalifornien eingefädelt. Sie hoffte inständig, dass wir dem Unternehmen dabei helfen könnten, sein schlechtes Image loszuwerden. Ubers Ansehen war durch eine Reihe selbst verschuldeter Vorfälle am absoluten Tiefpunkt angekommen. Tatsächlich hatten wir bereits einigen Unternehmen bei der Lösung von verfahrenen Führungs- und Vertrauensproblemen geholfen. Die meisten von ihnen waren wie Uber von ihrem Gründer geleitet worden.

Was Uber anbelangte, waren wir allerdings skeptisch. Was wir bis dahin über das Unternehmen recherchiert hatten, machte nur wenig Hoffnung auf eine mögliche Wiedergutmachung. Uber war als enorm disruptives und erfolgreiches Start-up bekannt. Es stand jedoch auch in dem Ruf, keinerlei Rücksicht auf die Interessen anderer zu nehmen. Das Geschäftsgebaren, das das Unternehmen Anfang 2017 in New York an den Tag legte, erschien Beobachtern deshalb nur als ein weiterer Beleg für Ubers brutale Geschäftspolitik. Damals streikten die Taxifahrer in der Metropole, um gegen das von US-Präsident Donald Trump verhängte Einreiseverbot für Bürger aus muslimischen Staaten zu protestieren. Ausgerechnet diese heikle Situation nutzte Uber nach Meinung seiner Kritiker gnadenlos aus, um Profit daraus zu schlagen. Die darauf folgende Welle der Empörung in der Bevölkerung war groß und gipfelte schließlich in der #deleteUber-Kampagne. Einen Monat vor unserer Verabredung mit Kalanick hatte die Ingenieurin Susan Fowler in einem mutigen Blogbeitrag berichtet, dass sie gleich mehrfach Belästigungen und Diskriminierungen im Unternehmen erlebt hatte. Ihre Beschreibungen ließen das Entsetzen der Öffentlichkeit zusätzlich wachsen. Schließlich ging ein Video viral, das Gründer Kalanick im Gespräch mit einem Uber-Fahrer zeigte. Als der Mann dem Uber-CEO erklärte, wie schwer es sei, seinen Lebensunterhalt als Fahrer für das Unternehmen zu verdienen, wies Kalanick jedwede Verantwortung zurück und tat die Beschwerde als unbegründet ab. Derlei Anschuldigungen häuften sich und schienen kein Ende zu finden. Jede einzelne von ihnen zementierte Ubers Ruf als rücksichtsloses und kaltherziges Unternehmen, dem Erfolg über alles ging.

Trotz unserer Skepsis machte sich Frances auf den Weg nach Kalifornien, um persönlich mit Kalanick zu sprechen. In der Uber-Zentrale angekommen, rechnete sie damit, auf einen eitlen und selbstgefälligen CEO zu treffen. Der Mann, der den Raum betrat, entsprach dieser Erwartung allerdings kein bisschen. Kalanick wirkte demütig und in sich gekehrt. Er gestand während des Gesprächs ein, dass unter seiner Führung die Werte, die Uber zum Erfolg verholfen hatten, missbraucht und ins Gegenteil verkehrt worden waren. Darüber hinaus zeigte er großen Respekt und Anerkennung für die Leistungen seine Mitarbeiter. Und ihm war bewusst, dass er einige von ihnen mit Führungsaufgaben betraut hatte, ohne ihnen das notwendige Training oder die erforderliche Unterstützung dafür zur Verfügung zu stellen. Keine Frage: Er hatte eine ganze Reihe schwerwiegender Fehler begangen. Jetzt hatte er jedoch den starken Wunsch, die Dinge als Mann an der Spitze richtig zu machen.

Gleich nachdem Frances wieder zurück in Cambridge an der Ostküste war, trafen wir uns. Sie war nicht sicher, ob wir den Auftrag annehmen sollten. Vieles sprach dagegen. Die Arbeit würde anstrengend und aufreibend werden, das Ergebnis war ungewiss. Aber: Die Mitarbeiter waren schwer frustriert, und die Marke Uber nahm immer größeren Schaden. Wenn es uns gelingen würde, bei Uber ein respektvolles Miteinander zu bewirken, erhielten wir damit eine Blaupause für viele andere Unternehmen. Also sagten wir zu. Wir hatten auch schon das Thema identifiziert, von dem unser und Ubers Erfolg abhängen würde: Vertrauen.

Vertrauen gilt als etwas Kostbares, gleichzeitig ist es die Basis fast allen Handels in einer zivilisierten Gesellschaft. Vertrauen ist die Grundlage, auf der wir unser hart verdientes Geld gegen Produkte und Dienstleistungen tauschen. Es ist die Basis dafür, dass wir uns in einer Ehe an einen anderen Menschen binden. Es sorgt dafür, dass wir bei Wahlen anderen unsere Stimme geben, damit sie unsere Interessen vertreten. Bei all dem dienen uns Gesetze und Verträge als Sicherheitsnetz.

