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Arbeitsmarkt für Ingenieure: Herausforderungen und aktuelle Entwicklungen

Ingenieursberufe haben eine lange Tradition und stehen für Präzision, Kreativität und Problemlösungskompetenz. Künftig wird der Bedarf an Beschäftigten in Ingenieur- und Informatikberufen weiter ansteigen. Besonders gefragt sind Ingenieure in den Bereichen Digitalisierung, Energiewende und Industrie 4.0. Doch trotz der hohen Nachfrage bleibt derzeit ein großer Teil der offenen Stellen unbesetzt, was die Innovationskraft Deutschlands stark beeinträchtigt. Auf dem Arbeitsmarkt fehlt es vor allem an Absolventen und Ausbildern in den MINT-Berufen. Hinzu kommt, dass die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht – damit tritt auch ein Großteil von Berufsexperten wie Ingenieure zurück. Der VDI-IW-Ingenieurmonitor wird seit 2012 einmal pro Quartal gemeinsam vom VDI und dem Institut der deutschen Wirtschaft herausgegeben und präsentiert einen Überblick über den aktuellen Stand und die Entwicklung relevanter Indikatoren des Arbeitsmarktes in den Ingenieur- und Informatikberufen.

  • Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts vom Januar 2024 dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 um 0,3 Prozent gesunken sein. Diese starke konjunkturelle Eintrübung habe auch (kurzfristige) Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in den Ingenieur- und Informatikerberufen.

  • Besonders bei Berufen, die für die Themen rund um Klima und Digitalisierung wichtig sind, ist der Engpass-Index zu hoch. Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit 159.100 offene Stellen.

  • Die Engpasskennziffer (offene Stellen je 100 Arbeitslose) liegt unverändert bei 333. Die größten Engpässe bestehen bei Ingenieurberufen in den Bereichen Energie- und Elektrotechnik (Engpassrelation 558), Bau/Vermessung/Gebäudetechnik und Architektur (Engpassrelation 433) sowie Maschinen- und Fahrzeugtechnik (368) und Informatik (303).

  • Die aktuelle Fachkräftelücke in den Ingenieur- und Informatikberufen führt zu jährlichem Wertschöpfungsverlust von etwa 9 bis 13 Mrd. Euro.

  • Trotz einer um 15,6 Prozent gesunkenen Zahl an offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr leidet der Standort Deutschland weiterhin unter starkem Fachkräftemangel in den Ingenieurberufen.

  • Die zukünftige Entwicklung der Studierenden-, Auszubildenden- und Lehrkräftezahlen im MINT-Bereich wird maßgeblich davon abhängen, wie erfolgreich es gelingt, junge Menschen für eine berufliche Laufbahn in diesem Bereich zu begeistern. Bereits in der Schule muss das Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen Themen geweckt und kontinuierlich gefördert werden.

  • Die verschlechternde Nachwuchssituation ist alarmierend, da dringend qualifizierte Fachkräfte in diesen Berufsfeldern benötigt werden.

  • Entwicklungen an den Schulen und Hochschulen: Die Zahl der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler, die hohe Kompetenzen in Mathematik aufwiesen, halbierte sich von 17 Prozent (PISA-2012) fast auf 8,6 Prozent bei PISA-2022. Von 2016 bis 2022 ist die Anzahl der Studierenden im ersten Hochschulsemester in Ingenieurwissenschaften und Informatik von 143.400 auf 125.500 gesunken und nahm damit um 12,5 Prozent ab.

  • Im ersten Quartal 2024 suchten monatsdurchschnittlich 44.490 Personen eine Beschäftigung in einem Ingenieur- oder Informatikerberuf. Mehr als die Hälfte der Stellen blieb somit weiterhin unbesetzt.

