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Madeleine und Benjamin stellen Armbänder aus den Geisternetzen her. © Leonie Schwarz

Von Geisternetzen zur Geschäftsidee – Warum wir unsere „Head of“-Positionen für den Meeresschutz aufgegeben haben

Es sollte nur ein Tauchurlaub werden, jetzt ist es ein erfolgreiches Start-up namens Bracenet. Madeleine und Benjamin kündigten ihre gut bezahlten Jobs, um aus herrenlosen Fischernetzen im Meer Armbänder herzustellen.

Ein Gastbeitrag von Madeleine von Hohenthal und Benjamin Wenke

Im Sommer 2015 waren wir beide erfolgreich in unseren Jobs verankert. Madeleine war Head of Art of Buying des Agenturnetzwerks BBDO, während ich als Chief of Marketing für zwei Start-ups bei Bosch tätig war. Wir waren zufrieden. Aber irgendwo schlummerte in uns schon immer das Bedürfnis, mehr bewegen zu wollen. Um einfach mal abzuschalten, packten wir unsere Rucksäcke und reisten zum Tauchen nach Tansania. Dieser Urlaub sollte der Beginn von Bracenet werden.

Während unserer Tauchgänge stießen wir auf sogenannte Geisternetze. So nennt man Fischernetze, die beim Fischfang verloren gehen oder absichtlich im Meer entsorgt werden. Für Meeresbewohner, die sich in diesen umhertreibemden Netzen verfangen, sind die Geisternetze eine echte Todesfalle. Daher begannen wir zunächst damit, die Netze zu bergen und einzusammeln. Bei unseren anschließenden Recherchen fanden wir dann schnell heraus, dass Geisternetze kein lokales, sondern ein globales Problem sind.

Schon vor Ort entwickelten wir die Idee, diese eingesammelten Netze zu recyclen und in Bracenets zu verwandeln. Am Handgelenk sollte aus den ehemaligen Geisternetzen ein sichtbares Statement für den Meeresschutz werden. Denn wir wussten, dass es nicht ausreichen würde, wenn wir bei unserer Rückreise nur Bild- und Videomaterial der durch die Netze vermüllten Meere im Gepäck hätten. Und so brachten wir zwei vollgepackte Rucksäcke mit Netzen zurück nach Hause und starteten mit der Fertigung unserer Armbänder.

So sehen die fertigen Bracenets aus.
So sehen die fertigen Bracenets aus.
Es ist ja schön und bemerkenswert, dass ihr die Meere retten wollt, aber wer rettet euch, wenn es nicht funktioniert?

Die ersten drei Jahre war das Projekt nur ein Hobby. Wir hatten eigentlich nie vor, es in Vollzeit zu betreiben. Zumal wir am Anfand noch gar nicht wussten, ob wir aus diesen Netzen tatsächlich ein tolles Produkt fertigen könnten. Und über die Vermüllung der Ozeane wurde zu diesem Zeitpunkt auch noch sehr wenig berichtet. Wir mussten dementsprechend parallel noch viel Aufklärungsarbeit leisten. Keine leichte Aufgabe, da wir das Projekt nur nebenberuflich stemmten und unseren Lohn und unsere Ersparnisse dafür aufgewendeten. Kredite oder Investoren brauchten wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht.

Doch im Laufe der Zeit wurde uns immer deutlicher, dass wir einfach noch mehr bewegen könnten, wenn wir den Schritt wagten, unsere Jobs dafür zu kündigen. 2018 haben wir es dann tatsächlich riskiert. Wir wagten den sprichwörtlichen Sprung ins kalte Wasser. Anfangs hatten wir unglaublich viele Bedenken: Was, wenn der Erfolg von Bracenet ausbleiben würde? Könnten wir dann überhaupt in unsere alten Jobs zurückkehren?

Aber wir sagten uns, auch wenn wir nur ein bis zwei Jahre durchhalten würden und in dieser Zeit etwas Gutes bewirken könnten, hätte sich der Schritt gelohnt.

Von der Grundidee war auch unser gesamtes Umfeld begeistert. Allerdings nicht davon, dass wir unsere Jobs dafür kündigen wollten. Alle waren sich einig: „Es ist ja schön und bemerkenswert, dass Ihr die Meere retten wollt, aber wer rettet euch, wenn es nicht funktioniert?“ Zugegeben, diese Frage war berechtigt.

Wir mussten verdammt viel dazulernen!

Madeleine und ich wollten eigentlich nie unter die Gründer·innen gehen. So mussten wir erstmal verdammt viel dazulernen. Allein die administrative Arbeit kostete unglaublich viel Zeit: Notartermine, Eintragungen, Steuerberatungssuche und vieles mehr. Da blieb wenig Zeit für die eigentliche Arbeit, die Herstellung der Armbänder. Von anderen Gründer·innen wurde uns zudem suggeriert, man müsse sich rund um die Uhr nur um das eigene Startup kümmern und jede freie Minute dafür einsetzen. Waren wir dazu wirklich bereit?

Sich aktiv auch einmal dafür zu entscheiden, einfach abzuschalten, ist keine leichte Entscheidung. Doch wie wichtig es ist, die richtige Balance zu finden, zeigt sich gerade in schwierigen Situationen. Als einige Zeit später die Corona-Pandemie viele Gründer·innen vor große Herausforderungen stellte, war dieser Ausgleich wichtig, um einen klaren Kopf zu behalten und nicht den totalen Tunnelblick zu entwickeln. Es hätte hier sonst sicherlich schnell zu Fehlentscheidungen kommen können.

Die ersten Erfolge für unser Projekt stellten sich Anfang 2018 ein, als das Thema Meeresschutz immer populärer wurde. Ein Glück für uns, dass wir zum richtigen Zeitpunkt angefangen hatten und Bracenet bereits existierte. Presse und Firmen kamen häufig ganz von selbst auf uns zu.

Es wäre zu einfach zu sagen, finde nicht nur einen Beruf, sondern direkt deine Berufung.

Wenn wir heute auf unsere Geschichte zurückgucken, würden wir alles wieder genauso machen. Von jedem Job in unserer Karriere, sei es Vollzeitjob oder Nebentätigkeit, profitieren wir noch heute, auch wenn wir damals nicht gleich unsere Erfüllung darin fanden.

Es ist leicht zu sagen: Finde nicht nur einen Beruf, sondern deine Berufung! In der Realität funktioniert das jedoch nicht immer auf Anhieb.

Wir hätten uns zu Beginn unerer Reise natürlich nie erträumt, einmal ein Team von 33 tollen Kolleg·innen aufzubauen. Und es war und ist bis heute auch nicht unser Ziel, immer höher, schneller und weiter zu wachsen.

Umsatzmäßig haben wir über den gesamten Zeitraum einen unteren siebenstelligen Betrag erwirtschaftet. Da wir das meiste Geld in das Projekt, Spenden und präventive Maßnahmen zurückführen, bleibt da nicht viel Gewinn übrig. Unsere festen Partnerorganisationen sind Healthy Seas und Ghost Diving, die regelmäßig Spenden erhalten. Wir setzen aber auch Projekte mit weiteren NGOs um und sammeln hierfür ebenfalls Spenden. Zum Beispiel für Sea Shepherd, Mission Erde e.V., Charles Darwin Foundation und viele mehr.

Wie an Tag eins unseres Projektes wollen wir damit einfach ein kleines Stück zu einem wichtigen Thema beitragen, Menschen inspirieren, Gleiches zu tun und Spaß an unserer Arbeit haben. Diese besondere Erfahrung ist unser größter Erfolg.

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