Doch auch ihr Fundament ist letztlich das Vertrauen in die übergeordneten Institutionen. Wir vertrauen darauf, dass sie im Falle eines Falles dafür sorgen, dass geltendes Recht durchgesetzt wird. Und dies, obwohl nicht einmal sicher ist, ob uns Gerechtigkeit widerfährt, wenn etwas schiefläuft. Dennoch haben wir genug Vertrauen in das System, um uns auf lebensentscheidende Vereinbarungen mit mehr oder weniger Fremden einzulassen.

Auch für Führungskräfte zählt Vertrauen zu ihrem wichtigsten Kapital. Um es aufzubauen, müssen Sie Führung jedoch vielfach aus einer neuen Perspektive betrachten.

Das traditionelle Rollenbild und Leadership-Narrativ stellt Sie als Führungskraft in den Mittelpunkt: Es geht um Ihre Vision und Strategie, Ihre Fähigkeit, klare Ansagen in schwierigen Zeiten zu machen und die Menschen hinter sich zu versammeln. Es geht um Ihre Kompetenzen, Ihr Charisma und die Momente, in denen Sie durch Ihren Mut und Instinkt glänzen. Bei guter Führung geht es jedoch eigentlich nicht um Sie. Es geht darum, anderen durch Ihre Anwesenheit Stärke zu verleihen und dafür zu sorgen, dass Ihre Führung diese Menschen auch dann inspiriert, wenn Sie nicht anwesend sind.

Das ist das grundlegende Prinzip guter Führung, das uns im Verlauf unserer Arbeit mit Topmanagern und Unternehmen immer wieder begegnet ist. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es, die Bedingungen zu schaffen, unter denen Ihre Mitarbeiter ihr volles Potenzial und ihre Stärken entfalten können. Das gilt, wenn Sie direkt mit ihnen zusammenarbeiten. Aber auch, wenn Sie nicht täglich mit Ihren Mitarbeitern zu tun haben. Und – das ist der eigentliche Lackmustest – wenn Sie mit einer höheren Aufgabe betraut werden und nicht mehr Teil des Teams sind. Wir nennen es Empowerment Leadership, also eine Form der Führung, die auf Eigeninitiative setzt. Je mehr Vertrauen Sie schaffen, desto erfolgreicher praktizieren Sie diese Form von Führung.

Wie lässt sich dieses grundlegende Leadership-Kapital aufbauen? Unserer Erfahrung nach beruht Vertrauen auf drei Faktoren: Authentizität, Logik und Empathie. Vertrauen entsteht, wenn Menschen das Gefühl haben, dass Sie als Führungskraft in der Zusammenarbeit Ihr wahres Ich zeigen (Authentizität). Vertrauen entwickelt sich zudem, wenn Menschen an Ihr Urteilsvermögen und Ihre Kompetenz glauben (Logik) und wenn sie sich persönlich wertgeschätzt fühlen (Empathie). Wenn Vertrauen verloren geht, liegt dies beinahe immer daran, dass einer dieser drei Faktoren aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Menschen erkennen häufig nicht, wie die von ihnen verbreiteten Informationen (oder Fehlinformationen) dazu beitragen, ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben. Stress verstärkt dieses Problem. Häufig tragen Anspannung und Überforderung dazu bei, dass Menschen fragwürdige Verhaltensweisen intensivieren – und so erst recht Skepsis auslösen. Manche Menschen verbergen etwa im Vorstellungsgespräch ihr wahres Ich und erkennen nicht, dass es gerade die mangelnde Authentizität ist, die ihre Chancen auf die Stelle schmälert.

Die gute Nachricht: Die meisten von uns senden bereits ein stabiles Muster von Vertrauenssignalen aus – sodass schon kleinere Verhaltensänderungen viel bewirken können. Wenn wir Vertrauen einbüßen oder es uns nicht gelingt, ausreichend Vertrauen zu gewinnen, hapert es in der Regel immer wieder am selben Vertrauensfaktor: An unserer persönlichen Authentizität, unserer Fähigkeit zur Empathie oder Logik. Wir nennen dies den Vertrauenswackelpunkt einer Person. Er beschreibt den Faktor, an dem ein Mensch am ehesten scheitert.

Jeder von uns hat einen solchen Vertrauenswackelpunkt. Um Vertrauen aufzubauen, müssen Sie daher zunächst herausfinden, welcher es bei Ihnen ist.

Machen wir uns also auf die Suche nach Ihrem Wackelpunkt. Denken Sie dazu an eine Situation zurück, in der Ihr Gegenüber Ihnen nicht das Vertrauen schenkte, das Sie Ihrer Meinung nach verdient hätten. Vielleicht ist Ihnen ein wichtiges Geschäft entgangen oder Sie wurden nicht wie erhofft mit der neuen, anspruchsvolleren Aufgabe betraut. Vielleicht haben die Verantwortlichen an Ihrer Umsetzungskompetenz gezweifelt. Haben Sie eine solche Situation vor Augen? Probieren Sie jetzt etwas Schwieriges: Nehmen Sie einmal an, dass Ihr Gegenüber recht hatte. Nennen wir diese Person Ihren Skeptiker. Gehen Sie also davon aus, dass Sie es sind, der oder die für den Vertrauensverlust verantwortlich ist. Aber Vorsicht: Dieses Gedankenexperiment funktioniert nur, wenn Sie sich wirklich darauf einlassen.

