Dr. Alexandra Hildebrandt

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für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

„Chronische Aktualitäten“: Was uns Erich Kästner heute zu sagen hat

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Resignation ist kein Gesichtspunkt

In einer Ansprache auf dem Königsplatz in München anlässlich des Ostermarsches 1961 rief Erich Kästner – dessen 125. Geburtstag 23. Februar begangen wurde und am 29. Juli sein 50. Todestag ist - den Demonstrierenden zu: „Unser friedlicher Streit für den Frieden geht weiter. Im Namen des gesunden Menschenverstands und der menschlichen Phantasie. Resignation ist kein Gesichtspunkt!“ Dieser fassliche Satz wurde zu seiner Maxime. Unter diesem Titel wurden 43 Entwürfe, Redemanuskripte und Zeitungsartikel in einem Band zusammengefasst. Er enthält Reden, Feuilletons und politische Schriften Kästners, beginnend in den 1920er Jahren bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1974. Zwölf von ihnen sind nach ihrer Erstveröffentlichung in Zeitungen oder Zeitschriften nie wieder nachgedruckt worden. Fünf waren bislang unveröffentlicht. Dass sie nun in einem Buch vorliegen, ist auch dem Engagement des Deutschen Literaturarchiv Marbach zu verdanken. Die vom Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek ausgewählten Beiträge wirken, als seien sie für die heutige Leserschaft geschrieben. Themen wie Populismus, Größenwahn, Brutalität, Dummheit, Atomkraft, Kriege, Aufrüstung und Vergessen rütteln auf und erinnern uns an unsere dringliche Aufgabe, jetzt zu handeln. Er wollte aufklären und verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt. Dafür braucht es Bildung und Aufklärung, um in der Zukunft die "Fehlentwicklung ganzer Generationen" zu vermeiden. In seinem Text „Wir brauchen eine neue Aufklärung“ schreibt Erich Kästner, dass wir starke „Transformatoren“ brauchen, die Abstraktes „ins Begreifliche und Anschauliche verwandeln“. Es gab für ihn deshalb „drei unveräußerliche Forderungen“, die wir heute auch im Kontext von Nachhaltigkeit und Klimawandel brauchen:

  • Aufrichtigkeit des Empfindens
  • Klarheit des Denkens
  • Einfachheit und Wort und Satz.

Es ist zudem wichtig, nicht beim vorhandenen Wissen stehen zu bleiben, sondern die Dinge zu durchdringen, ihnen auf den Grund zu gehen und wirklich zu verstehen, was zu tun ist. Dabei kann er uns eine intellektuelle Hilfe sein. Auch der gesunde Menschenverstand spielt dabei eine wichtige Rolle. Diesen schrieb er auch dem Atomphysiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker zu, der im Taschenbuch „Kernexplosionen und ihre Wirkungen“ (1961) bemerkte, dass die Entwicklung des technischen Zeitalters dem Bewusstsein des Menschen „davongelaufen“ sein: „Wir denken und handeln von Begriffen aus, die früheren Zuständen der Menschheit angemessen waren, den heutigen aber nicht.“ Es scheint, als würde auch dies für unserer Gegenwart geschrieben sein. Kästner glaubte an den gesunden Menschenverstand wie an ein Wunder - doch er verbot es ihm, „an Wunder zu glauben.“ Mit ihm wird einerseits ein gemeinsames Wissen bezeichnet, eine Vielzahl an Überzeugungen. Andererseits ist damit eine gemeinsame Fähigkeit gemeint, zu Wissen zu gelangen (ein urteilender Verstand). Als Chronist der Zeitumstände und Skeptiker prüfte und betrachtete er die Dinge genau und nahm eine observierende Haltung zur Welt ein. Sein Drang, alles infrage zu stellen und „brennende“ Fragen zu stellen, basiert auf seiner scharfsichtigen und kritischen Beobachtung. Die Beschäftigung mit der Zukunft gehörte für ihn auf die Tagesordnung:

„Der gesunde Menschenverstand ist nicht der Hanswurst der Politik. Die Humanität ist nicht der dumme August der Geschichte.“ („Gegen den Krieg in Vietnam“, 1968)

Bereits in seinen Artikeln in den 1920er Jahren – damals arbeitete er als Feuilletonredakteur der Neuen Leipziger Zeitung - äußerte er sich zum Tagesgeschehen in der Weimarer Republik: „Rüsten, damit der andere keinen Krieg wagt – sie hat die Welt oft genug unter Blut gesetzt.“ (1926) Später warnte er in der „Weltbühne“ vor den Nazis. 1945 sagte er: „Wer jetzt beiseite steht, statt anzupacken, hat offensichtlich stärkere Nerven als ich … Wer jetzt Luftschlösser baut, statt Schutt wegzuräumen, gehört vom Schicksal übers Knie gelegt.“ In den 1950er und 1960er Jahren wurde seine Sprache radikaler. Er protestierte gegen atomare Bewaffnung und den Vietnam-Krieg, rief vor allem die Jungen auf, sich politisch zu engagieren: „Bildet euch ein Urteil! Nehmt beizeiten Einfluß!“ Viele Menschen – und das sind nicht nur die älteren – haben Schwierigkeiten, ihre Gewohnheiten zu ändern und überholte Gewissheiten aufzugeben. In diesem Kontext ist es wichtig, auch unbequeme Fragen zu stellen und positive Zukunftsvorstellungen sowie gangbare Pfade dahin aufzuzeigen. Kästner kann dabei ein guter Wegweiser sein, wenn wir es verstehen, seine Spuren zu „lesen“. So heißt es in seiner Rede vor der Gewerkschaftsjugend“ (1959): „Wer die Verantwortung nicht jung erlernt, erlernt sie nie. Denn diese Gegenwart wird sehr bald Vergangenheit sein, und die nahe Zukunft eure Gegenwart! Multipliziert unser Versagen nicht noch mit dem eurigen!“,

Das Buch:

  • Erich Kästner: Resignation ist kein Gesichtspunkt. Politische Reden und Feuilletons. Hg. und Nachwort von Sven Hanuschek.2. Auflage, Atrium-Verlag, Zürich 2023.

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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