Bräuche und Nachhaltigkeit: Zeitlose Osterbotschaften für ein gutes Leben
Die besten Zutaten für das „Gute Leben“ sind dort zu finden, wo es auf Harmonie mit der Natur gründet, auf Gegenseitigkeit und Zusammenhalt.
Es bietet wichtige Ansatzpunkte für die dringliche Debatte über nachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftsformen. Regionalität und gutes Leben gehören zusammen. Der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft und des traditionellen (Lebensmittel-)Handwerks sind genauso wichtig wie die Wertschätzung und der Genuss von Lebensmitteln. Vom Anbau über die Ernte, von der Verarbeitung und Verpackung bis hin zum Versand der handwerklich hergestellten Erzeugnisse - vieles wird hier noch selbst gemacht. Auch im Kontext von SDG 11 (Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten) ist dieser Ansatz von Bedeutung:
- CIRCULAR THINKING: Die meisten von ihnen denken und handeln in geschlossenen Kreisläufen - mit vollständiger Rückverfolgbarkeit für eine Vielzahl verschiedener Erzeugnisse.
- DIREKTVERTRIEB: Es gibt keine Zwischenhändler und Produktionsüberschüsse - die Produkte des Landguts sind entweder in Hofläden, auf Märkten oder auf Bestellung erhältlich.
- NACHHALTIGES WIRTSCHAFTEN: Die Herstellung der Erzeugnisse erfolgt bis auf einige Ausnahmen über die gesamte Wertschöpfungskette im eigenen Unternehmen – von der Saat bis hin zum Versand.
Von dieser Entwicklung profitieren nicht nur die großen Supermärkte und Discounter, sondern auch die Bioläden, Wochenmärkte und Feinkosthändler. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren immer mehr Menschen umwelt- und gesundheitsbewusster geworden sind. Es wird verstärkt darauf geachtet, wo die Produkte herkommen, und dass sie möglichst regional sind. Erkannt wird auch, dass gute Produkte auch mehr kosten, weil sie einen anderen Wert als billige Massenware haben. Viele Menschen genießen es mittlerweile, mehr Zeit in ihre Ernährung zu investieren und nach einem natürlichen Leben abseits des tradierten ökonomischen Systems zu suchen, weil ständiger Druck ihr individuelles Lebenstempo verschärft und die Welt zunehmend unsicherer und komplexer wird.
Ein gutes Leben setzt aber auch voraus, dass auch unser Verhältnis zu den Dingen des Alltags neu geschrieben werden muss.
Wenn unser Verhältnis zu ihnen vom unbedachten Konsum bestimmt ist, ist dies mit einer seelischen Verkümmerung verbunden. Im Gegensatz dazu können nachhaltiger Konsum und gesunde Arbeitsformen das Glück steigern. Viele Kunstschaffende und Produktdesigner verhelfen den unterschiedlichsten Materialien heute zu neuen Formen. Durch den DIY-Boom der vergangenen Jahre erlebt Filz gerade eine Renaissance. Das Trendmaterial ist umweltfreundlich, klimatisierend, dämmend, dämpfend, isolierend, wasser- und schmutzabweisend, elastisch, widerstandsfähig und biologisch abbaubar. Durch seine natürliche Struktur ist er extrem haltbar – ganz ohne chemische Beimischungen oder Klebstoffe. Wollfilz aus Schafwolle baut sogar Schadstoffe ab: Das Keratin der Schafwolle hilft beim Abbau von Formaldehyd aus der Luft. Die Dinge, mit denen wir uns umgeben, stärken auch unsere Möglichkeiten, einsichtig und nachhaltig zu handeln.
Das ist auch eine der Kernbotschaften von Renate Bergmair, die auf dem Weckerhof in Steindorf aufgewachsen ist. Ihr beruflicher und privater Werdegang wurde vor allem durch ihre Verbindung zur Natur geprägt. In ihrer Kreativwerkstatt – diese traditionelle Bezeichnung ist im Zeitalter der Digitalisierung bewusst gewählt, weil die nachhaltige Verbindung von Altem und Neuem gezeigt wird - vermittelt sie nicht nur das Arbeiten mit Naturmaterialien, sondern auch greifbare Bezüge zu Natur und Umwelt: „Ich sehe große Chancen, die Menschen in ihren kreativen Prozessen zu erreichen. Außerdem möchte ich einen Teil dazu beitragen, um die Menschen in ihrem Selbstwert und Glücklichsein zu unterstützen. Kreative Prozesse dienen zum Wohle und der Selbstzufriedenheit jedes Einzelnen.“ Bevorzugt werden Naturmaterialen wie Filz, Ton, Hackschnitzel und alles, was im Wald, Garten und auf dem Feld wächst. Die Jahreszeiten tragen unter anderem dazu bei, die bunte Vielfalt der Naturmaterialien aus der heimischen Landwirtschaft zu entdecken.