  • Positiv entwickelt hat sich vor allem die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte (ohne Flüchtlingsländer und UK) auf den deutschen Arbeitsmarkt. Die meisten von ihnen kommen aus Indien, der Türkei, Italien, China, Frankreich und Spanien. Von Ende 2012 bis September 2023 stieg die absolute Zahl der ausländischen Beschäftigten in Ingenieurberufen von 46.489 auf 114.648 und damit um 146,6 Prozent. Die höchsten Anteile ausländischer Beschäftigter in Ingenieurberufen finden sich in Bayern, Hessen, Thüringen, Brandenburg und Berlin.

Um zugewanderte Fachkräfte bei der Integration in Arbeitswelt und Gesellschaft zu unterstützen, hat der VDI das Projekt VDI-Xpand initiiert. Im Fokus steht ein Mentoring-Programm, mit dem zugewanderten Ingenieurinnen und Ingenieuren ein berufserfahrenes VDI-Mitglied zur Seite gestellt wird. Das überwiegend online durchgeführte Angebot wird ergänzt durch Netzwerkveranstaltungen vor Ort.

Die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ darf führen, wer das Studium einer technisch-ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtung mit mindestens sechs theoretischen Studiensemestern an einer deutschen, staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder Berufsakademie oder Bergakademie mit Erfolg abgeschlossen hat und dieser Studiengang überwiegend von ingenieurrelevanten MINT-Fächern geprägt ist.“ (Quelle: Bundesingenieurkammer)

Arbeitgeber suchen häufig eine Spezialisierung (deshalb bleiben viele Stellen auch unbesetzt), deshalb macht es Sinn, sich bereits vor Beginn des Studiums darüber zu informieren, in welchen Branchen die Nachfrage sehr hoch und welche Spezialisierung gerade besonders gefragt ist. Auch Auslands- und Praxiserfahrung gilt als wichtige Qualifikation auf dem Stellenmarkt. Praktika sind in den meisten Studiengängen Pflicht und bieten die Möglichkeit, theoretisch erlerntes Wissen direkt in der Praxis anzuwenden. „Die Praxiserfahrung ist eine der größten Schwachstellen der Ingenieurwissenschaften. Um die Probleme gemeinsam zu lösen, sollten Unternehmen ihre Verbindung zu den Universitäten und Fachhochschulen vertiefen“, sagt Werner Neumüller, der die NEUMÜLLER Ingenieurbüro GmbH im Jahr 2003 gegründet hat. Das inhabergeführte Familienunternehmen unterstützt Großkunden aus der Industrie sowie mittelständische Firmen über die Personaldienstleistung - mit anschließender Gelegenheit zur Übernahme der Mitarbeitenden durch die Kunden. Innerhalb der Unternehmensgruppe werden regelmäßig Praktikumsplätze vergeben. Zukünftige Hochschulabsolventen erhalten Stipendien. Auch werden Duale Studenten der Fachrichtung Dienstleistungs-/Personalmanagement ausgebildet.

Neumüller sieht sich zugleich als Brückenbauer zwischen der Alten und Neuen Ingenieurswelt. Für junge Menschen ist er auch ein guter Lotse, weil er den Ingenieursweg selbst gegangen ist: Er studierte Maschinenbau an der FH Regensburg und war studienbegleitend Werkstudent bei der Siemens AG. in Hong Kong absolvierte er ein Auslandspraktikum bei der Mannesmann AG. Seine Diplomarbeit schrieb der gebürtige Franke bei der BMW AG. Nach einer ersten Anstellung bei der Jungheinrich AG Hamburg wechselte er zur Herberg Ingenieurbüro GmbH in die Personaldienstleistung. Nach weiteren fünf Jahren erfolgte die Gründung der ersten Unternehmungen der heutigen Neumüller Gruppe in Nürnberg. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass - um den steigenden Bedarf an qualifizierten Ingenieuren und technischen Fachkräften zu decken - bereits eine gezielte Förderung von an Technik interessierten jungen Menschen notwendig ist. Denn das wirkt sich auch auf die spätere Studienwahl aus.

  • Ingenieur der Zukunft: Zum Wandel eines Berufsbildes

  • Werner Neumüller: Gutes Klima: Warum Unternehmen einen Kompetenzmix aller Generationen brauchen. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.

  • Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.

  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2018.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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