Überlegen Sie nun, welche der drei Vertrauenssäulen in dieser Situation gewackelt hat. Hatte Ihr Skeptiker vielleicht den Eindruck, dass Sie ihm einen Teil Ihres Selbst oder Ihrer Geschichte vorenthielten? Falls es so war, hätten Sie ein Authentizitätsproblem. War er der Meinung, Ihnen ginge es vorrangig um Ihre eigenen Interessen? Dann wäre Empathie Ihr Schwachpunkt. Oder zweifelte Ihr Skeptiker an Ihrer Beurteilungskompetenz oder Fähigkeit, einen anspruchsvollen Plan umzusetzen? Damit läge Ihr Problem im Bereich Logik.

Treten Sie nun einen Schritt zurück und betrachten Sie das Muster, nach dem Ihre Wackelpunkte zum Tragen kommen. Rufen Sie sich dazu verschiedene Situationen aus der Vergangenheit in Erinnerung. Wählen Sie drei oder vier aus, die Ihnen – aus welchem Grund auch immer – besonders im Gedächtnis geblieben sind. Führen Sie für jede einen kurzen Vertrauenscheck durch. Welches könnte Ihr Wackelpunkt sein? Gibt es ein Muster, das wiederholt aufgetreten ist? Ändert es sich unter Stress? Hängt es davon ab, mit wem Sie es gerade zu tun haben? Wackelt zum Beispiel eine Säule, wenn es sich dabei um Ihre direkten Mitarbeiter handelt? Und eine andere, wenn Ihre Vorgesetzten beteiligt sind? Keine Sorge, falls es so sein sollte: Sie sind nicht allein, das kommt häufiger vor.

Am besten funktioniert diese Übung, wenn Sie mindestens eine andere Person bitten, Ihnen bei der Diagnose behilflich zu sein – idealerweise handelt es sich dabei um jemanden, der Sie gut kennt. Ihre Analyse mit Vertrauten zu diskutieren kann Ihnen zu großer Klarheit verhelfen und geradezu befreiend wirken. Der Austausch hilft Ihnen auch, Ihre Hypothese zu testen und zu verfeinern.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass etwa 20 Prozent der Selbsteinschätzungen danebenliegen und nachjustiert werden sollten. Wählen Sie also Partner aus, die Ihnen helfen, ehrlich zu sich selbst zu sein.

Wenn Sie wollen, können Sie Ihre Analyse anschließend direkt überprüfen: Bitten Sie Ihren Skeptiker um ein offenes Gespräch. Schon dies kann helfen, Vertrauen zurückzugewinnen. Wenn Sie Verantwortung für das übernehmen, was schiefgelaufen ist – und damit für Ihren Wackelpunkt –, wirkt das menschlich (und stärkt so Ihre Authentizität). Sie stellen Ihre Analysefähigkeit (und damit Ihre Fähigkeit zur Logik) unter Beweis und zeigen, dass Ihnen die Beziehung wichtig ist (und unterstreichen so Ihre Empathie).

In den vergangenen zehn Jahren haben wir eine ganze Reihe von Führungskräften bei der Bewältigung von Vertrauensproblemen begleitet. Darunter waren erfahrene Politiker, Existenzgründer und Chefs milliardenschwerer Konzerne. Wir haben dabei viele Strategien getestet, mit denen sich individuelle Vertrauenswackelpunkte überwinden lassen. Die nun folgenden Ansätze für die einzelnen Faktoren im Vertrauensdreieck haben jeweils am besten funktioniert.

Empathie. Viele erfolgreiche Topmanager tun sich bei diesem Punkt besonders schwer. Wenn Sie keine oder nur wenig Empathie zeigen können, lässt sich Führung, die auf Eigeninitiative zielt, nur schwer umsetzen. Denn wenn Ihre Mitarbeiter den Eindruck haben, Ihnen gehe es mehr um sich selbst als um Ihr Team, werden sie Ihnen nicht genug vertrauen, um sich von Ihnen führen zu lassen.

Menschen, deren Schwachpunkt im Bereich Empathie liegt, sind häufig analytisch und wissbegierig. Wenn ihr Umfeld allerdings nicht ebenso motiviert ist oder ihren Gedanken nicht so schnell folgen kann, werden sie ungeduldig. Die zunehmende Digitalisierung unseres Arbeitsumfelds und die modernen, flexiblen Arbeitsmethoden verstärken dieses Problem noch: Wir sind mittlerweile praktisch rund um die Uhr erreichbar, die vielen neuen Kommunikationstools fordern unsere ständige Aufmerksamkeit. Unter diesen Umständen ist es schwierig, Empathie zu entwickeln und zu zeigen. All die piependen und vibrierenden Geräte verstärken unsere Ichbezogenheit und suggerieren uns, dass wir ungeheuer wichtig sind. Deshalb kommt es gar nicht so selten vor, dass wir mitten im Gespräch mit den Menschen, die wir eigentlich stärken und führen möchten, auf unser blinkendes Mobilgerät schauen.