Zudem verweist Renate Bergmair darauf, dass sich immer mehr Menschen danach sehnen, „in der Gemeinschaft etwas zusammen zu gestalten.“
Die sie umgebende Welt respektiert und fühlt sie als Kulturlandschaft. „In ihrer Arbeit gibt sie ihnen ‚Raum‘. Dabei geht es ihr auch darum, einen bewussten und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, Menschen und Natur zu erreichen“, sagt ihre Tochter Christine Bergmair, Gründerin und Geschäftsführerin des i-Tüpferl, das auch den kreativen und lebendigen Austausch mit unterschiedlichen Angeboten, Kursen und Märkten fördert. Hier werden unterschiedliche Behandlungsansätze zu einem ganz heitlichen Konzept von Gesundheit und Prävention unter einem Dach vereint. Ärzte, Therapeuten und Gesundheitsberufe unterschiedlicher Heilkunden sowie Berufe und Unternehmen aus Gesundheit und Soziales arbeiten interdisziplinär zusammen. Ein wesentlicher Bestandteil ist auch die Wertschätzung der Handarbeit und des Handwerks in allen Lebensbereichen, die nachhaltig miteinander verbunden sind. Dabei spielt auch die Arbeit ihrer Mutter Renate Bergmair eine wichtige Rolle. Kreativität und das Haptische kommen im Alltag häufig zu kurz. Doch die meisten Menschen möchten ihm nicht passiv ausgesetzt sein, sondern auch formgebend in ihn eingreifen. Deshalb macht es ihnen Freude, etwas mit den eigenen Händen zu herzustellen.
Die Bedeutung von Bräuchen in der agrarischen Gesellschaft
Um die menschliche Kreativität und Fantasie anzuregen und soziale Beziehungen zu stärken, sind auch Bräuche sehr wichtig. Sie tragen dazu bei, den Jahreszeitenwechsel im sozialen Gefüge verstehen zu lernen und mit Sinn zu belegen. Das Osterfest ist das größte Fest der Christenheit. Es ist von zwei vierzigtägigen Festkreisen eingerahmt und hat viele Bräuche entwickelt, die sich über Generationen verändert haben. Der Gründonnerstag ist in vielen Familien und an vielen Orten noch der Tag des Eierfärbens. Dieser Brauch reicht ins 13. oder 14. Jahrhundert zurück. Renate Bergmair bietet verschiedene Kurse Osterbasteln an und präsentiert ihre handgefertigten Werke, die volkstümliche Elemente des Osterfestes (Osterhase, Osterei und Osternest) zeigen, auf Märkten. Kürzlich führte sie in der Regnes-Wagner-Wohngemeinschaft einen Kreativ-Workshop mit geistig Beeinträchtigten durch: Gemeinsam wurden in 1,5 Stunden ein Osterkranz gestaltet: „Ein Strohkranz wurde mit Moos bedeckt, der Kranz wurde dann mit einer Rinde dekoriert und diese mit Eierschalen beklebt. Nasse Watte wurde in die Eierschalen drapiert und Kresse angesät. Die Hälfte hat das Styroporei angemalt, die anderen haben das Styroporei trocken gefilzt. Es wurde als Osterhase gestaltet und in den Kranz und auf die Rinde gesetzt - und mit Federn verziert.“
Handgefertigte Dinge zeigen uns etwas von ihrer Machart, die Verwendung traditioneller und natürlicher Materialien.
Auch Dekoration, das eigene Leben zu verschönern und sich selbst und seine Umwelt mehr wertzuschätzen, spielt dabei eine wichtige Rolle. Die schöne neue Ding- und Motivwelt aus der Natur wird zum Appell, „den Tag zu pflücken“ (Horaz). Wie bereits von Christine Bergmair erwähnt, sollten wir die uns umgebende Welt als Kulturlandschaft respektieren und fühlen, ihnen „Raum“ geben. Das bedeutet: sich im Vorfeld Gedanken zu machen, in welche Richtung die Gestaltung gehen soll. Ihre Mutter Renate Bergmair setzt dieser Entwicklung das Machbare entgegen, indem sie handgefertigte und nachhaltige Produkte fertigt und an ihre Herstelltechniken erinnert - eine Welt, die nicht digital, sondern analog und lebendig ist.
Weiterführende Informationen:
- Renate‘s Kreativwerkstatt
- Wo Nachhaltigkeit (be)greifbar wird. Interview mit Renate Bergmair
- Vom Glück des Selbermachens
- Bürkert, Karin (2022): Wer glaubt denn noch an den Osterhasen … In: Nationalatlas aktuell 16 (04.2022) 3 [11.04.2022]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).
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