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Frauen wollen keine Karriere machen? Unsinn! Das System will nicht, dass Frauen Karriere machen - © Westend61/Getty Images

„Viele Frauen wollen doch gar keine Karriere machen!“ – Wie Du Bullshitsätze enttarnst und geschickt aushebelst

Bestsellerautorin Alexandra Zykunov zerlegt in ihrem Buch klassische Bullshitsätze. Wie Du auf die schlimmsten sechs reagierst und Dein Gegenüber im Job aushebelst.

Von Mara Marx

Problem: Das ist natürlich Unsinn. Viele Frauen wollen Karriere machen, aber der Weg an die Spitze ist für sie immer noch erheblich steiniger und kräftezehrender als für Männer. Viele von ihnen landen in der Teilzeitfalle, weil es am Ende vorwiegend Frauen sind, die sich um Kinder, Angehörige und den Haushalt kümmern, während der Mann ungestört an seiner Karriere arbeitet. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft arbeiten nur zwölf Prozent der Frauen freiwillig in Jobs mit geringerer Stundenanzahl. Ihnen fehlen einfach die Möglichkeiten und die Zeit, sich um ihren eigenen Aufstieg zu kümmern.

Bullshitsatz-Hebel: Mit diesem Satz kann besser eingeordnet werden, was wirklich in Frauen vorgeht, die ihre Karrieremöglichkeiten zurückstellen: „Ich möchte natürlich aufsteigen und eine bestmögliche Karriere machen, und wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, dies in flexibleren Arbeitsmodellen zu tun, die auch meine familiären Verpflichtungen berücksichtigen, bin ich sofort dabei.“

#2 „Hast du ein Glück, dass dein Mann zu Hause so viel mithilft!“

Problem: Ein Klassiker unter den Bullshitsätzen, der besonders perfide ist – denn viele Menschen nehmen ihn gar nicht als Bullshit wahr. Was so positiv klingt, ist eigentlich eine Täuschung. Der Knackpunkt ist das Verb „helfen“. Helfen geschieht meist freiwillig und ohne jegliche Verantwortung. Und von genau dieser Verantwortung wird der Mann entbunden, wenn dieser Satz ausgesprochen wird. Haushalt, die Fürsorgepflicht der Kinder und eine faire Aufteilung von Berufs- und Alltagsleben sollten nicht allein bei der Mutter, sondern gleichermaßen beim Vater liegen.

Bullshitsatz-Hebel: Um sich der Ungerechtigkeit solcher Sätze und damit auch veralteten Sichtweisen bewusst zu werden, hilft es, sie umzukehren und bei Männern anzuwenden. Das klingt dann so: „Hast du ein Glück, dass deine Frau zu Hause so viel mithilft“ oder „Hast du ein Glück, dass deine Frau sich so viel um die Kinder kümmert“. Indem wir es so vor einem Mann aussprechen, wird uns und dem Gegenüber die Absurdität bewusst und es kann ein konstruktiver Dialog beginnen.

#3 „Frauen sollten einfach verhandeln wie Männer.“

Problem: Frauen werden abgestraft, wenn sie sich nicht „geschlechtertypisch“ verhalten. („Role Congruity Theory“). Treten Frauen in Bewerbungsgesprächen wie Männer auf, sind fordernd und durchsetzungsstark, haben sie trotzdem eine andere Wirkung auf das Gegenüber als Männer. Dann schätzen Personaler·innen sie eher als dreist und unverschämt ein. Verhandeln Frauen also wie Männer, werden sie unterbewusst abgestraft, und der Satz bewirkt das Gegenteil von dem, was er bewirken soll.

Bullshitsatz-Hebel: Mitarbeitende, Recruiter·innen und Führungskräfte müssen sich bewusst machen, dass es Voreingenommenheit gibt und Männer und Frauen zwar unterschiedlich sind, aber eine Gleichbehandlung verdienen. Frauen sollten im Gespräch aktiv ansprechen, wenn sie sich in ihrer Rolle falsch gesehen fühlen. Wichtig ist zudem, dass sich Frauen nicht verstellen und versuchen, wie Männer aufzutreten. Helfen kann der Satz: „Ich verhandele nicht als Frau oder Mann, sondern als fähige Mitarbeitende.“

#4 „Aber Väter werden im Job auch diskriminiert.“

Problem: „Whataboutism“ nennt sich die Diskussionsstrategie, die hinter diesem Bullshitsatz steckt. Dabei entgegnet eine Person einem kritischen Vorwurf mit einem Verweis auf einen anderen Missstand. Wer so eine Relativierung nutzt, lenkt vom Kernproblem ab und ist meist nicht in der Lage, fachlich zu argumentieren.