Wir empfehlen Führungskräften, deren Schwachpunkt mangelnde Empathie ist, besonders auf ihr Verhalten in Gruppensituationen zu achten. Wir alle kennen das: Zu Beginn des Meetings ist die Mehrheit der Anwesenden stark motiviert. Sobald die Empathie-Wackler die zur Diskussion stehenden Konzepte jedoch verstanden und ihren Input dazu gegeben haben, verlieren sie das Interesse. Sie beteiligen sich immer weniger, bis die Besprechung (endlich!) zu Ende ist. Anstatt zuzuhören, beschäftigen sie sich mit allerlei anderen Dingen: Sie schauen auf ihr Handy und lassen deutliche Anzeichen von Langeweile erkennen. Jedes Mittel scheint ihnen recht, um zu zeigen: Das hier ist unter meinem Niveau.

Diese Art Verhalten hat ihren Preis – sie kostet Vertrauen. Wenn Sie den anderen zu verstehen geben, dass Ihre eigenen Interessen über denen aller anderen stehen, warum sollte Ihnen dann irgendjemand folgen? Was hätten sie davon?

Die Lösung des Problems ist einfach: Konzentrieren Sie sich nicht darauf, was Sie persönlich in einer Besprechung erreichen wollen. Sorgen Sie stattdessen Sie dafür, dass die anderen Teilnehmer profitieren. Dazu müssen Sie Verantwortung übernehmen. Tragen Sie dazu bei, das Gespräch voranzubringen – auch wenn es nicht um Ihre Themen geht. Veranschaulichen Sie die vorgestellten Konzepte anhand von Beispielen, anstatt gelangweilt darauf zu warten, bis es auch der Letzte kapiert hat.

Das geht natürlich nicht, wenn Sie ständig Mails checken oder Nachrichten schreiben. Legen Sie Ihr Mobilgerät zur Seite. Die anderen wissen ohnehin, dass es sich bei dem, was Sie da tippen, nicht um Notizen zu den gerade diskutierten Ideen handelt.

Dieser Punkt in Sachen Empathie ist uns besonders wichtig: Wenn Sie Ihr Verhalten nicht wirklich ändern können oder wollen, legen Sie wenigstens Ihr Handy zur Seite. Stecken Sie es weg, sodass es weder zu sehen noch griffbereit ist. Das Gerät einfach nur für ein paar Minuten mit dem Display nach unten auf den Tisch zu legen genügt nicht. Sie werden erstaunt sein, wie viel besser Sie sich plötzlich auf die Unterhaltung einlassen können und wie viel mehr Vertrauen man Ihnen dadurch entgegenbringt.

Logik. Wenn Chefs und Mitarbeiter nicht von Ihren Ideen überzeugt sind oder bezweifeln, dass Sie sie umsetzen können, liegt Ihre Schwachstelle wahrscheinlich im Bereich Logik. Denn: Warum sollten Menschen Ihnen das Ruder überlassen, wenn sie Ihrem Urteilsvermögen misstrauen?

Sollten Sie ein Logikproblem haben, sind Sie gut beraten, sich auf die Fakten zu besinnen. Untermauern Sie Ihre Argumente mit hieb- und stichfesten Belegen, sprechen Sie nur über Dinge, von denen Sie wissen, dass sie zutreffen, und dann – das ist der schwierige Teil – lassen Sie es gut sein. 
Die Basketballlegende Larry Bird war vor allem deshalb ein so überragender Spieler, weil er nur dann auf den Korb warf, wenn er wusste, dass er treffen würde. Das unterschied ihn von den vielen anderen Spielerlegenden, die sich von ihrem Ego und Adrenalin antreiben ließen und deshalb oft danebenwarfen. Bird übte und analysierte seine Würfe unablässig. Irgendwann wusste er genau, wohin der Ball fliegen würde, sobald er in der Luft war. Wenn Logik Ihr Wackelpunkt ist, nehmen Sie sich ein Beispiel an Bird und versuchen Sie wie er, nur innerhalb Ihres Kompetenzfelds zu spielen.

Sobald Sie diesen neuen Modus verinnerlicht haben, heißt es für Sie: weitere Informationen einholen. Beziehen Sie dabei am besten auch andere Menschen mit ein. Deren Wissen ist eine Ihrer wertvollsten Ressourcen. Um sie zu nutzen, müssen Sie allerdings zugeben, dass Ihre Kenntnisse nicht allumfassend sind. Vielen Führungskräften fällt das schwer – aber es lohnt sich. Denn Wissen und Erfahrungen anderer offen einzubinden bringt noch einen weiteren Vorteil: Sie zeigen damit, wer Sie wirklich sind und was Sie beruflich antreibt. In vielen Fällen wirkt das wie ein Turbo für die persönliche Glaubwürdigkeit.

Den meisten Führungskräften, bei denen die Säule Logik wackelt, mangelt es nicht an der Stringenz ihrer Argumente. Sie ist häufig vorhanden, vermittelt sich jedoch nicht. Warum? Weil viele dieser Manager ihre Ideen nicht wirkungsvoll genug kommunizieren.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, komplexe Gedanken darzulegen. Im ersten Fall nehmen Sie Ihre Zuhörer mit auf eine Reise, die unvorhergesehene Wendungen, ein interessantes Setting und jede Menge Dramatik bereithält. Am Ende eines solchen erzählerischen Ausflugs steht dann die eigentliche Idee, die den Zuhörern nahegebracht werden sollte. Viele große Geschichtenerzähler nutzen diese Technik. Bildlich lässt sie sich so beschreiben: Stellen Sie sich ein Dreieck vor, das auf dem Kopf steht. Sie beginnen oben an der Linie und bewegen sich mit Ihrer Erzählung dann in unterhaltsamen Schlenkern und faszinierenden Kurven nach unten zur Spitze.

