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© Dr. Alexandra Hildebrandt

Bodenständig werden: Wie können wir zu einer erdverbundenen Haltung finden?

Die besten und erfolgreichsten Manager:innen wissen um die Bedeutung der Aufmerksamkeit als knappste Ressource – sie können ein Unternehmen oder eine Organisation nur gut führen, weil sie auch mit ihrem Körper achtsam umgehen.

Bodenständige Führungskräfte und Manager mögen keine risikoreichen Deals und keine großen Würfe. Für diese Form des nachhaltigen Wirtschaftens plädierte auch vor einigen Jahren die US-amerikanischen Journalistin Arianna Huffington, Mitbegründerin und Chefredakteurin der Onlinezeitung Huffington Post in ihrem Buch „Die Neuerfindung des Erfolgs. Das Leben soll bodenständig „gedeihen“. Dazu muss inneres und äußeres Wachstum in Balance sein.

Einer der besten Wege, um gesünder und zufriedener zu werden, ist für sie die Entdeckung der Achtsamkeit, für die es allerdings eine Ordnung des Geistes braucht. Als sie das erste Mal vom englischen Begriff „Mindfulness“ hörte, war sie zunächst verwirrt: Ihr „mind“ (Geist) sei doch schon voll genug. Sie stellte ihn sich als eine Art „Gerümpelschublade“ vor, in die immer mehr hineingestopft wird in der Hoffnung, dass sie sich nicht verklemmt.

Bereits in den 1950er-Jahren warnte der Philosoph Martin Heidegger, dass eine „anrollende Revolution der Technik den Menschen auf eine Weise fesseln, behexen, blenden und verblenden könnte, dass eines Tages das rechnende Denken als das einzige in Geltung und Übung bliebe". Der Sänger Elton John kritisierte im „Zeit Magazin“ (16/2014), dass während seiner Konzerte ständig Handyfotos gemacht werden: „Was sind das für Menschen, die mit iPads in Konzerte kommen und dann alles filmen? Die schauen sich gar nicht mehr die Show an, sondern starren nur noch auf ihr iPad! ... Denen will ich immer von der Bühne zurufen: Legt das Ding weg, und hört einfach mal zu. Erlebt den Künstler direkt und nicht durch so eine verdammte Maschine.“

2006 ist das Wort „pizzled" in den englischen Wortschatz eingegangen. Die Verschmelzung von „puzzled" (verblüfft) und „pissed" (beleidigt) hält das Gefühl von Menschen fest, deren Gegenüber plötzlich ein Smartphone (damals Blackberry) zückt und mit einem anderem ein Gespräch beginnt. Vor wenigen Jahren löste ein solches Verhalten noch Verärgerung aus. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit. Wer seine Aufmerksamkeit nicht mehr fokussieren kann, kann den Augenblick nicht mehr genießen und die Verarbeitungsgeschwindigkeit seines Gehirns steigern. Auch können die Synapsenverknüpfungen nicht mehr gestärkt und erweitert werden.

Multitasking ist vor diesem Hintergrund ein Mythos, denn dabei geht es darum, zwischen verschiedenen Inhalten ständig umzuschalten, was dazu führen kann, dass durch die häufige Unterbrechung der Konzentration auf ein Thema Zeit für die ursprüngliche Aufgabe verloren geht.

Denn es geht darum, etwas in Ordnung zu bringen, das aus den Fugen geraten ist: Wir haben die Frage danach, was ein gutes Leben ausmacht, aus den Augen verloren und uns vor allem darauf konzentriert, „wie man möglichst viel Geld macht, ein möglichst großes Haus kauft und möglichst hoch auf der Karriereleiter kommt … langfristig allerdings sind Geld und Macht allein wie ein Hocker mit zwei Beinen – man kann eine Weile darauf balancieren, aber irgendwann kippt man um. Das passiert mittlerweile mehr und mehr Menschen, und zwar sehr erfolgreichen“, so Huffington.

Kein Wunder, dass die Sehnsucht nach Bodenständigkeit, Halt und einem besseren Leben gerade heute so ausgeprägt ist. Bei der Ordnung geht es um das, was Martin Heidegger bereits in den 1950er-Jahren mit „Bodenständigkeit“ beschrieben hat. Gemeint ist eine erdverbundene Haltung, die eigene Entwicklungsmöglichkeiten in einem stabilen Umfeld genauso ernst nimmt wie die Freude an der Neugier.

  • Volle Konzentration! Warum Aufmerksamkeit unsere knappste Ressource ist

  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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