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Zwölf Milliarden für ein Familienimperium: Was nach dem Deal von Viessmann bleibt

Mit dem Verkauf des Kerngeschäfts läutet Maximilian Viessmann eine Zeitenwende bei dem traditionsreichen Heizungshersteller ein. Es steht für 85 Prozent des Umsatzes.

Max Viessmann verkauft das Kerngeschäft des 1917 von seinem Urgroßvater Johann Viessmann gegründeten Familienunternehmens. Die US-Firma Carrier Global übernimmt den Bereich Climate Solutions, der 85 Prozent des Umsatzes von Viessmann ausmacht. Die Sparte soll dabei mit rund zwölf Milliarden Euro bewertet werden, teilten die Amerikaner mit.

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80 Prozent sollen den Angaben zufolge in bar gezahlt werden, 20 Prozent in Aktien. Zusammen wird das gemeinsame Unternehmen mit 45.000 Mitarbeitenden 17 Milliarden US-Dollar umsetzen, teilte Viessmann in der Nacht zum Mittwoch mit.

Mit dem für einen deutschen Mittelständler ungewöhnlich großen und weitreichenden Deal will der aus Florida stammende US-Konzern, der im Wärmepumpen- und Klimaanlagengeschäft den Großteil seiner Umsätze erwirtschaftet, im Wettbewerb – vor allem mit asiatischen Konkurrenten – seine Stellung stärken.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits angekündigt, den Verkauf prüfen zu wollen.

Der Markt boomt, das hessische Unternehmen eilt seit Jahren von Umsatzrekord zu Umsatzrekord. Laut Bundesanzeiger lag die Eigenkapitalquote 2021 bei mehr als 52 Prozent, der Bilanzgewinn bei 252 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen bekannt gegeben, mehr als eine Milliarde Euro in Technologien für erneuerbare Energien investieren zu wollen.

Warum will Viessmann verkaufen?

Zuletzt ist Viessmann um 19 Prozent auf vier Milliarden Euro Umsatz gewachsen. Das Unternehmen nennt mit Blick auf die hergestellten Wärmepumpen keine Zahlen, gilt aber in der Branche als Deutschlands bisher größter Hersteller von Wärmepumpen.

Dieses Geschäft wird in den nächsten Jahren sprunghaft weiterwachsen, weil Deutschlands Hausbesitzer nach Plänen der Bundesregierung von Gas- und Ölheizungen auf erneuerbare Techniken wie Wärmepumpen umstellen müssen. Um diesen wachsenden Markt bedienen zu können und ihn nicht der asiatischen Konkurrenz überlassen zu müssen, muss Viessmann massiv und schnell in den Ausbau seiner Produktionskapazitäten investieren. Dafür braucht das Unternehmen Kapital.

Viessmann hätte dazu einen Börsengang wagen oder „Green Bonds“ nutzen können. In Frankfurts Finanzszene hätte man sich überall gern mit dem Unternehmen beschäftigt, hieß es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder. Alle diese Möglichkeiten wird die Unternehmerfamilie Viessmann aber nicht nutzen. Der Vorteil der geplanten Kooperation liegt laut Experten in den großen Produktionskapazitäten, im Erschließen neuer Märkten außerhalb Deutschlands und im langfristigen Zugang zu Kapital durch einen finanzstarken Partner.

Hat Viessmann den Wandel zu erneuerbaren Energien verschlafen?

Das Interesse von Carrier Global spricht dagegen, zumal die zwölf Milliarden Euro angesichts eines Jahresumsatzes von vier Milliarden Euro ein eher hoher Preis wären.

Viessmann macht nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte des Umsatzes im Geschäftsbereich Climate Solutions, den die Amerikaner nun kaufen wollen, mit erneuerbaren Energien. Das beinhaltet neben Wärmepumpen auch Photovoltaik und wasserstofffähige Gaswandgeräte.

Zur Sparte zählen aber auch alle Arten von Heizungen bei Viessmann, auch die Gasheizungen, die noch produziert werden. Noch ist nicht klar, was genau damit passieren wird.

Was geschieht mit den Mitarbeitenden?

Am Hauptsitz in Allendorf herrschte am Dienstag Alarmstimmung, das Örtchen in Nordhessen ist seit 1937 der Hauptsitz des Unternehmens. Von den 14.500 Mitarbeitenden arbeiten 8000 in Deutschland, 4500 von ihnen in Allendorf. Mit dem Verkauf von Climate Solutions werden 10.500 Mitarbeitende zu Carrier Global wechseln. Die Belegschaft erhält in Summe eine Prämie von 106 Millionen Euro, teilte das Unternehmen mit.

Laut Mitteilung hat Carrier Global sich bereiterklärt, drei Jahre betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen und Garantien für die wichtigsten Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstandorte von fünf Jahren sowie für den Hauptsitz in Allendorf von zehn Jahren zu geben.

Hätte es keine andere Lösung gegeben?

Offenbar ist die Familie zu dem Schluss gekommen, dass die von der Bundesregierung vorgegebene Geschwindigkeit für den Umbau der Wärmeversorgung in Deutschland zu hoch und die Konkurrenz zu groß sei, heißt es aus Kreisen des Familienunternehmens.

Ganz aus dem Geschäft zurückziehen will sich die Familie aber nicht. Max Viessmann wird in den Verwaltungsrat von Carrier Global einziehen. Die Familie ist nach eigenen Angaben einer der größten Einzelaktionäre nach der Transaktion. Derzeit stellt die Familie mit Martin Viessmann und Max Viessmann den Aufsichtsrats- wie den Vorstandsvorsitz bei Viessmann.

Was bleibt bei Viessmann?

Max Viessmann setzt im dem Unternehmen schon seit Langem auf Investments und Kooperationen mit Start-ups. Der 34-Jährige gründete vor vier Jahren den „Maschinenraum“, eine 4500 Quadratmeter große virtuelle und reale Plattform für die Kooperation zwischen Mittelständlern und Start-ups. Diese Aktivitäten sowie Viessmann Invest bleiben erhalten und erwirtschaften zwischen 750 Millionen und einer Milliarde Euro Umsatz.

Zu letzterem Zweig gehören inzwischen 30 Beteiligungen an Unternehmen wie der niederländischen Firma Priva, die in der Gebäudeautomation und beim Indoor-Farming aktiv ist, unter anderem gehören dazu aber auch sehr große Installationsbetriebe wie VAE in Australien und Thermowise in Südafrika sowie Spezialisten für Fernwärme hierzulande.

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