Wenn Logik Ihr Schwachpunkt ist, könnte dieses Vorgehen allerdings riskant sein. Bei all den Irrungen und Wirrungen der Geschichte laufen Sie Gefahr, Ihre Zuhörer unterwegs zu verlieren. Das wäre kontraproduktiv – schließlich wollen Sie Vertrauen in Ihre Urteilskraft aufbauen.

Hier empfiehlt es sich, das Dreieck wieder zu drehen. Nun beginnen Sie oben an der Spitze mit Ihrem wichtigsten Argument und arbeiten sich nach unten zur Basis. Dabei untermauern Sie Ihre Argumente mit belastbaren Daten. So signalisieren Sie Ihren Zuhörern: Ich habe eine klare Vision und kenne die Fakten. Zudem können Ihre Zuhörer Ihnen durch die klare Reihenfolge leichter folgen. Selbst wenn Sie zwischendurch unterbrochen werden, haben Sie auf diese Weise Ihren zentralen Gedanken kommuniziert.

Authentizität. Wenn die Menschen um Sie herum das Gefühl haben, nicht richtig an Sie heranzukommen – also nicht sicher sind, was Sie wissen, denken und fühlen –, haben Sie wahrscheinlich ein Problem mit Ihrer Authentizität. Das lässt sich schnell überprüfen: Überlegen Sie einmal, wie sich Ihr berufliches Selbst von dem unterscheidet, das Ihre Familie und Freunde kennen. Ist die Diskrepanz groß, sollten Sie sich fragen: Was habe ich davon, einen Teil von mir zurückzuhalten oder gar zu verbergen? Wie sieht der Nutzen aus?

Ganz und gar man selbst sein, das mag sich in der Theorie schön anhören. In der Praxis haben Menschen jedoch gute Gründe, gewisse Wahrheiten lieber zurückzuhalten. Das können sehr persönliche Dinge sein, wie zum Beispiel die sexuelle Orientierung. Wer aufgrund seiner Homosexualität befürchten muss, am Arbeitsplatz schikaniert zu werden, wird sich dort wahrscheinlich nicht dazu äußern wollen.

Auch Gefühle zu zeigen kann in bestimmten Situationen negative Konsequenzen haben. Frauen werden zum Beispiel deutlich häufiger als Männer zurechtgewiesen, wenn sie ihren Emotionen am Arbeitsplatz freien Lauf lassen. Afroamerikaner leiden häufig unter dem Vorurteil, sie hätten ihre Wut nicht im Griff. Die beschriebenen Umstände sind jedoch nicht die, auf die wir in diesem Artikel abzielen. Wir sprechen nicht von Situationen, in denen Menschen aus Vorsicht zur Selbstzensur greifen. Was wir meinen, ist vielmehr ein Verhalten, bei dem bewusste Unaufrichtigkeit am Arbeitsplatz zur Strategie wird. Wenn das auf Sie zutrifft, haben Sie ein Authentizitätsproblem.

Wir beobachten öfter, wie sich durch das Zurückhalten des eigenen Ichs kurzfristig Probleme lösen lassen. Allerdings ist ein solches Verhalten für andere durchaus spürbar und verhindert, dass echtes Vertrauen entsteht. Wenn Ihre Mitarbeiter merken, dass Sie etwas vor ihnen verbergen oder sich unnatürlich verhalten, sind sie im Gegenzug weitaus weniger bereit, sich Ihnen gegenüber zu öffnen. Das jedoch ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für gelungene Führung.

Wozu fehlende Authentizität führen kann, haben wir vor allem in divers zusammengesetzten Teams beobachtet. Vielfalt in der Belegschaft kann auf den heutigen Märkten ein enormer Wettbewerbsvorteil sein. Das zeigen Unternehmen, die verstanden haben, wie sie richtig umgesetzt und gelebt werden kann, eindrücklich. Dies entsteht jedoch nicht von selbst. Unternehmen, die Mitarbeiter mit unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen einstellen, erzielen dadurch nicht automatisch eine bessere Performance. Die unangenehme Wahrheit ist: Multikulturelle Teams sind oft weniger erfolgreich als homogene Gruppen, wenn die Unterschiede zwischen ihren Mitgliedern nicht zum Tragen kommen. Verantwortlich hierfür ist unter anderem der Effekt des gemeinsamen Wissens: Menschen neigen dazu, sich auf ihre Gemeinsamkeiten zu konzentrieren, weil dies ihr Gruppenzugehörigkeitsgefühl stärkt. Vielfältige Teams verfügen naturgemäß über weniger gemeinsames Wissen, auf das sie bei Entscheidungen zurückgreifen können, als solche, die weitgehend ähnlich zusammengesetzt sind.

