Banking der Zukunft ohne Filialen?
Immer mehr Bankfilialen werden geschlossen bzw. "zusammengelegt", wie es die Branche nennt. Zwar denkt (öffentlich) kein Institut über eine vollständige Schließung seiner Standorte nach, aber landauf, landab werden Bankfilialen in einem Tempo und Ausmaß geschlossen, dass man mitunter glauben könnte, einige Institute – oder deren Vorstände - erhielten dafür Sonderprämien. Derzeit sind es vor allem die regionalen Institute, die ihr Standortnetz bereinigen.
Bis ein komplett filialloses Retail Banking zur Diskussion steht, sollten sich die für die Vertriebsstrategie Zuständigen jedoch genau überlegen, was sie tun. Ein Blick auf einige weit verbreitete Mythen zum Thema Bankfilialen mag da möglicherweise dem einen oder anderen die Augen öffnen, bevor es zu spät ist.
Die Kunden besuchen keine Filialen mehr
Wohin man auch hört, überall wird von einem Rückgang der Kundenbesuche in den Filialen berichtet. Werfen wir einmal auf einige ausgewählte Umfragen, Analysen und offizielle Statements der letzten Jahre, so relativiert sich dieses Bild zumindest zum Teil.
Das Kundenverhalten ist konstanter, als es vielfach erscheint. Die weit überwiegende Mehrheit der Kunden nutzt die neuen digitalen Kanäle zusätzlich zu den traditionellen Kanälen und nicht als Ersatz. Wenn also (gefühlt oder tatsächlich) weniger Kunden am Bankschalter aufschlagen, dann (anscheinend) vor allem deswegen weil viele Standard-Services dort nicht mehr angeboten werden oder einfacher und bequemer auf anderem Weg in Anspruch genommen werden können.
Neue Konten werden vor allem online eröffnet
Bei Filialbanken liegt der Anteil der Online-Kontoeröffnungen – nach eigener Auskunft – je nach Institut irgendwo zwischen fünf bis zwanzig Prozent. Die Werte sind – auch nach eigener Einschätzung durch die Institute – eher ernüchternd. Sie schwanken beträchtlich und sind nicht normalverteilt. Vermutlich hängt dies damit zusammen, dass die Nähe zu einer Filiale bei den Auswahlkriterien einer Bankverbindung nach wie vor ganz weit oben rangiert.
Selbst bei Direktbanken werden noch immer bis zu zehn Prozent der neuen Konten analog, d.h. über per Post oder Fax übermittelte Formulare eröffnet.
Kunden wollen keine persönliche Beratung mehr
Inzwischen nutzen über 50 Prozent der Deutschen Online Banking und ca. 25 bis 30 Prozent haben schon einmal Bankgeschäfte über ein Smartphone oder Tablet abgewickelt. Doch dahinter verbergen sich im Wesentlichen Transaktionen im Bereich Zahlungsverkehr und Informationsabfragen. Echte Bankgeschäfte finden unverändert überwiegend in Filialen statt.
Moderne, innovative Banken brauchen keine Filialen
Weit gefehlt. Das beste Beispiel hierfür ist die polnische mBank. Von vielen wird sie als eine der innovativsten Banken weltweit bezeichnet. Im Jahr 2000 wurde die Bank von Grund auf neu erfunden und digitalisiert. Zehn grundlegende Finanzinnovationen wurden damals eingeführt. 2013 und 2015 erhielt sie jeweils einen der begehrten Best-of-Show-Awards bei der Finovate Europe.
Man möchte meinen, solch eine Bank kommt ohne Filialen aus. Das Gegenteil ist der Fall. Die mBank hat im Retail Banking 346 Filialen. Vor 5 Jahren waren es nur 258 Filialen. Mit anderen Worten, ein Zuwachs von 88 Filialen oder 34 Prozent.
Filialschließungen erhöhen das Ergebnis
Die Überlegung hinter Filialschließungen (man nennt das ja dann meist „Zusammenlegung“) sind überall die gleichen:
Eine Schließung spare Sach- und Personalkosten.
Die Erträge blieben weitgehend erhalten, denn die Kunden wandern ja überwiegend in eine andere Filiale.
Tatsächlich laufen Mietverträge weiter, Mitarbeiter werden in andere Filialen versetzt und die Kundenabwanderung vollzieht sich schleichend.
Digitalisierung bleibt wichtig
Kein Zweifel, die Digitalisierung ist eine wichtige und notwendige Ergänzung, aber eben kein vollständiger Ersatz für den stationären Vertrieb. Vom Tod der Filiale und damit der Filialbanken zu sprechen ist jedoch mehr als verfrüht. Meiner Überzeugung nach wird es auch in 20 oder 30 Jahren noch Filialen und (menschliche) Berater geben. Deutlich weniger als heute, aber deutlich mehr, als von vielen vermutet. Das Filialnetz wird sich dabei allerdings viel deutlicher ausdifferenzieren.
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