Was Deutschlands meistverkaufte Coronatests aus Apotheken und Handel taugen
Das Handelsblatt hat Tests, die in Apotheken und im Handel besonders oft angeboten werden, auf ihre Qualität abgeglichen. Das Ergebnis ist eindeutig.
Sie heißen Roche, Hotgen oder Lepu Medical – 600 Coronatests sind in Deutschland am Markt. Für den Laien ist die Lage unübersichtlich, welche Schnell- und Selbsttests das Coronavirus zuverlässig nachweisen können und welche nicht.
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Verbraucher- und Patientenschützer mahnen, dass ein großer Teil nicht zufriedenstellend sei. Die Skepsis ist grundsätzlich angebracht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lässt deshalb eine Positivliste erarbeiten, welche Tests auch die neue hochansteckende Omikron-Variante erkennen können.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat mittlerweile schon 245 Tests bewertet. Ergebnis: Rund 20 Prozent davon erreichen die geforderte Qualität nicht.
Das Handelsblatt hat nun 20 Coronatests, die aktuell in Apotheken und im Handel besonders oft angeboten werden, damit abgeglichen, ob sie der Prüfung des PEI standgehalten haben. Die gute Nachricht: Alle 20 erfüllen die geforderte Sensitivität von 75 Prozent, viele von ihnen erreichen gar einen Wert von 100 Prozent. Die Sensitivität drückt aus, wie gut der Test in der Lage ist, das Virus nachzuweisen. Je näher der Wert an 100 ist, desto zuverlässiger ist der Test.
Für Käufer macht es dabei keinen Qualitätsunterschied, ob sie die Tests in der Apotheke oder im Handel kaufen – die meisten sind zuverlässig.
Die 20 vom Handelsblatt ausgewählten Tests wurden auf Basis von Absatzzahlen in Apotheken zusammengestellt und beinhalten auch jene Marken, die gerade in den großen Drogerien, Discountern und Supermärkten angeboten werden. Teil der Liste ist auch der Laientest von Siemens Healthineers, der vor allem von Bund, Ländern und öffentlichen Einrichtungen gekauft wird und deshalb sehr häufig in Schulen eingesetzt wird.
Die meisten Tests erkennen auch die Omikron-Variante
Alle 20 Tests dürften auch eine Infektion mit der Omikron-Variante erkennen, weil sie alle das sogenannte Nukleo-Protein (N-Protein) des Coronavirus nachweisen. Die Mutationen der Omikron-Variante betreffen aber primär das Spike-Protein.
Schnelltests sind neben den Impfstoffen ein zentraler Bestandteil der Pandemiebekämpfung von Bund und Ländern. Vielerorts gilt die 2G-plus-Regel, wonach etwa in der Gastronomie nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt haben, die zusätzlich einen Test vorweisen können. Auch Unternehmen setzen auf Tests im Büro, und viele Bürger testen sich auch im privaten Umfeld regelmäßig. Wären die Tests unzuverlässig, würde sich viele in falscher Sicherheit wiegen.
Das müssen sie zwar nicht. Doch die Lage mit den Selbst- und Schnelltests ist sehr unübersichtlich: Viele Tests von Herstellern aus Asien werden über verschiedene Anbieter in Deutschland in unterschiedlichen Verpackungen und Ausführungen sowie mit unterschiedlichen Produktnamen verkauft.
Selbst große Diagnostikanbieter wie Roche oder Siemens Healthineers beziehen ihre Laientests von anderen Herstellern. Roche wird etwa von der südkoreanischen Firma SD Biosensor beliefert, Siemens von Healgen Scientific aus den USA.
In den einschlägigen Listen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind die Tests nicht immer unter ihrem Markennamen zu finden, sondern oft auch unter dem des Herstellers aus Asien. Das erschwert die Übersicht. Da kann es beruhigend sein, dass die meistverkauften Tests von guter Qualität sind. Allerdings können Schnelltests eine Infektion nur erkennen, wenn zum Testzeitpunkt eine hohe Viruslast besteht.