Sehen wir uns ein Beispiel an: Stellen Sie sich zwei Teams mit jeweils drei Mitarbeitern vor. Im ersten Team unterscheiden sich die Personen deutlich voneinander, im zweiten sind die Unterschiede nur gering. Wenn nun beide Teams auf die gleiche Art und Weise geführt und angeleitet werden – wenn sie zum Beispiel dieselben Best-Practice-Ansätze für die Zusammenarbeit in der Gruppe anwenden –, wird das homogene Team höchstwahrscheinlich die bessere Leistung erzielen. Keine noch so gute Feedbackkultur kann den Effekt des gemeinsamen Wissens wettmachen. Selbst eine tiefe Vertrauenskrise im homogenen Team würde nicht ausreichen, um ihn auszuhebeln.

Seine Kraft entfaltet der Effekt jedoch nur, wenn Führungskräfte nicht genügend Authentizität mitbringen. Wenn Sie sich hingegen entschließen, auch die Seiten von sich zeigen, die Sie von anderen unterscheiden, können Sie Ihrem Team einen unschlagbaren Vorteil verschaffen. Denn das Wissen, auf das die Mitglieder nun zugreifen können, hat sich dadurch erheblich erweitert. Das Ergebnis ist ein wirklich gemeinschaftlich agierendes Team, das die Stärken seiner Mitglieder erfolgreich kombiniert und nutzt. Kein Wunder, dass Teams, die auf diese integrative Art und Weise geführt werden, anderen langfristig oft überlegen sind. Und zwar sowohl homogenen Teams als auch jenen, die zwar nach Diversity-Gesichtspunkten zusammengesetzt sind, deren Management aber nicht darauf ausgelegt ist, die unterschiedlichen Stärken miteinander zu verbinden.

Eine solche Erweiterung des Wissens- und Erfahrungsschatzes ihres Teams verlangt von Führungskräften, die Teile ihrer Persönlichkeit bislang verbergen, viel Mut. Sie bietet dafür jedoch enorme Vorteile. Natürlich ist uns bewusst, dass es schwierig sein kann, sich so zu geben, wie man ist. Manchmal ist es auch schlicht nicht möglich. Wenn wir uns jedoch immer wieder dem Druck beugen und unser wahres Ich verstecken, unterdrücken wir damit einen entscheidenden Teil unserer Persönlichkeit – unsere Andersartigkeit. Damit verzichten wir auf die Chancen, die darin stecken. Wir nehmen sie allerdings auch allen anderen – und erschweren ihnen, uns als Führungskräften zu vertrauen.

Selbst wenn Sie sich persönlich nicht als besonders andersartig betrachten, lohnt sich die Mühe. Keiner von uns profitiert von unaufrichtigen Begegnungen. Noch wichtiger vielleicht: Wir alle können viel besser in einer Umgebung arbeiten, in der wir sein können, wie wir wirklich sind, und in der Vielfalt blüht. Mit anderen Worten: Geschlechterspezifische Diskriminierung ist nicht allein ein Problem von Frauen. Systematischer Rassismus betrifft nicht nur Afroamerikaner und Latinos. Es ist unsere gemeinsame moralische und berufliche Pflicht, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der die Last des Andersseins gemeinsam geschultert wird. Denn am Ende profitieren wir alle, wenn wir unsere Unterschiede in eine Stärke verwandeln.

Die Arbeit mit Unternehmen hat uns gezeigt, dass es gar nicht so kompliziert ist, Umgebungen zu schaffen, in denen Authentizität gedeihen kann. Tatsächlich handelt es sich hier um ein ebenso wichtiges wie erreichbares Ziel. Dazu um eines, das wesentlich weniger Wagemut verlangt als die Disruption einer Branche oder die Expansion eines komplexen Unternehmens. Wenn jeder von uns dabei hilft, Vielfalt am Arbeitsplatz zu fördern, und wir uns authentisch verhalten, stehen unsere Chancen ziemlich gut, eine wirklich alle umfassende Gemeinschaft aufzubauen, in der ein hohes Maß an Vertrauen existiert.

Konzentrieren Sie sich künftig also nicht mehr so sehr darauf, das zu sagen, was die Menschen Ihrer Einschätzung nach von Ihnen hören wollen. Sagen Sie, was Sie zu sagen haben. Zeigen Sie sich, wie Sie wirklich sind, egal was Ihre Kritiker dazu sagen. Vor allem: Kümmern Sie sich gut um die Menschen, die anders sind als Sie – in dem Wissen, dass es gerade deren Andersartigkeit ist, die Sie in die Lage versetzt, Ihr eigenes Potenzial und das Ihres Unternehmen voll auszuschöpfen.

Wir haben argumentiert, dass Führung, die Eigeninitiative stärkt, nur gelingen kann, wenn Sie das Vertrauen der Menschen in Ihrem Umfeld gewinnen. Das ist jedoch nur einer der Schritte auf dem Weg dorthin. Und dieser Weg beginnt nicht damit, dass andere Ihnen vertrauen. Er beginnt damit, dass Sie sich selbst vertrauen.

