Arbeitsgesundheit: Wie effektiv und nachhaltig sind osteopathische Behandlungsmethoden?
Osteopathen werden im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) immer häufiger von Unternehmen beauftragt, um Beschwerden von Mitarbeitenden wie Rücken- und Nackenschmerzen zu lindern. Nachweislich sind es auch diese Beschwerden, die nach dem Gang zum Osteopathen in vielen Fällen verschwunden sind. Osteopathie erfreut sich vor allem bei jenen, die sitzende Tätigkeiten ausüben, großer Beliebtheit. Der zunehmende Bewegungsmangel gilt inzwischen als Hauptursache für alle Zivilisationskrankheiten. Laut Gesundheitsorganisation WHO ist langes Sitzen ein Risikofaktor für Krankheiten und einen vorzeitigen Tod. Die häufigste Folge von ständigem Sitzen sind Rückenschmerzen: Ist die Schulter-Nacken-Muskulatur unterfordert, wird sie nicht ausreichend durchblutet und bleibt von der Stoffwechselversorgung und vom Sauerstoffaustausch ausgeschlossen. Sie reagiert mit Verspannung.
Die Osteopathie - aus den altgriechischen Wörtern „osteon“ (Knochen) und „pathos“ (Leiden) - wird hierzulande immer beliebter.
Sie ist eine eigenständige, ganzheitliche Form der Medizin, in der Diagnostik und Behandlung mit den Händen erfolgen. Ziel ist es, Funktionsstörungen im Körper zu erkennen, den Ursachen der Beschwerden auf den Grund zu gehen und den Menschen in seiner „Gesamtheit“ zu behandeln. Der menschliche Körper besteht aus vielen Strukturen, die alle miteinander zusammenhängen. Wichtige Verbindungselemente sind die Faszien, feine Bindegewebsnetze, die alle Strukturen im Körper umgeben und miteinander verbinden. Mit speziellen Druck- und Dehnungstechniken werden die verhärteten, verklebten oder verkürzten Strukturen der Muskulatur, der Sehnen und des Bindegewebes (Faszien) behandelt. Während der Behandlung werden Schicht für Schicht Bewegungseinschränkungen und Spannungen im menschlichen Gewebe erspürt (= palpieren). Während der Behandlung werden durch sanfte Dehn-, Massage- und Grifftechniken Blockaden gelöst.
Die Osteopathie teilt den Körper in drei Bereiche:
- Bewegungsapparat mit Knochen, Gelenken, Muskeln und Bändern
- Bereich der inneren Organe des Brust- und Bauchraumes
- Schädel, Wirbelsäule und Becken.
Arten der Osteopathie:
- Viszerale Osteopathie
- Parietale Osteopathie
- Craniosacrale Osteopathie (Kraniosakrale Osteopathie)
- Biodynamische Osteopathie
- Funktionelle Osteopathie
- Viszerale Osteopathie.
Osteopathie zeigt viele Parallelen zu anderen Behandlungsmethoden auf.
Zum Unterschied zwischen Osteopathie und Chiropraktik: Der Chiropraktiker konzentriert sich auf die Funktionalität der Gelenke, der Wirbelsäule und des Nervensystems. Osteopathen betrachten den Körper als Einheit und haben dabei kein Spezialgebiet. Chiropraktiker lösen Blockaden mit gezielten, teilweise raschen Bewegungen, mit denen sie etwa Gelenke wieder einrenken. Osteopathen nutzen sanfte und vorsichtige Bewegungen, um Spannungen und Blockaden zu lösen. Gemeinsam ist beiden Behandlungsmethoden, dass der Therapeut die Hände einsetzt, um die Patienten zu untersuchen und seine Beschwerden zu lindern. Eine Physiotherapie erfolgt meist über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen) hinweg, während bei der Osteopathie drei oder sechs Behandlungstermine üblich sind.
Die Geschichte der Osteopathie reicht bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und schuf ein neues Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Er ging davon aus, dass der Mensch eine ganzheitliche Einheit aus Körper, Geist und Seele sei. Dazu ist eine gute Beweglichkeit in allen Körperbereichen erforderlich. Beschwerden würden seiner Ansicht nach an einer tiefer liegenden Störung der Beweglichkeit und Dynamik des Körpers liegen, die er mit den Händen aufspüren und behandeln konnte. Bereits nach kurzer Zeit ließen sich die ersten Studierenden in den USA zu Osteopathen ausbilden. Auch heute noch ist die Osteopathie in den Vereinigten Staaten eine anerkannte und beliebte Heilmethode. In Europa wurde die Osteopathie 1918 durch Dr. John Martin Littlejohn (ein Schüler Stills) bekannt. Erst in den 1980er Jahren verbreitete sich die Methode auch im deutschsprachigen Raum.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 2011 Richtlinien zur Osteopathie beschlossen.