16 führende Firmen verkauften für fast 180 Millionen Euro Tests
Es gibt keine Gesamtstatistik darüber, wie viele Covid-19-Tests hierzulande verkauft werden. Schließlich ordern nicht nur Apotheken und Handel die Produkte, Unternehmen kaufen auch direkt bei den Herstellern, zudem gibt es Verträge mit öffentlichen Einrichtungen.
Wie groß der Markt ist, lässt sich über die Verkaufszahlen von Apotheken annähern. Über sie wurden 2021 von den 16 führenden Schnelltestanbietern in Deutschland Covid-19-Tests für mehr als 178 Millionen Euro verkauft, zeigen Zahlen des Marktforschungsunternehmens Insight Health. Die Statistik trennt nicht nach Schnelltests für Laien und für den professionellen Einsatz. So sind auch Tests, die das Level der Antikörper messen, Teil der Liste.
Selbst wenn der Apothekenkanal nur einen Teil des Marktes darstellt: Die Absatzzahlen zeigen klar, wie massiv die Nachfrage nach Antigentests jüngst gestiegen ist. Wurden in vielen Monaten des abgelaufenen Jahres weniger als eine Million Packungseinheiten in den Apotheken veräußert, stieg der Absatz in den Monaten November und Dezember jeweils auf mehr als sechs Millionen Einheiten. Dabei kann die Zahl der Packungseinheiten eine unterschiedliche Anzahl von Tests beinhalten – von einem einzigen Test bis zu 50 Stück.
Klar ist: Für die Hersteller ist es ein lohnendes Geschäft. Siemens Healthineers hat im vergangenen Geschäftsjahr mehr als 1,1 Milliarden Euro Umsatz mit dem Antigen-Schnelltest für Laien gemacht, das Gros davon mit der öffentlichen Hand.
Im Apothekenmarkt ist der Schweizer Diagnostikhersteller Roche nach Umsatz der größte Anbieter. Das Unternehmen bezieht den Schnelltest für Laien, der laut PEI auf eine Sensitivität von 88,9 Prozent kommt, vom südkoreanischen Hersteller SD Biosensor.
Hohe Absatzzahlen weisen auch Anbieter auf, die diverse Tests von unterschiedlichen Herstellern aus Asien anbieten, die hierzulande unter den Markennamen Hotgen, Boson, Anbio oder Lepu Medical erhältlich sind. Die vier genannten haben laut PEI gar eine Sensitivität von 100 Prozent.
Handel sieht sich für die hohe Nachfrage gerüstet
In den Filialen und Onlineshops von Lidl, Aldi Süd, der Supermarktkette Rewe und den großen Drogerien dm und Rossmann bekommen Kunden häufig die Marken Anbio, Hotgen oder MP Biomedical. Sie alle sollen eine hohe Sensitivität aufweisen. Auch beim Onlineriesen Amazon sind diese Tests erhältlich und werden unter den ersten Suchergebnissen aufgelistet.
Anfang Dezember war es im Handel vereinzelt zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von Schnelltests gekommen, weil die Zahl der Tests mit den Infektionszahlen sprunghaft angestiegen war. Betreiber von Drogerien und Supermärkten hatten Engpässe eingeräumt.
Derzeit sehen sich die großen Händler für die hohe Nachfrage gerüstet, zeigt eine Handelsblatt-Abfrage. „Die Verfügbarkeit von Selbsttests ist grundsätzlich gesichert“, heißt es von Aldi Süd. „Infolge von Nachfragespitzen kann es jedoch vereinzelt vorkommen, dass mancherorts die Tests vorübergehend vergriffen sind.“ Rossmann bezeichnet die Warenverfügbarkeit als „stabil“.
Kunden können manche Tests ausschließlich online ordern, andere sind nur in den Filialen verfügbar. Auf ihren Internetseiten bieten viele Händler eine Übersicht, in welchen Märkten Coronatests verfügbar sind. Zu genauen Verkaufszahlen äußerten sich die Händler nicht. Sie dürften gut sein – so wie die meisten Tests.
In einer ersten Version hieß es, dass der Coronatest von Nano Repro eine Sensitivität von 76,5 habe. Tatsächlich liegt dieser Wert bei 94,1. Wir haben die Grafik entsprechend aktualisiert.