Um Ihre Mitarbeiter zu befähigen, müssen Sie nicht nur prüfen, wo Ihre Wackelpunkte im Umgang mit anderen liegen. Sie müssen auch wissen, wo Sie Ihre Schwächen im Umgang mit sich selbst haben. Sind Sie ehrlich mit sich, was Ihre Ambitionen anbelangt? Oder verdrängen Sie, was Sie wirklich antreibt und eigentlich inspiriert? Wenn Sie etwas vor sich selbst verbergen, sind Sie nicht authentisch und sollten dieses Thema unbedingt angehen. Akzeptieren Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und leben entsprechend? Falls nicht, sollten Sie empathischer mit sich selbst sein. Zweifeln Sie an Ihren Ideen und Ihrer Durchsetzungskraft? Sollte dies so sein, haben Sie ein Logikproblem, um das Sie sich kümmern sollten.

Sich diesen Aufgaben zu stellen ist für Führungskräfte ungeheuer wichtig. Der Grund dafür ist schlicht: Wenn Sie sich selbst nicht vertrauen, warum sollten es dann andere tun?

Kommen wir zurück zu Uber. Als wir anfingen, das Unternehmen zu beraten, war es definitiv durchgeschüttelt – so sehr, dass wir ein völliges Chaos diagnostizierten. Aber: Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Sehen wir uns dazu die Grundfaktoren für Vertrauen an. Keine Frage, Uber hatte Empathieprobleme. Der starke Fokus auf unbedingtes Wachstum hatte die Beziehungen zu den Stakeholdern nachhaltig beschädigt. Dabei hatte das Verhältnis zu Fahrern und Mitarbeitern besonders gelitten. Auch die Kunden mussten erst wieder überzeugt werden, dass ihre Sicherheit für das Unternehmen Vorrang hatte und nicht etwa finanziellen Zielen geopfert wurde. Hinzu kam, dass trotz des disruptiven Erfolgs nicht klar war, ob Ubers Geschäftsmodell langfristig tragfähig sein würde. Fraglich war zudem, ob das Management das Zeug dazu hatte, das Unternehmen auf die nächste Entwicklungsstufe zu hieven.

Um diese Probleme – die in unserem Vertrauensmodell in den Bereich Logik fallen – hatte sich bislang noch niemand gekümmert. Zudem schadete die Aggressivität, mit der Uber auftrat, seiner Glaubwürdigkeit. Die konsequent gelebte "Wir gegen alle"-Kultur führte dazu, dass Öffentlichkeit wie Mitarbeiter ständig das Gefühl hatten, nur einen sehr begrenzten Teil der Wahrheit zu erfahren.

Als Frances die Zusammenarbeit mit Kalanick aufnahm, hatte er bereits selbst einige Veränderungen angestoßen, um die Vertrauensdefizite zu verringern. Unter anderem hatte er Eric Holder – den ehemaligen Justizminister von US-Präsident Barack Obama – beauftragt, eine gründliche Untersuchung zu Diskriminierung und Belästigung im Unternehmen durchzuführen. Holder hatte eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die Kalanick nun umsetzte. Außerdem war das Unternehmen gerade dabei, ein neues Trinkgeldsystem für seine Fahrer einzuführen, das schon bald Wirkung zeigen sollte: Bereits im ersten Jahr nach dem Start sorgte es für ein zusätzliches Einkommen in Höhe von insgesamt 600 Millionen Dollar. Auch das Thema Sicherheit für Fahrer und Kunden hatte das Unternehmen in Angriff genommen.

Kalanick konnte die meisten dieser Maßnahmen jedoch nicht bis zum Ende begleiten, zumindest nicht als CEO. Im Juni 2017 wurde er abgesetzt, behielt aber seinen Sitz im Board und seine Anteile am Unternehmen. Von beidem trennte er sich erst im Dezember 2019. Den Posten als CEO übernahm Dara Khosrowshahi, ehemaliger Chef von Expedia.

Frances und Khosrowshahi setzten die Arbeit an der Kampagne zur Vertrauensbildung im Unternehmen fort. Eines ihrer gemeinsamen Projekte bestand darin, die Werte des Unternehmens neu zu definieren. Alle 15.000 Mitarbeiter wurden gebeten, Vorschläge für die Grundsätze zu machen, an denen sich Uber von nun an orientieren sollte. Daraus entstand der Leitsatz "We do the right thing. Period." (Wir tun das Richtige. Punkt.) Zusätzliches Vertrauen gewann Khosrowshahi, indem er die Beziehung des Unternehmens zu den Aufsichtsbehörden verbesserte. Er setzte auch einen neuen, für alle nachvollziehbaren Fokus beim Geschäft: Fortan sollte sich Uber auf die Dienstleistungen und Märkte konzentrieren, die besonders aussichtsreich und wertvoll waren.

Der Großteil unserer Arbeit aber zielte darauf, Vertrauen unter den Beschäftigten zurückzugewinnen. Einige Probleme ließen sich leicht identifizieren und beheben. So etwa der auch in anderen Techunternehmen verbreitete Zeitvertreib, während Meetings per SMS über andere Teilnehmer zu lästern. Eine Praxis, die zu einer starken Empathieerosion geführt hatte und uns zutiefst schockierte, als wir das erste Mal von ihr hörten. Wir führten eine neue Regel ein: Während des Meetings mussten die Teilnehmer ihre digitalen Geräte ausschalten und wegpacken. Dadurch waren sie gezwungen, wieder Blickkontakt mit ihren Kollegen aufzunehmen.