Bullshitsatz-Hebel: Die Debatte um Diskriminierungen im Job betrifft bereits seit Jahrzehnten vor allem Frauen, und deshalb sollte es vorrangig immer auch um diese gehen. Die wenigen diskriminierten Väter, welche Aufmerksamkeit erlangen, sollten ihr Scheinwerferlicht dafür nutzen, die vorwiegend diskriminierten Frauen hervorzuheben. Ein Satz, der helfen kann: „Mir ist bewusst, dass auch ihr Männer Diskriminierung im Job erfahren könnt. Das ist aber ein anderes Thema und macht nicht besser, dass wir Frauen häufig dadurch Nachteile haben, dass wir Kinder bekommen und anders in der Jobwelt wahrgenommen und bewertet werden.”

#5 „Frauen sollten einfach kürzer in Elternzeit gehen.“

Problem: In Deutschland gibt es laut einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung eine gesellschaftlich „angemessene“ Elternzeitdauer von drei Jahren und zwei Monaten. Verkürzen Mütter diese Zeit auf wenige Monate, werden sie nicht selten vom Arbeitgeber unterschwellig als egoistische, eiskalte und geldsüchtige Karrieremutter wahrgenommen. Bleiben sie hingegen zu lange in Elternzeit, gelten sie als Glucke und Übermutter. Welcher Satz führt aus dem Dilemma?

Bullshitsatz-Hebel: Es würde grundsätzlich helfen, in der Gesellschaft die Erwartungen an eine „gute“ Mutter zu hinterfragen. Würden mehr Männer länger in Elternzeit gehen – 58 Prozent der Männer sitzen bereits einen Tag nach der Geburt wieder im Büro – wäre das Verständnis für die Zerrissenheit zwischen Job und Kind für Mütter vermutlich größer. Folgender Satz kann helfen, das Verständnis zu erhöhen: „Es ist ein fordernder Spagat, sich gerecht zwischen Job und Familie aufzuteilen. Erst wenn Väter vermehrt Elternzeit nehmen, können sie verstehen, womit wir Frauen zu kämpfen haben.“

#6 „Gib deine Kinder einfach nicht im Lebenslauf an.“

Problem: Eine Frau mit Kind muss rund ein Drittel mehr Bewerbungen schreiben als ein Mann mit Kind, um überhaupt zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Daraus ergibt sich wieder ein Dilemma. Entweder, die Frau gibt das Kind im Lebenslauf gar nicht erst an und verleugnet es damit oder sie riskiert, von vornherein als eine Frau wahrgenommen zu werden, die womöglich ausfallen könnte, weil ihr Kind erkrankt.

Bullshitsatz-Hebel: Hier hilft es, den Spieß umzudrehen und folgende Frage zu stellen: „Gibst du als Mann dein Kind im Lebenslauf an – und wenn nicht, hast du dabei ein schlechtes Gewissen?” Die Wahrheit ist, Männer tun das zumeist nicht. Durch die direkte Frage wird aber die Absurdität deutlich, dass Frauen über so etwas in der Realität nachdenken müssen und in Bewerbungsgesprächen immer noch nach ihrer Familienplanung gefragt werden.

© Ullstein-Buchverlage
© Ullstein-Buchverlage

Bullshitsätze wie „Viele Frauen wollen doch gar keine Karriere machen“ oder „Vermisst du dein Kind nicht, wenn du alleine wegfährst?“ bekommen wir von unseren Freundinnen oder Familienmitgliedern ins Ohr geflüstert, bis wir ihnen glauben – und das Patriarchat sich freudestrahlend die Hände reibt. Alexandra Zykunov analysiert die Ungerechtigkeiten, Unwahrheiten und Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern und liefert Argumente und Punchlines für die nächste Familienfeier, Spielplatzrunde oder Beziehungsdiskussion.

Alexandra Zykunov, Journalistin - © Andreas Sibler
Alexandra Zykunov, Journalistin - © Andreas Sibler

Alexandra Zykunov ist Bestsellerautorin, Co-Redaktionsleiterin des Magazins „Brigitte Be Green“, Head of Content Innovation bei der „Brigitte“ und Redakteurin für feministische und gesellschaftliche Themen. Sie schreibt Texte über die Unsichtbarkeit von Frauen- und Familienthemen in der Politik und spricht damit Tausenden von Frauen aus der Seele.

Welchen Bullshitsatz hast Du schon einmal gehört und wie hast Du darauf reagiert? Teile Deine Erfahrungen mit uns in den Kommentaren.

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