Auf dem Weg zur Zukunftsstadt: Chancen und Herausforderungen
Prognosen zufolge leben bis zum Jahr 2050 etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten. Deutschland gilt bereits seit den 1960er Jahren als „verstädtert“. Aufgrund zunehmender Urbanisierungs- und Globalisierungsprozesse stellen Städte komplexe Anforderungen an bereits vorhandene urbane Strukturen und künftige Neuplanungen. Der Kampf gegen den Klimawandel wird sich vor allem in Städten entscheiden. Länder wie Indonesien, Malaysia und Vietnam urbanisieren sich in besonderer Weise. Deshalb ist es gerade für diese Länder von entscheidender Bedeutung, eine widerstandsfähige und umweltfreundliche Infrastruktur zu schaffen.
Herausforderungen einer nachhaltigen Stadtentwicklung:
- Gesellschaftlichen Disparitäten in Verbindung mit sozialer Spaltung und zunehmendem Prekariat
- Energiewende
- Globalisierung
- Individualisierung der Lebensweisen und des Konsums
- Technologische Innovationen
- Klimaanpassung und Klimaschutz
- Entwicklung kommunaler Konzepte zur Bestands- und Quartiersentwicklung
- nachhaltige Mobilität
- Ressourceneffizienz
- Rohstoffabhängigkeit
- Sharing Economy
- Demografischer Wandel
- bezahlbares Wohnen.
Es wird ein ganzheitlicher inter- und transdisziplinärer Ansatz benötigt, um diese Herausforderungen zu meistern. Um ihnen auch auf wissenschaftlicher Ebene zu begegnen, hat die TU Braunschweig einen neuen strategischen Forschungsschwerpunkt aufgebaut: "Stadt der Zukunft". Unter diesem Dach finden sich neue Forschungsfelder und -kooperationen in der Region, zudem werden bisherige Schwerpunkte wie "Mobilität" sowie "Infektionen und Wirkstoffe" ergänzt.
Ziele:
- entwicklungsfähige Erhaltung der Stadt
- Bewahrung des baukulturellen Erbes
- Gestaltung des (zukünftigen) Lebens in der Stadt im ressourcensparenden und teilhabenden Modus
- Verknüpfung der Bedürfnisse der Menschen mit den technologischen Möglichkeiten
- Rückkopplung zwischen Akteurinnen und Akteuren und deren Aktionen im urbanen Raum
- Zusammenarbeit des privaten und des öffentlichen Sektors
- energie- und ressourceneffiziente, klimaangepasste, wandlungsfähige und lebenswerte Stadt der Zukunft.
Rückblick und Ausblick
Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden stadtreformerische Ideen ausgearbeitet, um auf die nachhaltigen und räumlichen Auswirkungen zu reagieren, die vor allem infolge der Industrialisierung entstanden sind. Es ging um Lösungsvorschläge für veränderte Anforderungen durch Bevölkerungswachstum, Verkehr und Logistik, städtische Ver- und Entsorgungsprozesse sowie Produktions- und Handelsprozesse. Mit der Rückbesinnung auf die Qualitäten der funktional und sozialräumlich durchmischten europäischen Stadt wurde spätestens seit Ende der 1970er Jahre ein Paradigmenwechsel in der europäischen Stadtentwicklung eingeleitet. Es ging nun um den behutsamen Umbau der gebauten Stadt mit ihrem historischen Erbe (erste Ansätze einer integrierten Stadtentwicklungsplanung). In der Vergangenheit war Versorgungssicherheit Haupttriebfeder für urbane Regionen - heute muss die Stadt der Zukunft mit einer Agenda der Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz verbunden werden.
Der Diskurs einer nachhaltigen Stadtentwicklung ist inzwischen durch eine enorme Bandbreite an theoretischen und praktischen Konzeptionen geprägt: Einerseits stehen lokale oder regionale Ansätze (urbane Landwirtschaft, Transition Towns etc.) im Fokus, andererseits werden technologisch hochentwickelte Stadt- und Infrastruktursysteme als Maßnahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung vorgeschlagen. Dazu gehören beispielsweise Konzepte zu „Netzstadt“, „Zero-Emission-Region“, „Resilient Cities“ oder zur „Smart City“. Der Begriff wurde Anfang der 1990er Jahre im englischsprachigen Raum eingeführt und bezog sich vor allem auf die Technologieförderung von IKT und deren Nutzen für den zivilen Einsatz in Städten. Seitdem hat er sich sowie seine strategische Ausrichtung weiterentwickelt: Dahinter verbirgt sich die Idee einer intelligenten, digitalisierten und vernetzten Stadt der Zukunft (Herausbildung neuer Infrastrukturen mit innovativen Steuerungssystemen und Netzwerken im urbanen Raum), die vor allem in den Bereichen technische Infrastruktur, Gebäude, Dienstleistungen, Mobilität oder Governance ihren Ausdruck findet.
Besonders der Energiesektor bietet im Kontext von Smart City eine Vielzahl von Möglichkeiten, bei denen Effizienzsteigerungen meistens im Fokus stehen. Großstädte wie Singapur sind in der Konzeptumsetzung der intelligenten Stadt bereits fortgeschritten. Auch Finnland, Südkorea, Estland, Singapur, Barcelona, Kopenhagen, Amsterdam oder in Deutschland Stralsund und Gelsenkirchen gelten als Vorreiter. Die Prognosen zum Umsatz des Smart-City-Marktes in Deutschland von 2021 bis 2026 besagen, dass der Jahresumsatz in Deutschland angeblich auf 85 Millarden Euro zusteuert. Kritiker bezweifeln allerdings seine Bedeutung: Wer dringend eine Wohnung sucht, fragt nicht danach, ob Lichter und Jalousien so miteinander gekoppelt sind, dass alles „energieeffizient“ läuft. Auch würde dem Smart City-Ansatz oft eine falsche Idee von Stadt und Wohnen zugrunde liegen: Wenn alles kontrolliert und optimiert wird, wird genau das zerstört, was eine Stadt ausmacht: Fülle und Großartigkeit.
Weiterführende Informationen:
- Die smarte Stadt – die Stadt der Zukunft
- SDG 11: Chancen und Herausforderungen für Städte und Kommunen
- Smart und nachhaltig: Anforderungen an die Stadt der Zukunft
Verkehrswende: Wie gelingt eine klimaneutrale Zukunft in den Städten?
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2021.
Ullrich Fichtner: Geboren für die großen Chancen. Über die Welt, die unsere Kinder und uns in Zukunft erwartet. DVA, München 2023.
- Daniel Fuhrhop: Der unsichtbare Wohnraum. Wohnsuffizienz als Antwort auf Wohnraummangel, Klimakrise und Einsamkeit. Transcript Verlag, Bielefeld 2023.
- Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.
- Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2018.
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