Andere Probleme ließen sich dagegen schwieriger bewältigen. Die Weiterbildung von etlichen Tausend Managern gehörte dazu. Unserer Einschätzung nach hatte Uber während seines Hyperwachstums deutlich zu wenig in seine leitenden Mitarbeiter investiert. So erstaunte es nicht, dass sie mit der zunehmenden Komplexität ihrer Aufgaben überfordert waren. Um dieses Kompetenzproblem zu lösen, setzten wir auf ein umfassendes Führungskräftetraining. In virtuellen Klassenzimmern diskutierten Führungskräfte und Mitarbeiter live über Fallstudien, egal ob sie in San Francisco, London oder Hyderabad saßen. Obwohl die Teilnahme freiwillig war und die Kurse wegen der Zeitverschiebung teilweise zu absurden Zeiten stattfanden, beteiligten sich 6000 Uber-Mitarbeiter in über 50 Ländern an dem Pilotprogramm. Über einen Zeitraum von 60 Tagen nahm jeder von ihnen an insgesamt 24 Stunden Unterricht teil. Tempo, Lernumfang und Beteiligung beeindruckten uns.

Im Rahmen der Weiterbildung bekamen die Manager viele Tools und Konzepte an die Hand, mit denen sie ihre Führungsqualitäten ausbauen konnten. Die Teilnehmer lernten nicht nur, besser zuzuhören, sondern auch ihre Dialogfähigkeit zu erweitern. Ziel all dessen war, den Austausch über die verschiedenen Geschäftsbereiche und Standorte zu erleichtern. In den ersten 30 Tagen besuchte Frances die wichtigsten Niederlassungen weltweit und gab den Mitarbeitern in vertraulichen Gesprächen die Gelegenheit, Fragen und Bedenken loszuwerden. Zudem diskutierte sie mit ihnen darüber, wie die Führungsspitze alles daran setzte, ein Unternehmen zu schaffen, das seine Mitarbeiter wertschätzte. Zu diesem Zeitpunkt haderten viele in der Belegschaft mit ihrer Zugehörigkeit zu Uber. Frances schlug deshalb vor, während der Arbeit ein Uber-T-Shirt zu tragen – so lange, bis die gesamte Belegschaft wieder stolz darauf wäre, für Uber zu arbeiten.

Nach einem Jahr war Uber deutlich stabiler geworden. Das Unternehmen hatte zwar längst nicht alle Probleme behoben, es gab aber Anlass zur Hoffnung: Die Stimmung in der Belegschaft, das Ansehen der Marke und der Verdienst der Fahrer entwickelten sich positiv. Auch die Pläne, das Unternehmen an die Börse zu bringen, wurden immer konkreter. Gute Mitarbeiter entschieden sich zu bleiben und neue talentierte Mitarbeiter kamen hinzu.

Der Fortschrittsindikator, der uns der liebste war, war jedoch die Tatsache, dass immer mehr Mitarbeiter auch auf der Straße Uber-T-Shirts trugen. Für uns war dies der Beweis, mit welcher Kompetenz, Kreativität und Bereitschaft die Menschen auf allen Ebenen im Unternehmen dazugelernt hatten. Und schließlich zeugte es von der neuen Vertrauensbasis, die Travis Kalanick und Dara Khosrowshahi geschaffen hatten. 

© HBP 2020

Kompakt

Die Situation Beim klassischen Rollenbild steht die Führungskraft im Mittelpunkt. Es geht um ihre Kompetenzen, ihren Mut, ihren Instinkt und ihr Charisma. Dabei gerät aus dem Blick, dass es bei guter Führung vor allem um die Mitarbeiter geht. Herausragende Führungskräfte schaffen eine Umgebung, in der andere Menschen ihr Potenzial und ihre Stärken entfalten können. Dazu ist Vertrauen elementar.

Das Problem Eine Führungskraft schafft Vertrauen, indem sie sich auf drei Faktoren konzentriert: Authentizität, Logik und Empathie. Die Menschen vertrauen ihrem Vorgesetzten, wenn sie das Gefühl haben, mit dem wahren Ich ihres Chefs zu kommunizieren, an sein Urteilsvermögen und seine Kompetenz glauben und wenn sie sich von ihm wertgeschätzt fühlen.

Die Lösung Die Ursache für fehlendes Vertrauen liegt meist darin, dass einer der drei Faktoren aus dem Gleichgewicht geraten ist. Um Vertrauen zurückzugewinnen, müssen Manager und Managerinnen herausfinden, ob ihr Schwachpunkt im Bereich der Empathie, der Logik oder der Authentizität liegt – und diesen Punkt stärken.

Die Autorinnen

Frances Frei ist Professorin für Service Management an der Harvard Business School. Als Entlohnung für ihre Beratung bei Uber erhielt sie Aktien des Unternehmens, die sie noch immer hält. Anne Morriss ist Unternehmerin sowie Geschäftsführerin und Mitbegründerin des Leadership Consortium. Gemeinsam mit Frances Frei verfasste sie das Buch "Unleashed: The Unapologetic Leader's Guide to Empowering Everyone Around You". Es ist 2020 bei Harvard Business Review Press erschienen. Dieser für unser Magazin leicht veränderte Artikel stammt daraus.

Dieser Beitrag erschien erstmals in der Juni-Ausgabe 2020 des Harvard Business managers.

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