Mittlerweile ist sie in vielen Ländern fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung (in Deutschland noch nicht). Der Verband der Osteopathen Deutschland e.V. (VOD) setzt sich für Patientensicherheit und Verbraucherschutz ein. Er fordert hierfür eine berufsgesetzliche Regelung und die Schaffung des eigenständigen Berufs des Osteopathen auf qualitativ höchstem Niveau. Ärzte können nur als Osteopathen tätig werden, wenn sie eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Auch Heilpraktiker und Physiotherapeuten können sich ausbilden lassen. Sie sollten über guten Tastsinn für die fragilen Körperstrukturen verfügen, die Grundlagen der Medizin beherrschen und die Grenzen der Behandlungsmöglichkeiten beachten. Inzwischen gibt es für Interessierte die Möglichkeit, sich nach dem Medizinstudium, der Ausbildung in der Physiotherapie oder Heilpraxis im Bereich der Osteopathie berufsbegleitend weiterzubilden. Auch Hochschulen bieten inzwischen grundständige Bachelor-, sowie weiterführende Masterstudiengänge im Fach der Osteopathie an. An der Hochschule Fresenius in Idstein kann seit 2012 ein Studiengang „Osteopathie“ absolviert werden, doch osteopathisch behandeln lässt mit diesem Abschluss nicht (das dürfen nur Ärzte und Heilpraktiker). Einheitlichkeit und notwendige Qualitätsstandards bei der Ausbildung dienen der Patientensicherheit und sind für ein Berufsgesetz der Osteopathen unerlässlich.
Krankheitsbilder, bei denen die Osteopathie zur Anwendung kommen kann:
- Bandscheibenvorfall
- organische Beschwerden
- Beckenschiefstand
- Craniomandibuläre Dysfunktion (Kiefergelenkfehlstellung)
- Erkrankungen des Darms
- Hexenschuss
- Intercostalneuralgie (Gelenkblockierung der Brustwirbelsäule)
- Unerfüllter Kinderwunsch
- KiSS-Syndrom (Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung)
- Migräne und Kopfschmerzen
- Refluxkrankheit
- Rücken- und Nackenproblemen
- Sportverletzungen
- Stress und Unruhe
- Tinnitus
- Verdauungsbeschwerden.
Vorteile und Grenzen der Behandlung im Überblick:
VORTEILE:
- sanfte und vorbeugende Behandlungsmethode beim Aufspüren von Blockaden des Bewegungsapparates (ausschließliche Nutzung der Hände, mit denen der Osteopath abtastet, Bewegungstests durchführt und mit den Fingern Spannungsfelder entdeckt)
- ganzheitlicher Blick des Osteopathen richtet sich nicht auf einzelne Symptome, sondern geht den Beschwerden auf den Grund (mehr als reine Symptombehandlung)
- Krankenkassen erstatten die Kosten teilweise oder komplett
- im Mittelpunkt steht der gesamte Mensch
- kann Medikamenteneinnahme und Operationen überflüssig machen
- die Behandlung ist schmerzfrei
- Ergänzung und Erweiterung zur Schulmedizin
- Aktivierung und Stärkung der Selbstheilungskräfte
- Therapeuten nehmen sich Zeit für die Patienten.
GRENZEN UND NACHTEILE:
- bei einigen Symptomen verspricht eine ärztliche Behandlung bessere Heilungschancen
- „Osteopath“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung
- Nach der Behandlung können Beschwerden wie Schmerzen, Müdigkeit, Schwindel oder eine hohe Emotionalität auftreten
- bei falscher Anwendung besteht die Gefahr von ernsthaften Folgen oder bleibenden Schäden
- die Behandlung der Halswirbelsäule kann gefährlich sein, wenn der Osteopath falsche Bewegungen ausführt und dadurch die Blutzufuhr zum Gehirn verringert
- nicht als Notfallmedizin geeignet
- fehlende Nutzenbelege aus großen klinischen Studien
- nicht geeignet für ältere Patientinnen und Patienten mit Osteoporose (Gefahr von Knochenbrüchen)
- Krankheitsbilder am Bewegungssystem sind sehr komplex - Studien lassen sich hier nur schwer durchführen
- bei bestimmten Vorerkrankungen kann Osteopathie riskant sein
- Manipulationen der Wirbelsäule können schwerwiegende Folgen haben
- die Behandlungsmethode basiert Kritikern zufolge auf keiner nachgewiesenen Wirksamkeit (Vorwurf des Placebo-Effekts).
Dennoch nehmen immer mehr Krankenkassen Extraleistungen durch Osteopathie mit in ihre Programme auf. Ermöglicht werden die angebotenen Extras durch das 2012 in Kraft getretene Versorgungsstrukturgesetz. Jedem Menschen sollte es selbst überlassen bleiben, auszuprobieren, ob Osteopathie eine Lösung für seine gesundheitlichen Probleme sein kann oder ob ein anderer Therapieansatz wirksamer ist.
Es braucht verschiedene Behandlungsansätze für ganzheitliche Konzepte von Gesundheit und Prävention.
Dies unter einem Dach zu vereinen war das Ziel der Osteopathin und Heilpraktikerin Christine Bergmair, die das Gesundhaus i-Tüpferl in Steindorf gründete: „Die Menschen, die hierher kommen, erfahren und spüren moderne Medizin sowie ganzheitliche Gesundheit.“ Ärzte, Therapeuten und Gesundheitsberufe unterschiedlicher Heilkunden sowie Berufe und Unternehmen aus Gesundheit und Soziales arbeiten hier interdisziplinär zusammen (schnellere Diagnosen, sinnvoll abgestimmte Therapien ohne Doppeluntersuchungen). Es ist ihr Wunsch, dass die „Weiterentwicklung der modernen Medizin, das Umdenken im Gesundheitswesen sowie die professionelle Begleitung von Menschen hier im täglichen Austausch aktiv gelebt“ wird.
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